Core Fest 2023 - Stuttgart

01.12.2023 | 21:39

04.11.2023, Im Wizemann

Eine absolute Core-Vollbedienung im schwäbischen Stuttgart!

Am 4. November 2023 treffen sich 1500 Core-Fans auf dem Gelände des Im Wizemann in Stuttgart. Es locken 15 Core-Bands aus aller Welt, die der Veranstalter Front Row für diesen Tag buchen konnte. Der etwas verspätete Einlass funktioniert ohne größere Probleme und so ist die Club Stage, wie die Veranstalter die mittelgroße Halle Im Wizemann nennen, bereits um 13.30 Uhr für die erste Band des Tages, HERUIN, gut gefüllt. Die vier Jungs aus München liefern eine durchschnittliche Hardcore-Performance ab, die Instrumentalisten spielen und Sänger Darius Asgarian brüllt darüber hinweg. Mehr bekomme ich von der Band nicht mit, denn ich muss gleich weiter, weil die ersten fünf Bands jeweils eine halbe Stunde auf der Main- und der Club-Stage spielen. Ist der Auftritt auf der Club-Stage zu Ende, geht es sofort mit der nächsten Band auf der Main-Stage weiter, während die Club-Stage umgebaut wird - und umgekehrt. So habe ich einen straffen Zeitplan, um möglichst alle Bands zu fotografieren und mir Notizen zu machen. Zumal es beim Core Fest keinen personellen Luxus à la Summer Breeze gibt, statt zu sechst bin ich allein von POWERMETAL.DE hier.

 

Also kämpfe ich mich durch das Gedränge zur Main-Stage, denn dort steht ESCAPE FROM WONDERLAND auf dem Programm. Die Band macht eine gute Show und die Bandmitglieder haben nach dem Auftritt bestimmt Kopfschmerzen vom vielen Headbangen. Das anwesende Publikum ist noch sehr ruhig, nur ganz vorne ist ein bisschen was los. Der Rest steht eher rum, saugt die ganzen Eindrücke auf und kommt erst einmal in Ruhe an. Während der ersten beiden Bands ist das auch in Ordnung, trotzdem geben sich die Künstler Mühe, stellen sich auf die kleinen Podeste auf der Bühne und machen ein paar Posen. Die Silhouetten der Bandmitglieder winden sich vor einer Lichtshow - oder sollte ich besser sagen: Dunkelshow mit Blitzlichtgewitter. Musikalisch bieten die Jungs, die ihre Alice wohl im Wunderland zurückgelassen haben, Metalcore mit starken elektronischen Einflüssen. Leider ist der Sound in der großen Halle noch nicht optimal, was zu einem durchwachsenen Gesamterlebnis führt. Ich beschließe, mich rechtzeitig in die Club-Stage zurückzuziehen, während das Publikum bereits das Schwenken der Arme übt. Auch auf dem Weg dorthin höre ich das Gegröle von Sänger Dennis immer noch.


Der Umbau scheint noch in vollem Gange zu sein, als ich an der Club-Stage ankomme, die Band CONSVMER werkelt auf der Bühne und testet die Mikrofone. Ein einfaches "One, Two, Check, Check" ist den Jungs aber zu langweilig, also entertainen sie die beachtliche Menge an wartendem Publikum ein bisschen und starten ein paar Sprechchöre. Hier macht das Publikum gerne mit, inzwischen sind die meisten wohl angekommen und bereit zu feiern. Der Sound steht, die Band verschwindet wieder von der Bühne, um sie kurz darauf pünktlich um 14:30 Uhr wieder zu betreten. Jetzt gibt es für die rappelvolle Halle eine richtige Hardcore Bedienung. Mit Titeln wie 'Selbstjustiz' ist klar, dass die Band nicht nur rumschreit, sondern eigentlich auch eine bedeutungsvolle Message hat – davon verstehe ich jedoch akustisch doch zu wenig. Auf der Bühne machen die Vier ihr tägliches Sportprogramm mehr als durch und trainieren natürlich auch besonders die Nackenmuskulatur. Dem Publikum gefällts, ich bin jedoch für die melodischeren Metalcore-Bands hier und mache darum Platz in der Halle der Club-Stage und gehe schon mal weiter. Vor den Toren hat sich eine Schlange von CONSVMER-Fans gebildet, die nicht mehr in den kleineren der beiden Core Fest-Säle durften, weil der schon voll war. Ich bin mir sicher, dass einer von ihnen gerne meinen Platz einnehmen wird.


So bin ich rechtzeitig wieder in der großen Halle, dort steht um 15:00 Uhr OUR PROMISE auf dem Plan. Unter anderem wegen der Stuttgarter habe ich mich entschlossen, auf das Core Fest zu kommen und habe mich bereits auf die Band gefreut, die hier wohl ein absolutes Heimspiel hat. Die Truppe kann mich auch live überzeugen, der Screamer steckt alles in seine Screams und der Klargesang ist auch nicht von schlechten Eltern. Dazu kommt eine aktive Show mit Sprüngen, Kicks, Headbanging und Posen von allen Bandmitgliedern. Es bleibt für mich jedoch ein wiederkehrendes Mysterium, warum manche Künstler unbedingt eine Sonnenbrille tragen müssen. In der Halle ist es zappenduster und die einzigen Lichter, die es gibt, befinden sich hinter den Künstlern. Der Sonnenbrillen-Übeltäter von OUR PROMISE ist einer der beiden Gitarristen, nach den ersten beiden Songs zieht er die Brille dann zum Glück ab. Vor 'Renegades' studiert der Sänger die Zeile "What if I say, this feeling won't stay" mit dem Publikum ein, denn das braucht die Menge dann auch für den nächsten Song. Hier kommt die Zeile einige Male drin vor und so können alle mitmachen. Um Danke zu sagen, formt der Frontmann anschließend aus seinen Händen ein Herz.


Auf der Club Stage gibt es nun eine weitere Runde Metalcore der deutschen Band HALF ME. Die Jungs machen eine gute Show, rennen auf der Bühne umher und headbangen. Musikalisch gibt es dasselbe, was es von der Platte auch gibt – Musik und Rumgeschreie von Christopher Zühlke. Mehr melodische Komponenten wären mir da jedoch lieber gewesen, also gehe ich in die große Halle – dort tritt gleich FUTURE PALACE auf. Als erstes fallen die großen Neonröhren auf, die die Band schon auf der Tour mit ELECTRIC CALLBOY dabeihatte. Als die Bühnendekoration im Lager stand, wurde sie wohl von Plastikblättern überwuchert, die dann einfach mitgenommen wurden. Sobald Maria Lessing und ihre beiden Bandkollegen schließlich die Bühne betreten, folgt ein typischer FUTURE PALACE-Auftritt. Das letzte Mal habe ich das Trio als Vorgruppe gesehen, auch da hatten sie etwa eine halbe Stunde Zeit für ihren Auftritt. Die Setliste ist identisch mit der der ELECTRIC-CALLBOY-Tour, mit Ausnahme von 'Malphas', der neuen Single, die 'Ghost Chapter' ersetzt – das ist aber kein Kritikpunkt, denn die Setliste ist erwiesenermaßen gut. Hoffentlich kann die Band auf ihrer Headliner-Tour zum "Run"-Album mit einem längeren Auftritt für etwas mehr Abwechslung sorgen. Für einen Festivalauftritt wie beim Core Fest ist die hitorientierte Songauswahl jedoch perfekt. Maria Lessing wendet sich hin und wieder an das Publikum und schafft es, die Stimmung noch ein wenig anzuheizen, obwohl die Band selbst nach eigener Aussage etwas erschöpft ist, sich das aber nicht anmerken lassen will. Das Publikum hingegen ist definitiv nicht erschöpft, sondern voller Energie für mehrere Circle- und Mosh Pits. Die Bühnenperformance liegt vor allem in Marias' Händen, sie rennt umher, stellt sich auf ihr Podest und schüttelt den Kopf. Manuel Kohlert an der Gitarre tut es ihr nach, schüttelt den Kopf und geht auch hin und wieder auf ein Podest. Schlagzeuger Johannes Frentzel hebt, wenn er gerade nicht auf sein Instrument eindreschen muss, andächtig seine Drumsticks. Der Auftritt gefällt mir, hier bleibe ich. Sorry ABBIE FALLS, euren Hardcore könnt ihr behalten.


Hardcore gibt es schließlich gleich noch genug, denn als nächstes stehen THROWN und PALEFACE SWISS an. Die Auftritte ähneln sich stark und können deshalb im Folgenden zusammengefasst werden. Die Bands sind auf der Bühne sehr aktiv, rennen umher, kicken um sich und schütteln natürlich die Köpfe – davon sieht man jedoch wenig, da die Lichtshow auf sehr wenig, meist rotes Licht reduziert ist. Die Musik ist typischer Hardcore, schnell, laut und mit Gebrülle der jeweiligen Frontmänner. Der thematische Stoff von PALEFACE SWISS scheint jedoch noch ein Stück härter zu sein, zumindest wenn man vom beunruhigenden Intro mit angst- oder schmerzvollen Schreien und dem Logo mit dem Galgen ausgeht. Damit möchte ich mich nicht weiter beschäftigen, also weiter zur nächsten Band.

Nur nicht die Hoffnung verlieren, denn HOPES DIE LAST spielt auf der Club Stage. Die Italiener bieten melodischen Post-Hardcore. Leider geht der klare Gesang im verwaschenen Mix etwas unter, aber ansonsten gibt es hier nichts zu meckern. Daniele Tofani legt mit freundlicher Unterstützung seiner fliegenden Haare eine gute Show hin und die Gitarristen sind auch auf der Bühne unterwegs. Doch am meisten Arbeit hat der Drummer Danilo Menna, er trieft bereits nach den ersten paar Songs vor Schweiß. Zum Glück gibt es zwischen den Italienern und dem nächsten Künstler auf der Main Stage eine zehnminütige Pause, so dass ich die Band sogar ganz sehen kann.


Ex-ELECTRIC-CALLBOY-Sänger Sebastian Biesler ist heute mit seinem neuen Projekt GHOSTKID auf dem Core Fest. Mit nur einem Album hat sich die Band um Sebastian bereits einen Namen gemacht und steht heute auf der Main Stage. Mit viel Schminke und extravaganten Kostümen gibt es viel zu sehen. Die Musik ist auch kein "Party-Metal", sondern richtig guter Metalcore. Die Band selbst feiert auch ordentlich mit, so geht zum Beispiel einer der Gitarristen zum Crowdsurfen in die Menge. Leider muss ich direkt weiter zu OUR MIRAGE, die nur 20 Minuten nach GHOSTKID auf der anderen Bühne spielen. Schade, denn von GHOSTKID hätte ich gerne mehr gesehen.

Von OUR MIRAGE gibt es auf der Club Stage einen ordentlichen Auftritt, wobei mich besonders die Energie der Deutschen überzeugt. Gerade Frontmann Timo Bonner hüpft, kickt und schüttelt den Kopf. Zwischen den Liedern führt er das Publikum mit ein paar Worten durch die Show und bedankt sich bei Technik und Crew. Der "Signature Move" der Gitarristen ist ein Hüpfen im Kreis. Hier gibt es ein richtig schöne rundes Gesamtpaket, denn auch stimmlich kann mich Timo heute überzeugen. Sein Klargesang und Growling finde ich besser als das von Maria Lessing von FUTURE PALACE heute. Die Liederauswahl ist gut, das klassische Festival-Programm eben. Einer der besten Auftritte auf der Club Stage heute.


Die Cyborgs kommen! Oder ist es doch nur DEAD BY APRIL auf der Main Stage? Das rot leuchtende Auge von Schlagzeuger Marcus Rosell mag täuschen. Growler Christopher Kristensen wird von Pontus Hjelm mit Klargesang unterstützt, wobei Pontus nebenher noch Gitarre spielt und sich viel auf der Bühne bewegt. Damit das auch reibungslos funktioniert, hat er ein Headsetmikrofon, was bei mir zwar sofort K-POP-Assoziationen weckt, aber eigentlich eine super Idee ist. Obwohl die Musik große elektronische Einflüsse hat und insgesamt poppiger und leichter daherkommt, als andere Bands heute, ist der K-POP schnell vergessen. Die Bandmitglieder headbangen und laufen viel auf der Bühne umher, im Eifer des Gefechts reißt Pontus sogar eine Saite seiner Gitarre. Hier wird jedoch professionell reagiert, kurz an den Bühnenrand gegangen und die Saite mithilfe eines Technikers getauscht – dafür muss der Song nicht mal unterbrochen werden. Ein solider Auftritt, irgendwie können mich die Schweden aber nicht mitreißen.


Der "Headliner" der Club Stage ist RESOLVE. Kann die französische Band diesem Status gerecht werden? Der Auftritt startet mit einem Intro vom Band und einer dazu passenden Lichtshow, bevor die Band auf die Bühne kommt. Sänger Anthony Diliberto nimmt das Podest ein, das sich über die gesamte Breite der Bühne erstreckt, wo er den größten Teil des Konzerts bleiben und vom linken zum rechten Ende des Podests und wieder zurück wandern wird... Wenn er nicht oben ist, nutzen auch die beiden Gitarristen das Podest, stellen sich mit einem Fuß darauf und werfen sich in Posen. Mitten im Auftritt geht die Band nochmal von der Bühne, um zu einem weiteren Intro neu hervorzukommen – ehrlich Jungs? Ein 50-minütiges Set und ihr braucht zwei Intros? Da hättet ihr lieber einen Song mehr spendieren können. Musikalisch macht die Band alles super, Anthony glänzt vor allem beim unsauberen Gesang. Das Publikum feiert die Show auf jeden Fall gebührend: es werden Köpfe geschüttelt und viel crowdgesurft. Headlinerpotential? Check!


Vorhang auf für IMMINENCE! Der Headliner des Core Fest startet um 22:00 Uhr und ist zu Recht Headliner - die Schweden haben es einfach drauf! Musikalisch bleiben keine Wünsche offen, die Band, um den mit einer Violine bewaffneten Sänger Eddie Berg, macht alles richtig, auch wenn es auf der Bühne zwar nur eine durchschnittliche Performance mit dem typischen Herumlaufen und Kopfschütteln gibt, doch gerade die Gitarristen mit ihren langen Haaren machen beim Headbangen echt was her. Die Liederauswahl spielt dem Publikum in die Karten, es wird bis ganz hinten mitgesungen. Ansonsten schüttelt die Crowd die Köpfe und transportiert ein paar Crowdsurfer. Pits gibt es keine, aber das ist auch kein großer Verlust, der Saal ist auch so voll genug. Die Geige bekommt ihr wohlverdientes Solo in Form eines kurzen Zwischenspiels vor 'Heaven In Hiding'. Nach dem Lied bedankt sich Eddie beim Publikum und schickt Liebe aus Schweden, wie es auch auf ihrem Backdrop steht.

Mit IMMINENCE findet das Core Fest 2023 einen krönenden Abschluss. Alles in allem ist es ein großartiges Festival, das vor allem mit einem tollen Line-Up und dem Veranstaltungsort Im Wizemann in Stuttgart glänzen kann. Aus gutem Grund war das Core Fest in seiner dritten Ausgabe lange im Voraus ausverkauft. Obwohl das Gelände auf bis zu 1800 Personen ausgewiesen ist, entschieden sich die Veranstalter für eine Obergrenze von 1500 Personen, die dann beim ausverkauften Festival auch anwesend sind. So ist es Im Wizemann mitunter kuschelig und manch ein Fan verpasst aufgrund der begrenzten Hallenkapazität der Club Stage einige Bands.

Wegen des großen Erfolges haben die Veranstalter bereits das Core Fest 2024 angekündigt. Es wird vom 1.11. bis zum 2.11.2024 stattfinden und damit die erste zweitägige Ausgabe des Festivals in Stuttgart sein. Tickets sind bereits auf der Website der Veranstalter erhältlich.

Anmerkung der Redaktion:
Von FUTURE PALACE, OUR MIRAGE und dem Headliner IMMINENCE gibt es in diesem Artikel keine Fotos. Die Managements der Bands verlangen, dass Bilder von ihnen geprüft und freigegeben werden. Auf meine diesbezügliche Anfrage über Promotion und Veranstalter habe ich jedoch noch keine Rückmeldung erhalten und habe mich daher entschlossen, den Artikel ohne Bilder der Bands zu veröffentlichen. Bilder von IMMINENCE und OUR MIRAGE könnt ihr im Bericht zum Summer Breeze 2023 finden und zu FUTURE PALACE folgt in den nächsten Tagen ein eigener Konzertbericht inklusive Fotos von der "Run"-Tour. Warum man beim Core Fest, einem Underground-Indoor-Festival, solche Ansprüche stellt, ist mir ein Rätsel. Schließlich spielen hier nicht AC/DC oder IRON MAIDEN, sondern kleine Core-Bands...

Redakteur:
Noah-Manuel Heim

Login

Neu registrieren