Metal & Gothic - Porträts aus der Szene: Teil 2

02.07.2008 | 16:00

In unserer Reihe "Metal & Gothic - Porträts aus der Szene" stellen wir euch im zweiten Teil die achtzehnjährige Judith Homann aus Huglfing in Bayern vor.

Judith Homann

Tatsächlich  ist es die Band NIGHTWISH, die die achtzehnjährige Judith dazu veranlasst hat, sich auf den Pfad des Metals zu begeben. Seinerzeit ist die gebürtige Berlinerin vierzehn Jahre alt und wird durch ihre Eltern ein weiteres Mal veranlasst, ihre bisherige Heimat Suhl in Thüringen, in der sie ihre Kindheitsjahre verbracht hat, zu verlassen, um nach Huglfing in Bayern umzuziehen. Von vorne anfangen heißt das, neue Freunde finden und sich erst einmal ziemlich unwohl fühlen.

In diesen Tagen kommt Judith mit zwei Mädels aus ihrer neuen Schule in Kontakt, die sie mit der Musik von NIGHTWISH in Berührung bringen. "Vorher hatte ich keinen wirklich festen Stil", erinnert sich Judith, die sich heute im süddeutschen Huglfing längst eingelebt hat und gerade dabei ist, ihr Abitur zu bauen. "Ich habe in der Musik für die 'breite Masse' nie viel gefunden, was mich fasziniert hätte. Das Einzige, was ich schon seit frühester Kindheit und bis heute sehr liebe, sind Musicals."

Durch ihre Vorliebe für NIGHTWISH, die Judith auch nach dem Wechsel der Sängerin noch zusagen, fühlt sich die junge Frau besonders dem Gothic/Symphonic Metal verbunden. Man findet sie aber zuweilen auch auf Konzerten von Heavy- und Power-Metal-Bands wie SONATA ARCTICA oder TAROT.

"Verglichen mit der meisten anderen modernen Musik ist Metal, obwohl man das auf den ersten Blick nicht meinen mag, extrem komplex und vielseitig und musikalisch sehr hochwertig," lautet Judiths Urteil, das auch einen Hinweis darauf gibt, was ihr an dieser Art von Musik so gut gefällt. "Da ich persönlich natürlich durch NIGHTWISH bevorzugt am Gothic/Symphonic Metal hänge, fasziniert mich besonders die Kombination aus der 'harten' Musik und den lyrischen Texten."


Und ein Urteil über Musik abzugeben, dazu ist die Gymnasiastin durchaus in der Lage, hat sie doch selbst jahrelang Keyboardunterricht genommen, spielt Saxophon und hat sich selbst auch schon im Gesang erprobt. Musikalische Spielwiesen bietet natürlich die Schule an. Dort nutzt Judith ihre Mitgliedschaft in einer Big-Band, um ihre Fähigkeiten im Saxophonspiel zu erproben und sich in diesem Zusammenhang auch einem Publikum zu präsentieren und zu erleben, wie es ist, auf der Bühne zu stehen. Wenn es sich hierbei auch nicht um die geliebte Stilrichtung des Metals handelt, so ist Judith doch allein durch die Erfahrung des selber Musizierens auch für Jazz und seine Spielarten zu begeistern. Mit einigen Schulkameraden hat sie allerdings auch bereits die ersten Banderfahrungen im Metalgenre gesammelt. Leider hat vorerst die Schule und – wie so oft – der Weggang eines Bandmitgliedes das junge Projekt, das sich den Namen SLEEPWALKER gegeben hat, zum Scheitern gebracht. Schade, die Präsentation der Nachwuchskünstler unter www.myspace.com/sleepwalkersanthem sah schon recht viel versprechend aus.

Dennoch ist Judith optimistisch, auch in Zukunft Gleichgesinnte zu finden, um miteinander Musik zu machen. Das kurz bevorstehende Studentenleben könnte ja immerhin in dieser Hinsicht Begegnungen ermöglichen.

Dies soll aber nicht heißen, dass Judith anstrebt, einen musikalischen Studiengang zu wählen. Im Gegenteil. Ganz offensichtlich liegen einige ihrer Stärken auch im naturwissenschaftlichen Bereich. Und deshalb plant sie, nach bestandenem Abitur im Herbst dieses Jahres in Karlsruhe Meteorologie zu studieren. 

Damit das mit dem Abibauen aber auch klappt, muss noch einmal die Musik helfen. Die bayrischen Abiturienten müssen eine so genannte Facharbeit schreiben, in der sie ein komplexes Thema fast einer kleinen Diplomarbeit gleich untersuchen. Und Judith hat sich die lyrischen Motive im Gothic anhand ausgewählter Textbeispiele skandinavischer Gothic-Metal-Bands ausgesucht, die sie in Englisch auf 45 Seiten beleuchtet.

Jenseits von Schule und Musik taucht Judith gerne in die Welt der Fantasyfilme und -bücher ein: "Alles, womit ich ab und an mal aus der Realität rauskomme", erklärt sie und wirkt dabei sehr realistisch und für ihr Alter im Übrigen auch sehr reflektiert und kritisch. So sieht die 18jährige auch die Frage nach der Szene durchaus kritisch. Sich selbst vermag sie nämlich gar nicht einfach dort einzuordnen. Der Begriff der Szene ist für Judith – und damit steht sie wohl gar nicht so allein – zu sehr mit der Vorstellung der Einordnung in Schubladen verbunden, in die sie gar nicht hinein will. Die Identifikation mit der Metal- oder Gothicszene ist mithin also begrenzt, vielmehr identifiziert sich die Schülerin mit sich selbst, gesteht aber gleichwohl auch hier verschmitzt ein, zuweilen nicht recht zu wissen, was das eigentlich heißt.


Und wenn die Suche nach der eigenen Identität auch naturgemäß zu dieser Altersphase gehört, so weiß Judith dennoch in vielerlei Punkten schon genau, wo sie hin will. Als Familienmensch sieht sie sich nicht, auch wenn sie ihre Familie liebt und mit warmer Zuneigung besonders oft von der Oma spricht, die mit im Hause der Eltern lebt. Später eine eigene Familie zu haben, das ist Judith wohl heute noch zu weit weg. "Eher nicht," sagt sie, aber: Mit "time will tell" hält sie sich ein legitimes Türchen offen.

Mehr anfangen kann sie da schon mit dem Begriff 'Karriere'. "Ich will mir keine Sorgen machen müssen über mein Leben, und ich will ein gewisses Ansehen genießen dürfen", ist ihre Aussage zu diesem Thema, die letztlich eine gewisse Leistungsorientiertheit ausdrückt.

Als politischen Menschen oder gar religiös sieht Judith sich hingegen nicht. Mit Kirche kann sie gar nichts anfangen, hält die Institution für "eine der korruptesten und manipulativsten Instanzen der menschlichen Existenz". Dennoch kann man Judith in vielerlei Gesprächsthemen verwickeln. Meist hat sie sich doch irgendwie auseinandergesetzt, ob mit den Themen Vegetarismus, Umweltschutz, G8 oder Beziehungen. Sie ist eine Gesprächspartnerin, der es nicht reicht, an der Oberfläche zu bleiben.

Redakteur:
Erika Becker

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