REVEREND BIZARRE: Wir blicken auf "Heavier Than Life"

23.10.2022 | 21:18

Darkness Shall Rise Productions hat es schon wieder getan. Nachdem wir mit Adleraugen auf die Anfänge VENOMs und KATATONIAs geschaut haben, haben sich die Macher mit REVEREND BIZARRE und der kompletten Historie der Finnen einen absoluten Leckerbissen für ihre Zeitreise herausgepickt. Und abermals kommt das Gesamtpaket in Form von schmucken Tapes und mit allerlei Equipment in einer wunderschönen Box daher, die wir uns extra für euch einmal genauer angeschaut haben.

Doch bevor wir auf diese Deluxe-Veröffentlichung, die die gesamte Diskographie der Band abdeckt, eingehen, schauen wir zunächst, wer oder was REVEREND BIZARRE überhaupt war.

Gegründet wurde die Band 1994 im finnischen Lohja. Damals war noch Juippi Teil des Trios, musste aber nach kurzer Zeit Platz für Earl of Void machen, der zuvor aus dem Gefängnis entlassen worden war und sich nun mit Albert Witchfinder und Peter Vicar zusammentat, um in der Tradition von Bands wie SAINT VITUS, PENTAGRAM, WITCHFINDER GENERAL, TROUBLE und THE OBSESSED ihre Version des Doom Metals zum Leben zu erwecken. Neben dem Fuzz-Gitarrenklang und dem hämmernden Schlagzeug war der dramatische Bariton-Gesang Alberts ein sehr bekanntes Markenzeichen der Finnen, die dem modernen Doom Metal Leben einhauchten. Insgesamt brachten es die drei Musiker als REVEREND BIZARRE auf drei Full-length-Scheiben, vier EPs, zahlreiche Split- und Compilationgeschichten, ehe die 2011er EP "Return To The Rectory" das endgültige Ende der schon vier Jahre zuvor aufgelösten Band bedeutete.

Nun hat es sich also Darkness Shall Rise Productions zur Aufgabe gemacht, dieser Band in Form der 11-Tape-Box "Heavier Than Life" Tribut zu zollen. Und schon nach wenigen Augenblicken muss ich gestehen, dass Aufmachung sowie Inhalt meine Erwartungen weit übertreffen und dieses Rundum-sorglos-Paket aufgrund vielerlei Merkmalen das Prädikat "besonders wertvoll"  verdient. Ein kurzer Blick aufs ehrfürchtige Artwork reicht aus, um mir das erste "Wow" zu entlocken. Es wird also höchste Zeit, diese schwere, luxuriöse und mattschwarze Schachtel mit silbernem Heißfolienprägedruck zu öffnen.

Auch hier schauen wir erst einmal auf die zahlreichen Gimmicks und Goodies, die uns mit dieser Box vorliegen. Zunächst kommen die Kuttenfreunde auf ihre Kosten, wenn sie ihre liebsten Schätze künftig mit einem großen "Heavier Than Life"- und zwei kleineren REVEREND BIZARRE-Patches besticken können. Während der goldene auch den "Heavier Than Life"-Schriftzug schmückt, ist auf dem runden, düsteren das Trio Infernale zu sehen. Ich selbst habe alle drei Aufnäher bisher nirgendwo sehen können, es sind also echte Raritäten, die in dieser Form wohl nur in dieser Box zu finden sind.

Hiervon können auch die XXL-"Doom What Thou Wilt"-Flagge in weiß mit schwarzer Schrift und sehr edlem Schein als auch der beigefügte Metal-Pin ein mächtiges, episches Lied trällern. Die Flagge ziert seit dem Erhalt dieser Box eine Wand in meinem Arbeitszimmer und auch der Pin wird meine Jeansjacke vorerst nicht verlassen. Abermals fällt die Detailliebe auf, mit der diese Gimmicks gestaltet wurden. Bei der REVEREND BIZARRE-Box hat alles Hand und Fuß, erweckt einen überaus hochwertigen Eindruck und lässt nahezu keinerlei Wünsche offen. Selbst absolute Die-Hard-Fans der Combo, die bisher alles von ihr ergattern konnten, was es jemals gab, werden große Augen machen, wenn sie diese Box das erste Mal öffnen.

Und wenn die Äuglein schon weit geöffnet sind, können diese tief in das Hardcover-Buch mit unglaublichen 240 Seiten eintauchen. Für das Vorwort ist Sarah Kitteringham, Journalistin und Musikerin bei SMOULDER, zuständig, die schon auf der Banger-TV-Internetseite ihre Liebe zum Doom und dem Kassettenkult offenbarte und einige warme Worte über REVEREND BIZARRE übrig hat. Chronologisch beginnt das Buch bei den Demo-Jahren von 1996 – 2001, handelt in Form von Interviews, zahlreichen bis dato unveröffentlichten Bildern und einigen Zeitungsausschnitte die wichtigsten Veröffentlichungsjahre ab und erinnert sich gerne an die "Death Is Glory, Now"-Compilation von 2009 zurück.

Liebe Leute, dieses üppige Büchlein ist eine Wucht. Gepaart mit den Tapes, die im Hintergrund diesen majestätischen Doom Metal abspielen, bekomme ich beim Blättern eine meterdicke Gänsehaut. Hier ist kein Zeitschriftenschnipsel, keine Interviewphrase, kein noch so privates Bild der drei Protagonisten, kein noch so kleiner Kommentar verschiedenster Mitmusiker, kein Konzertbild oder Plakat zu viel des Guten, jede einzelne Zeile und Abbildung hat ihren berechtigten, wunderbaren Platz im "Heavier Than Life"-Buch, das übrigens dank des silbernen Prägedrucks auf der Front dem hochwertigen Eindruck die Krone aufsetzt. "If I die and never return, will you come and visit my grave? Maybe one candle will burn, reminding you oft he kiss that I gave…", die Zeilen auf der Buchrückseite ergreifen mich zutiefst. Auch hier wird der Authentizität großer Freiraum ermöglicht.

Natürlich darf in der Box ein nummeriertes Zertifikat nicht fehlen. Insgesamt gibt es 500 "copies of doom", daher sollte man schnell sein, wenn man auch die Unterschriften von Albert Witchfinder, Peter Vicar und Earl of Void sein Eigen nennen möchte. Generell werten die nummerierten Zertifikate in den Darkness-Shall-Rise-Boxsets die Veröffentlichungen ungemein auf, doch auch die Poster tragen einen großen Teil dazu bei.

Insgesamt vier doppelseitig bedruckte Farbposter zieren diese Box und verleihen ihr einen ungemein authentischen Rahmen: Ein winterliches Bandfoto auf dem Friedhof, ein verschwitzter Gig-Schnappschuss, ein abstraktes Live-Bild, das Trio, das die letzten Sonnenstrahlen im Herbst genießt und auch an das eine oder andere reguläre Cover-Artwork in Poster-Form wurde gedacht. An vorderster Front macht das Artwork dieses Box-Sets eine tolle Figur, ein Artwork, in das man tief hineintauchen kann. Auch die 'The Goddess Of Doom'-Single von 2008 wurde berücksichtigt. Zu guter Letzt wissen das schwarz-weiß-"Doom Metal"- sowie das farbige "Death March"-Poster vollends zu gefallen und runden den visuellen Effekt der "Heavier Than Life"-Box gnadenlos gut ab.

Doch nun reiben wir uns die Hände und kümmern uns um die 11 Kassetten, die dieser Box beiliegen und die komplette Historie des finnischen Doom-Trios abdecken. Und da wir uns das Schaffen REVEREND BIZARREs in Kombination mit dem Buche einmal chronologisch anschauen, starten wir mit den beiden Demo-Recordings. Auch wenn ich das kultige Pilz-Artwork des "Slice Of Doom"-Demos recht abgefeiert hätte, gibt es zumindest auf der ersten Seite des grauen Tapes die Songs von 1999 zu bestaunen. REVEREND BIZARRE in einer interessanten Rohfassung, bei der man allerdings schon früh sieht, wohin die Reise geht. Auf der zweiten Seite sind mit unter anderem 'Funeral Summer', 'Doomsower' und 'Doom Over The World' weitere Demo-Versionen auf Kassette gebannt und ergänzen sich trotz unterschiedlicher Klangqualität gut mit dem Gehörten zuvor. Bei den zweiten Demo-Recordings auf schwarz gehaltenem Tape sind insgesamt vier Tracks zu hören, die ursprünglich 2009 unter dem Titel "Magick With Tears" erschienen sind und vor allem aufgrund ihrer Überlänge von jeweils mehr als zehn Minuten ihren eigenen Charme versprühen. Zwei tolle Tapes, die zum Kennenlernen der Band und Eintauchen in ihre ganz eigene Welt einladen.

Die 74 Minuten des ersten Full-length-Scheibchens "In The Rectory Of The Bizarre Reverend" sind auf die dritte, bräunlichere Kassette gebannt und allein anhand der jeweiligen Songlängen sieht man den markanten Unterschied zwischen den Songs und ihren Demo-Versionen. Speziell die Vergleiche bei 'Cirith Ungol' und 'Burn In Hell!' sind äußerst interessant und zeigen ebenso wie auch das Artwork die Liebe des Trios zum Detail. Die Songs sind Doom Metal in Reinkultur – langsam und zäh auf der einen, gewaltig und heavy as fuck auf der anderen Seite. Auch die gequälten Albert'schen Vocals sind sinnbildlich für die tiefgreifende Melancholie und Verzweiflung, die in jeder einzelnen Faser ausgedünstet wird. Schon früh haben wir den perfekten Eskapismus-Soundtrack in den Händen, eine gelungene Flucht aus dem hektischen und viel zu schnelllebigen Alltag, die uns auch beim folgenden "Harbinger Of Metal"-Tape in schwarzer Optik bevorsteht. Den eingeschlagenen Weg weiß das Trio auch auf der 2003er EP zu gehen, insbesondere das BURZUM-Cover 'Dunkelheit' sowie das 20-minütige 'From The Void' wissen ob ihrer Finsternis und Wucht vollends zu überzeugen. Es ist herausragend, mit welcher Hingabe die drei Finnen das Doom-Monster in Form dieser zähflüssigen, rhythmischen Ursuppe von der Leine lassen und sie wie Lava alles und jeden unter sich begräbt. Ein toller Nachfolger, von dem auch die nächste Kassette profitiert.

Eigentlich wurde "Return To The Rectory" erst im März 2011 veröffentlicht, die Songs stammen aber aus den Jahren 2003 und 2004. Abermals ziert die Ziege, das Haustier Satans, das Artwork dieses stimmungsvollen, schwarzen Tapes, erneut kennt der majestätische, alles niederwalzende Doom in Form von 'The Festival' oder 'Aleister' keinerlei Gnade, zum wiederholten Male weiß auch ein Cover – hier 'Dark Sorceress (Autumn Siege)' von BARATHRUM vollends zu überzeugen. Optisch wird es beim folgenden Tape etwas bunter, doch auch das offiziell zweite Album "II: Crush The Insects" weiß ob seiner einnehmenden Dunkelheit zu überzeugen. Doch vor allem gefallen Rhythmik und Eingängigkeit, Songs wie das beginnende 'Doom Over The World'-Statement und 'By This Axe I Rule!' fräsen sich binnen kürzester Zeit tief in die Gehörgänge. Mal etwas SABBATH, mal ein Hauch von THE DOORS, aber immer PENTAGRAM und SAINT VITUS im Blick haben die drei bizarren Reverends einen eigenen, einnehmenden Sound auf diesem Zweitwerk, dem sich niemand entziehen kann.

Mit knapp 20 Minuten wartet das nächste, rötliche Tape auf. Die 'Slave Of Satan'-Single wurde direkt im Anschluss an das Insektenmassaker veröffentlicht und steht den vorherigen Songs in nichts nach, sodass diese Kassette ebenso wenig fehlen darf wie selbstverständlich das dritte Full-length-Werk "III: So Long Suckers", das seinen Ursprung im Jahr 2007 fand. Es teilt je 66 Minuten auf drei und 61 Minuten auf vier Tracks auf, sodass hier Doom-Metal-Liebhaber und Feinschmecker lavaartiger, unkaputtbarer und eindringlicher Klänge ihre absolute Vollbedienung erhalten. In Anbetracht ihrer beinah gleichzeitig angekündigten Trennung besitzt allein der Titel schon sehr viel Galgenhumor und kommt mit einer ungeheuren Heaviness daher. Schleppend-scheppernd, rhythmisch-hypnotisch und ungeheuer effektiv – das grünlich gehaltene Doppelalbum hält, was es verspricht und zementiert noch einmal den unzerstörbaren, kolossalen Status von REVEREND BIZARRE. 'Sorrow', 'Funeral Summer' oder 'Caesar Forever' grooven, dass sich die Balken so langsam aber gewaltig wie möglich biegen und im Rahmen des 'They Used Dark Forces/Teutonic Witch'-Einstands und 'Anywhere Out Of This World'-Ausklangs sind die vorliegenden zwei Stunden eine Doom-Metal-Blaupause. Gar nicht auszumalen, wenn dieses Album zehn, fünfzehn Jahre zuvor erschienen wäre. Wie viele unzählige Bands von "III: So Long Suckers" inspiriert worden wären! Einfach großartig und traurig zugleich, wenn man bedenkt, dass es das wahrlich letzte REVEREND BIZARRE-Album ist.

Doch anstatt Trübsal zu blasen, nehmen wir uns die letzten Tapes dieser Box vor. In edlem Beige gehalten, haben wir die "Death Is Glory…Now"-Compilation vom Februar 2009 vor der Nase. Wie schon der Vorgänger, ist auch dieses Werk ein Doppelalbum, bei dem ich zunächst auf die Songs der zweiten Kassette aufmerksam mache: Die Coversongs. Dass REVEREND BIZARRE von SAINT VITUS und PENTAGRAM beeinflusst wurde, liegt spätestens mit der bandeigenen, eingängigen 'Dark World'- und 'Broken Vows'-Interpretation auf der Hand. Doch bei genauerem Hinhören der vergangenen Tapes werden auch einzelne BEHERIT-, JUDAS PRIEST-, SIMO SALMINEN- und MR VELCRO FASTENER-Tendenzen hörbar, die das finnische Trio hier zum Abschluss seiner glorreichen und leider viel zu kurzen Karriere offenbart. Insbesondere 'Deceiver' hat es in der Doom-Metal-Version faustdick hinter den Ohren. Das erste und für mich letzte Tape der "Heavier Than Life"-Box zieren insgesamt sechs B-Seiten-Songs, die zwar allesamt nett anzuhören, aber letztendlich nicht kriegsentscheidend sind. Doch um die Musik, das Vermächtnis REVEREND BIZARREs komplett für sich zu haben, ist "Death Is Glory…Now" in seiner Gesamtheit ein würdiger und folgerichtiger Schlusspunkt.

Kinder, wir sind am Ende angekommen und wurden von den Königen des langsamen Dooms in den vergangenen Stunden mit einer einzigartigen Wucht gegen die Wand gedrückt. Und ich kann euch nur den Tipp geben, jedes einzelne Tape, jeden noch so langsamen und finsteren Song, jedes noch so schwere Riffing immer mit dem Buch in der Hand und der entsprechenden Passage vor Augen zu hören. Erst dann entfaltet sich der komplette REVEREND BIZARRE-Esprit.

Bleibt also festzuhalten, dass die "Heavier Than Life"-Vollbedienung, die ihren Namen auch definitiv verdient, eine astreine Möglichkeit ist, in die Geschichte des finnischen Doom Metals einzutauchen und einer der interessantesten und innovativsten Bands dieses Genre näher kennenzulernen. Für mich, der vor dieser Veröffentlichung nur eine EP und ein Album des Trios kannte, fügen sich die einzelnen Mosaikteilchen zu einem großen Ganzen zusammen, lassen mich tief in die Materie eintauchen und sind in Sachen Authentizität kaum zu übertreffen. Ob ich mir die Poster anschaue, den Backpatch auf die Kutte nähe oder aufstehe, um die Kassetten zu drehen, ich bin stets aufs Neueste fasziniert, mit wie viel Liebe und Hingabe die Verantwortlichen an dieser Box gebastelt haben, um den Fans den ultimativen REVEREND BIZARRE- und Doom-Metal-Kick zu verpassen. Allein der Anblick der zahlreichen Artworks, das Schmökern im Buch und das generelle Anfassen der massiven Box sind ein Hochgenuss und lassen keinerlei Wünsche offen.

Zu REVEREND BIZARRE ist abschließend zu sagen, dass ich es persönlich sehr schade finde, das Trio niemals live gesehen zu haben und generell erst nach ihrer Auflösung richtig in den Bann dieser Band gezogen worden zu sein, ihre Tragweite erst jetzt verstanden zu haben. Die Tracks machen süchtig und lassen mich tief in ihre Welt eintauchen – unterm Strich ist "Heavier Than Life" aus dem Hause Darkness Shall Rise Productions bedingungslos zu empfehlen und nicht nur für Doom-Liebhaber, sondern Musik-Fanatiker jedes Geschmacks ein Festschmaus.  

Redakteur:
Marcel Rapp

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