THE BLUE COUCH: Mit Thomas Godoj

15.06.2015 | 11:55

Der Deutsch-Rocker redet über seine DSDS-Vergangheit, Streaming-Portale, Crowdfunding und Wohnzimmerkonzerte.

THOMAS GODOJ bei Powermetal.de? Der ehemalige Shooting-Star von "Deutschland Sucht Den Superstar" (DSDS) ? Ja, genau der, denn mit seinem schlicht "Album V" betitelten fünften Album versucht sich der Hardrocker, endgültig von DSDS zu befreien und hat meines Erachtens nach ein saustarkes, modernes Rockalbum veröffentlicht, das nicht hinter internationalen Rockgrößen verstecken muss.

Und in der Tat hat Thomas viel darüber zu erzählen, wie es hinter den Kulissen der großen Musikindustrie zugeht und welche Hindernisse es zu überwinden gilt, wenn man sich als "Superstar" künstlerisch frei entfalten möchte. Deshalb darf er auch als Allererster auf dem neu für euch erbauten blauen Sofa Platz nehmen.





Sicher ist der große Knackpunkt in Thomas Godojs Karriere der Gewinn von DSDS. Das war im Sommer 2008. Doch schon zuvor war Godoj musikalisch aktiv und kein Neuling im Musikbusiness, insbesondere mit der Band WINK versuchte er den Durchbruch. Aus verschiedenen Gründen gelang dies aber nicht und er entschied, sein Glück bei kommerziellen Casting-Shows zu probieren. Thomas, mit welchen Erwartungen bist Du dort rein gegangen?

Thomas: Ganz ehrlich, ich habe hier erstmal nichts erwartet. Gar nichts. Ich war allerdings neugierig, und wollte mal hinter die Kulissen gucken, wie das da funktioniert. Auch so rein geschäftsmäßig, was steckt dahinter? Was ist daran echt und was nicht, und was bringt das am Ende?

"Echt" - so erzählt mir Thomas, war zumindest anno 2007 noch die Musik. Es gab eine Band und man musste dazu live singen, was ja gerne angezweifelt wird. Allerdings wurde dieses Konzept mehr und mehr verwässert. Heute ist es Halbplayback und die Stimmen werden durch jede Menge Filter geschönt. Thomas nennt es Plastik.

Bekanntermaßen ist es für Thomash zunächst optimal bei DSDS gelaufen - er hat die Kiste gewonnen. Ein tolle Sache, sollte man meinen, der Sprung zur Berühmtheit ist gelungen. Doch zugleich begibt sich der Künstler damit auch in das berühmt-berüchtigte Haifischbecken.

Ich habe dafür geblutet...

Thomas erleidet das Schicksal des Künstlers mit eigener Meinung. Denn nach einer solchen Casting-Show steckt man erst einmal in einem Wust an Verträgen. Mit RTL, mit den dahinter stehenden Plattenfirmen, mit Anwälten und Managern. Und die wollen natürlich alle ihr Stück vom Kuchen abhaben.

Die breite Masse bei uns in Deutschland wird ja ziemlich auf Schlager und Pop getrimmt, was ja im Prinzip auch okay ist. Wenn das das Ding ist, was die Mehrheit hören will, ist das eben so. Ich habe das auch eine Zeit lang mitgemacht. Die Kompositionen sind nach dem Schema F, z.B. 'Love Is You' (seine Debüt-Single, die im gesamten deutschsprachigen Raum auf Platz 1 der Charts war). Aber irgendwann war dann auch mal gut, und ich wollte mich selbst finden. Dies fiel mir erst einmal auch gar nicht schwer, doch man wird -so musste ich erfahren - ziemlich schnell ausgebremst. Die Plattenfirmen und Entscheidungsträger haben da nämlich ihre genauen Vorstellungen, in welche Richtungen die Musik gehen soll und meistens ist dies eine Richtung, die gewissen kommerziellen Erfolg garantiert - eine, die eh schon immer funktioniert hat. Irgendwann musste ich das aber nicht mehr haben. Es ist nicht cool, es ist nicht echt. Zudem ist das ganze Image auf Boulevard-Medien aufgebaut wodern, wofür ich aber absolut auch nicht der Typ bin.

Eine Sache, die Thomas beispielsweise gestört hat ist, dass er nicht deutsch singen durfte.

Das war ja auch so eine Sache nach DSDS: Der Sieger hat englisch zu singen, das ist vertraglich festgesetzt. Die Verträge werden in der Regel vor der ersten Liveshow unterzeichnet. Damit sichern sich die Macher ab, auch die Plattenfirmen cashen dich ab. Wenn Du dann als Gewinner gekürt wirst, gibt es ein sogananntes “Song-Finding”: Das heißt, du hörst dir ein paar Songs aus der Schublade an. Diese Songs sind fertig komponiert von diversen Songwritern, die wiederum mit der großen Plattenfirma zusammen arbeiten. Und klar haben die ein großes Interesse, dass der neue Schützling, der von 6-7 Millionen TV-Zuschauern umjubelt wurde, eben auch genau diese Songs singt. Das ist deren Umsatz.


Da fällt einem als erstes natürlich Dieter Bohlen ein, mit dem Thomas Godoj allerdings nicht zusammengearbeitet hat. Das Bohlen-Thema scheit ihm auch etwas unangenehm zu sein. In einem Interview mit "Deutsche Mugge" erzäht er, dass die ersten Gewinner mit Bohlen arbeiten mussten, ob sie wollten oder nicht. Zu seiner Zeit sei dies jedoch schon nicht mehr zwingend so gewesen. Man kann aber davon ausgehen, dass es für ihn nicht gerade günstig war, Bohlen zu umgehen und es wird spekuliert, dass dies zu einem späteren TV-Boykott seitens RTL gegenüber Thomas führte. Kein Wunder: Wenn da so ein Typ nach seinem ersten Album auf einmal anfängt, rumzunerven, weil er gerne deutsch singen will, ist er den Großen ein Dorn im Auge…

Die waren genervt, weil sie das komisch mit mir rumschnakseln mussten, aber für mich war der Kompromiss irgendwann doch zu groß und das war damals schon der erste Ansatz, mich davon zu lösen.

Also kaufte Thomas sich im wahrsten Sinne des Wortes frei.

Von meinem ersten Manager (RTL-Juror Volker Neumüller) habe ich mich getrennt, weil ich seine "Philosophie" nicht gut fand. Hier wurde alles nur noch auf Boulevard aufgebaut und ich musste da irgendwelche Stories bieten, aber das war nicht mein Ding. Also haben wir uns hier geeinigt, was mich fast den ganzen Vorschuss der Plattenfirma gekostet hat. Aber das war es mir wert, denn ansonsten verliert man total sein Gesicht und das wollte ich nicht.

Danach gab es noch einen zweiten Manager (Bär Läsker), der auch nicht viel besser war, und schnell war das ganze Geld aus dem Casting-Sieg futsch. Mit dem kleinen Rest hat Thomas dann sein drittes Album ("So gewollt") vorfinanziert und dieses dann an ein Indie-Label verkauft (Spy Records/SPV), doch auch hier wurde am Ende nur auf die Bilanzen geschaut und Thomas musste nach einer besseren Lösung suchen.

Ein schöner Song zu diesen ganzen Erfahrungen im Musikbusiness ist 'Ein Fisch bot sich zum Essen an': Der Text spricht von Männern in Anzügen, die Fische in das Quotenmeer werfen, doch ein Fisch reißt aus, entkommt allen Angelhaken und schwimmt ins weite Meer.

Haha, ich bin ja "Fisch" vom Sternzeichen, und das fand ich passte ganz gut mit der Verbindung zum Haifischbecken Musikindustrie. Ich wollte hier aber nicht mit der Sache abrechnen sondern sie eher in poetische Worte kleiden, und mit einem Augenzwinkern darstellen, wie das alles so war.

Hürden gibt es jedoch auch genug zu überwinden, wenn man als freier Fisch umher schwimmt und einen neuen Schwarm sucht. Das ist nämlich gar nicht so einfach, mit dem Stigma, ein Teil der bösen Haifisch-Maschine zu sein. Ich selber habe Thomas Godoj als wertlosen deutschen Casting-Hering abgetan und in einen Topf mit vielen anderen willenlosen Marionetten geworfen. Daraufhin wurde ich auf sehr freundliche Weise von einem Thomas-Godoj-Fan angeschrieben, ob ich denn begründeten Anlass für meine Vorwürfe gegenüber Casting-Musikern im Allgemeinen und Thomas Godoj im Speziellen hätte. Der Brief bezog sich auf ein Album-Review des "Swedish-Idol"-Gewinners JAY SMITH, den ich ja sehr gut fand (zum Review).

So etwas passiert aber ständig. Gerade der Hobbymusiker, der Hobbyschreiber, der findet mich scheiße, weil ich mich zuerst für "die andere Seite" entschieden habe. Dann habe ich ja auch noch gewonnen, aber dafür bekomme ich auch heute noch gerade von denen, die behaupten, die Sache ja eh nicht so ernst nehmen, die Backpfeifen. Ständig. Ohne dass sie mich kennen oder meine Musik hören würden. Totale Abneigung. Das, muss ich sagen, ist grenzwertig. Das erstreckt sich mittlerweile sogar auf viele Ebenen. Nun bin ich nicht mehr in den Boulevard-Medien, wollte ich auch noch nie sein, aber die Medien, die ich brauche, bekomme ich nicht. Und dieser Faden zieht sich bis hoch zu den ganzen Veranstaltern. Ich würde auch mal gerne auf so einem Rockfestival spielen. Klar, es gibt auch viele andere, die das machen wollen, aber du bekommst da als so ein Casting-Gewinner sowieso keine Chance. Und da möchte ja dann auch keiner an seinem Image kratzen und den Namen von so einem "Kommerz-Idioten" auf sein Billing schreiben. Ich würde mich da gerne ein wenig mehr Toleranz wünschen. Menschlichkeit. Das ist in unserer Gesellschaft echt ein Mangel.

Thomas wirkt hier sehr ernst und auch ich werde nachdenklich, gerade vor dem Hintergrund, dass in der so offenen und toleranten Metal-Szene ja gerne mal über "den Mainstream" - egal ob Hörer oder Musiker - hergezogen wird. Thomas hat aber gleich noch ein anderes Thema, das ihm sehr am Herzen liegt, weil es ihn zur Weißglut bringt: Wie soll ein Musiker heutzutage noch sein Geld verdienen?

Mittlerweilse sind die Kompromisse, die man als Künstler eingehen muss, wenn man finanzielle Unterstützung aus dem Muskindustrie bekommen möchte, so krass geworden, dass ich dazu nur noch NEIN sagen kann. Man reißt sich ja den Arsch auf, ist viel auf Reisen, muss ständig allem hinterher sein, und verdient damit nur einen Hungerlohn. Wie auch, wenn man gezwungen ist, all diese Leute an den Ticktpreisen, am Merchandise und den Plattenverkäufen über alle Maßen zu beteiligen. Das physiche Material verkauft sich ja sowieso kaum noch, alle sind nur noch am streamen...

Der nächste Brandherd, der jedoch nicht nur Thomas Godoj betrifft!

Das bringt nichts. Erstens hat es eine scheiß Qualität, zweitens machen die Plattenfirmen die Verträge mit diesen großen Streaming-Portalen und können da auf Masse gehen, weil sie mehrere Künstler gesignt haben, der Künstler jedoch muss seine Rechte abgeben und verdient am Ende 0,001 Cent pro Stream. Da kann man sich mal mit dem Taschenrechner ausrechnen, was am Ende für den Musiker dabei rum kommt. Es ist fast zu wenig, um seine Brötchen damit zu verdienen. Daher finde ich, dass jeder, der seine Musik in irgendeiner Weise wert schätzt, die Finger von diesen Streaming-Portalen lassen sein sollte!

Thomas ist hier nicht der einzige Musiker, der Spotify und Konsorten als Ausbeutung empfindet. Er hat da prominente Leidensgenossen wie Herbert Grönemeyer oder Farin Urlaub, die diese Streaming-Portale auch boykottieren. Hierzu schwelt auch schon seit Monaten eine kontroverse Debatte, die letztens durch die amerikanische Multi-Sellerin Taylor Swift noch weiter angeheizt wurde. Ich persönlich frage mich auch, was mit der Musik passiert, wenn niemand mehr bereit ist, mehr dafür zu zahlen als monatlich 9,99 für Abermillionen von Streams. Wenn überhaupt.  Da darf man gerne mal darüber nachdenken.

Ich glaube allerdings, das dieses Problem gerade in der Rock/Prog/Metal-Szene weniger dramatisch ist. Die Leute kaufen gerne Tonträger und erkennen deren Mehrwert. Hier sei noch einmal der Hinweis gebracht, dass vor allem die Deluxe-Verpackung von "Album V" wirklich von Feinsten ist: 26-seitiges Booklet mit farbigem, sehr stilvollem Innenleben, so etwas hat man als Rock-Fan und Plattensammler sehr gerne in der Hand! All dies ist möglich, weil Thomas jetzt voll auf Crowdfunding setzt. In der Tat hat er den europäischen Crowdfunding-Rekord aufgestellt. 115.000.- Euro nach 24 Stunden spricht für eine starke Fanbase, mit der ich selbst auch schon Bekannschaft machen durfte. Selten ist mir so ein großer und auch anhaltender Enthusiasmus für einen Musiker aufgefallen. "Krautfunding" war für Thomas also eine sehr positive Erfahrung, die er den Fans mit dem flotten Rocker 'Beste Entscheidung' zurück gibt:

Crowdfunding ist keine Spenden-Geschichte, wie manche vielleicht glauben oder wie man es auch hin und wieder liest. Das ist totaler Bullshit. Ich biete den Leuten hier eine richtige Leistung an und ich habe mir auch genau überlegt und meinen Fans bei den Konzerten - und danach - genau erklärt, wie ich mir dies vorstelle. Das geht von Vorbestellungen des Albums über spezielle Gimmicks in verschiedenen Preiskategorien bis hin zu Wohnzimmerkonzerten, für die mich die Fans buchen können.

Und ich habe gehört, dass gerade diese Wohnzimmerkonzerte eine tolle Sache für die Fans waren. Die haben sich dann in Grüppchen zusammen getan, einen Raum organisiert und dann kommt der Thomas je nach Preisklasse mit oder ohne seine Band und spielt. Entweder akustisch nur mit Gitarrist oder aber in voller Montur mit Band. Das kann in ein einer Scheune stattfinden, auf einem Boot, im Garten oder im Proberaum (ja, auch Musiker sind Thomas-Godoj-Fans). Ein Superstar zu anfassen quasi. Ich finde, es gibt schlechtere Konzepte. Wer träumt nicht davon, mal seine Lieblingsband in sein Wohnzimmer zu holen?

Nach der Crowdfunding-Aktion hat Thomas auch sein eigenes Label - Tomzilla Musik - gegründet:

Das lag quasi auf der Hand, das Ganze zu verselbstständigen, bevor ich die Musik wieder in die Hände anderer lege. Das machen aber mittlerweile viele Musiker. Es ist eigentlich ganz einfach: Wenn du deine Lieder öffentlich machen willst, musst du diese mit soganannten ISRC-Codes markieren und sie offiziell registrieren. Dafür musst du ein Label anmelden. Das ist wie eine Selbstständigkeit, du must ein Gewerbe anmelden und damm gehst du zu so einem Verein, wo du einen Labelcode bekommst.

Dies als Kurzanleitung für Nachahmer.

Nun stellt sich die Frage: Wohin mit der Freiheit? Wo geht die Reise für Thomas Godoj hin?

In musikalischer Hinsicht ist für mich eine Erleichterung, endlich alles auf deutsch singen zu können. Das tue ich, weil ich dort her komme um mich in der Muttersprache wohler fühle. Man kann sich einfach besser ausdrücken. Natürlich beschäftige ich mich auch mit der deutschen Musikszene, HERBERT GRÖNEMEYER, DIE TOTEN HOSEN, DIE FANTASTISCHEN VIER, den Anfängen von JULI.

Wobei Thomas durchaus auch sehr Metal-affin ist. TYPE O NEGATIVE soll seine Lieblingsband sein und auch Sachen wie AC/DC, MACHINE HEAD, BUSH und viel Indie Rock stehen in seinem Regal. Und wer mal auf einem seiner Konzerte war, weiß, dass er mit seiner Band ganz kräftig rockt und Köpfe zum schütteln bringt.

Als nächstes stehen aber ein Akustik-Album namens "V’Stärker Aus!" an, auf dem er eine Auswahl deutscher Songs von seinen fünf Alben umarrangiert hat. Diesmal aber so wie er sie haben will. Mit Flügel, Cello, Geige, Akustik-Gitarre, Bass, Jazz Drumset und Pecussions gibt es stilistsch kaum Grenzen: Neben Swing erwarten wir laut Pressemitteilung Elemente aus Reggae/Ska, Latin, Rockabilly, Country, R’n’B und sogar gechilltem Hip-Hop. Und auf "Strom"-Tour kommt er auch bald. Watch out!

Jaja, ihr hoffe ihr merkt es und könnt es auch sonst überall lesen: Thomas ist einer von uns. Ein kämpferischer Typ, ein leidenschaftlicher Musiker, ein narrischer Fan und irgendwo auch ein großer Idealist. Und mords sympathisch. Also gebt seiner Mucke eine Chance, sie ist wirklich gut!

Ein großer Dank geht an Marita, Tina, Maria, Carola, Jutta und Susanne für die Fotos, Feedback und Inspiration. Den Artikel begleitet eine Fotogalerie, die Impressionen von THOMAS GODOJS Live-Qualitäten geben soll und in deren Rahmen treue Konzertgänger schildern, was eine THOMAS GODOJ-Show für sie bedeutet.

 

Dank gebührt auch Anne Preis für den Entwurf des BLUE COUCH-Artworks!

Redakteur:
Thomas Becker

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