THERAPHOSA: Interview mit Matthieu und Vincent

29.02.2024 | 12:44

Mit THERAPHOSA hat sich vor einigen Jahren eine hochinteressante Dreier-Combo gegründet, die mit "Inferno" nun ihr zweites Album zelebriert. Inspiriert von Dantes göttlicher Komödie sorgt das progressive Höllenfeuer nicht nur für eine atemberaubende Atmosphäre, sondern auch für sehr viel Tiefgang zur inneren Selbsterkenntnis. Die Gebrüder Matthieu und Vincent standen uns ob der neuen Scheibe Rede und Antwort und sprachen sich über die Bedeutung des Bandnamens, die Transzendenz, die Sünden der Menschheit und die musikalischen Einflüsse aus.

Hallo ihr beiden und vielen Dank, dass ich euch ein paar Fragen zum neuen Album stellen darf. Bevor wir über "Inferno" sprechen, möchte ich wissen, wie es euch geht und wie die Stimmung bei THERAPHOSA ist.
Vincent: Hallo Marcel, schön, dich kennenzulernen! Uns geht es gut und wir sind glücklich und dankbar für die Rückmeldungen, die wir bisher über "Inferno" erhalten haben. Wir hoffen, dass wir bald auf Tournee gehen können!

Euer erstes Album ist vier Jahre alt. Seitdem hat sich in der Welt viel getan. Für euch auch?
Vincent: Leider ist nicht viel für uns passiert, da wegen COVID-19 die Promotion unseres Debütalbums nur sehr eingeschränkt möglich war und wir nicht touren konnten.

Leider. Kommen wir zu Erfreulichem: Musikalisch erkenne ich bei euch einige Parallelen zu GOJIRA, MESHUGGAH, A PERFECT CIRCLE und GHOST. Wie nahe liege ich mit meiner Vermutung und habe ich einige Einflüsse vergessen?
Vincent: Als Komponist der Band kann ich sagen, dass deine Vermutungen genau richtig sind – mit Ausnahme von A PERFECT CIRCLE. Zusätzlich zu den Bands, die du erwähnt hast, bin ich auch von Black Metal und Bands wie GORGOROTH inspiriert. Außerdem liebe ich klassische Musik im Allgemeinen, auch wenn ich mehr auf die Romantik stehe, mit Komponisten wie Beethoven, Liszt und Chopin.

Interessant. Mit "Inferno" habt ihr ein neues, recht dezidiertes Album am Start, für das ihr von Dante Alighieri beeinflusst wurdet. Konkret beschäftigt ihr euch mit der Menschheit, ihren Sünden und Fehlern. Was ist eurer Meinung nach die größte Sünde des Menschen und warum habt ihr dieses Konzept gewählt?
Matthieu: Es ist schwierig, die Frage zu beantworten, ob es sich um die größte Neigung des Menschen zu einer bestimmten Sünde handelt oder die Tat an sich. Es hängt auch davon ab, ob wir an die Häufigkeit oder an die Schwere denken. Sicherlich haben wir alle eine Sünde, für die wir am anfälligsten sind, zu der wir am meisten geneigt sind, sie zu begehen.
Was das Konzept betrifft, so war es die natürliche Fortsetzung unseres vorherigen Albums "Transzendence". Transzendenz ist der Grundpfeiler unserer Philosophie, also war "Inferno" eine logische Fortsetzung. Wir wollten eine Botschaft übermitteln, eine Reflexion über unser inneres Selbst. Es ist ein Aufruf, sich des Bösen bewusst zu sein, das in uns und um uns herum lauert. Umsichtig zu sein in unserem täglichen Leben, unseren Entscheidungen, unseren Taten, uns immer nach dem Besten in uns selbst zu sehnen und nach der Gesellschaft guter Menschen, die uns helfen, höhere Ebenen zu erreichen.

Besonders angetan war ich von der Atmosphäre auf "Inferno", die dieses progressive Abenteuer zu etwas Besonderem macht. Wie schafft ihr es, diese geheimnisvolle und mysteriöse und dichte Aura im Studio zu erzeugen? Und würdet ihr THERAPHOSA als eine spirituelle Band bezeichnen?
Vincent: Jeder Song ist in Bezug auf den Kreis der Hölle gedacht, den er repräsentiert. Deshalb, die Wahl der Instrumente, der Artikulationen, der Stimmarten und der Effekte haben eine Schlüsselrolle in dieser Atmosphäre, die du beschreibst.
THERAPHOSA könnte man als eine spirituelle Band bezeichnen, da unser Hauptthema die Transzendenz ist. Außerdem versuchen wir immer, die Seele der Zuhörer anzusprechen und sie etwas spüren zu lassen, das eher der mystischen als der greifbaren Welt entstammt. Und schließlich sind unsere Themen immer mit Bereichen verknüpft, die tiefes Denken und eine tiefe Introspektion erfordern. Wir versuchen, die vielen Möglichkeiten in allem zu sehen, die Komplexität des Menschen und der Welt um uns herum zu verstehen, und das ist mit Spiritualität verbunden.

Was unterscheidet eurer Meinung nach "Transcendence" von "Inferno"? Was sind die musikalischen Unterschiede?
Vincent: "Inferno" geht viel mehr in die Philosophie der Band ein. "Inferno" ist definitiv reichhaltiger, es gibt mehr Gesangsharmonien, mehr Klangschichten und viele subtile Details. In gewisser Weise kommt es einem filmischen Erlebnis nahe.

Mit 'Heresy' habt ihr einen vielversprechenden Appetizer veröffentlicht. Inwieweit ist die Single eurer Meinung nach repräsentativ für das ganze Album?
Vincent: 'Heresy' ist zufällig die letzte Single, die veröffentlicht wurde, bevor das ganze Album erschien. Allerdings sollte sie nicht das ganze Album repräsentieren. Außerdem glaube ich nicht, dass es einen einzelnen Track gibt, der das ganze Album repräsentieren könnte, da die Themen, die in "Inferno" angesprochen werden, alle miteinander verbunden und daher untrennbar voneinander sind, obwohl sie in sich selbst sehr einzigartig sind.

'Lust' gefällt mir auch sehr gut, sowohl musikalisch als auch konzeptionell, und ihr behandelt sexuelle Lust als natürlichen Instinkt. Ist das nicht von vornherein etwas Positives? Wie kann es sich in eine lebende Hölle verwandeln?
Matthieu: Sexuelles Verlangen ist in erster Linie etwas Positives und notwendig, damit der Mensch als Spezies überlebt. Es ist wie mit der Nahrung. Sie ist an sich etwas Positives, denn sie erhält uns. Wir brauchen sie zum Leben. Der übermäßige Verzehr von Lebensmitteln oder deren schlechte Qualität kann jedoch unserer Gesundheit schaden und sogar fatale Folgen haben. Morbide Fettleibigkeit ist eine dieser Folgen und die Hölle für die Person, die von ihr betroffen ist. Mit dem sexuellen Verlangen verhält es sich genauso. Ehebruch, Sucht, Vergewaltigung, Pädophilie sind einige der Folgen.

Ihr seid nicht die Ersten, die Dante als Thema gewählt haben. Ich denke da an SEPULTURA oder ICED EARTH, aber auch an Dan Brown. Habt ihr neben der "Divina Commedia" auch andere Literatur zu Rate gezogen?
Matthieu: Ich habe zuerst das Buch gelesen und dann ergänzende Recherchen angestellt, um die Themen auf einer tieferen Ebene philosophisch, psychologisch und theologisch zu erforschen. Ich habe Autoren wie den heiligen Augustinus von Hippo und den heiligen Thomas von Aquin gelesen, die über diese Themen nachgedacht haben.

Im Allgemeinen löst "Inferno" etwas tief in mir aus. Etwas sehr Positives. Was sollte Musik auslösen und wann und welche Musik hat bei euch das letzte Mal etwas wirklich Positives ausgelöst?
Matthieu: Musik sollte inspirieren, zur Seele sprechen, das geplagte Herz beruhigen und den Geist zu besseren Horizonten erheben. Sie sollte heilen und stärken, eine Zuflucht und ein Fels für jemanden sein.
Als Lied empfehle ich: 'Le Chant des Templiers: VIII. Antiphona "Salve Regina"' [von ENSEMBLE ORGANUM und MARCEL PÉRÈS - d. Red.]. Ich habe es vor ein paar Jahren entdeckt. Jedes Mal, wenn ich es höre, hilft es mir, mich wieder auf mein Leben zu konzentrieren. Für mich ist es eine sehr meditative und inspirierende Musik.

Danke für den Tipp. Ich bin mir sicher, dass ihr das schon oft gefragt wurdet, aber THERAPHOSA ist eine Art von Vogelspinne. Was ist eure Verbindung zu Taranteln und warum habt ihr diesen Bandnamen gewählt?
Vincent: Ich habe Taranteln und Spinnen im Allgemeinen schon immer geliebt. Ich fand sie wunderschön und immer missverstanden. Es sind faszinierende Tiere mit unglaublichen Fähigkeiten und ihre Widerstandsfähigkeit und Anpassungsfähigkeit sind sehr inspirierend. Daher war es für mich logisch, den Namen der größten Vogelspinne der Welt vorzuschlagen (die eigentlich französisch ist, da einer ihrer natürlichen Lebensräume Französisch-Guayana ist). Matthieu und Martin waren mit dieser Idee einverstanden, und so wurde THERAPHOSA geboren.

Ihr Lieben, vielen Dank für die Beantwortung meiner Fragen. Ich wünsche euch alles Gute mit "Inferno". Was möchtet ihr unseren Lesern und allen Prog-Rock-Fans sagen?
Matthieu: Wir danken euch für die Gelegenheit, mit euch über "Inferno" zu sprechen und für die wirklich interessanten Fragen. Wir hoffen, dass sie das Album mögen werden und dass es ihnen etwas Besonderes bringt. Es wäre uns eine Ehre, sie in ihrem Alltag zu begleiten, in ihren Momenten der Freude und des Kampfes.

Photography by Denis Goria.

Redakteur:
Marcel Rapp

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