Euroblast-Festival 2012 - Köln

01.11.2012 | 15:00

18.10.2012, Underground/Live Music Hall

Auf dem Euroblastfestival spielte dieses Jahr die Créme de la Créme des modernen Prog-/Djent-Tech-Metal auf. Ein Bericht aus vier Tagen atemberaubender Musik.

Tag 2, 20.10.2012

Der Sprung vom familiärem Underground in die große Live Music Hall ist bemerkenswert, aber auch gerne genommen. Die nächsten beiden Tage werden hier stattfinden.

Die erste Band ist HACKTIVIST (Foto), die mit ihrem Djent-Rap in der bereits gut gefüllten Live Music Hall gut ankommen. Erstklassige Djent-Rhythmen werden mit schnellen Sprechgesängen gepaart. Hinzu kommt der glasklare Sound, der diese interessante Melange zu einem besonderen Erlebnis macht.  "Rage Against The Meshuggah"? Ja, das kommt hin. Oder stellt euch einen  TESSERACT-Song mit Rap-Einlagen vor. Leider hören HACKTIVIST viel zu früh auf, aber sie konnten einen bleibenden Eindruck hinterlassen. Apropos Sound: Dieser überzeugt auf dem Festival zu jeder Sekunde mit einer vorbildlichen Transparenz und ordentlich Druck zugleich und ist das I-Tüpfelchen des sowieso tollen Events.

[Jakob Ehmke]

Die amerikanische Truppe STEALING AXION hat mit "Moments" ein tolles Album am Start, umso gespannter bin ich auf den Auftritt der Progger. Den Anfang macht auch der Opener des Albums 'Mirage Of Hope', gefolgt von 'Solar'. Vor allem die tollen mehrstimmigen Gesänge können neben den Shouts überzeugen. Leider schrottet der Drummer früh im Set seine Doppelfußmaschine, sodass viele Songs stark abgespeckt erklingen, was vor allem bei 'Never Enough' negativ auffällt. Die Show ist aber weit entfernt davon schlecht zu sein, dafür sind die Songs einfach zu gut.

[Jakob Ehmke]

Im Vorfeld war ich etwas skeptisch wie der DJ Rémi Gallego aka THE ALGORITHM (Foto) in das Line Up passt, doch sämtliche Vorbehalte wurden auf Schlag weggeräumt. Drummer Mike Malyan (MONUMENTS) unterstützt dabei rhythmisch die abspacten Soundflächen, ein derartiges Djent-Trance-Erlebnis ist mir bisher noch nicht untergekommen. Eine abgefahrene Idee, die auch viel Zuspruch vom Publikum findet und das Tanzbein schwingen lässt. Mitte November erscheint das Debut Album "Polymorphic Code", man darf gespannt sein.

[Jakob Ehmke]

Zu THE ALGORITHM muss ich auch noch meine Meinung abgeben. Zwar hat Jakob schon alles Wesentliche gesagt, aber mich hat der Djent, also Mix aus Djent und Dubstep, zu sehr begeistert, als dass ich jetzt schweigen könnten. Mit nur zwei Leuten schaffen die Franzosen Klänge, die mit Metal nur noch ganz entfernt etwas zu tun haben, aber dennoch metalaffine Leute ansprechen. Das erkennt man unter anderem daran, dass die zu dieser sehr frühen Zeit schon gut gefüllte Live Music Hall sich diesen futuristischen Klängen einfach hingibt. Die Mischung ist spannend, die Mischung ist gelungen. Doch man gewinnt im Laufe des Konzerts immer mehr den Eindruck, dass das hier keine Symbiose zweier fremder Dinge ist, sondern lediglich Sachen zueinandergeführt wurden, die eigentlich schon immer zusammengehörten. Mich fasziniert dieser Wechsel aus sphärischen und aggressiven Parts mit fantastischem Drumming, so dass ich einer derjenigen bin, die sich nach 15 Minuten verwundert die Augen reiben, warum der Spaß denn nun schon vorbei sein muss. Vielleicht hängt es mit den weiteren Verpflichtungen des Drummers zusammen? Ich kann es bis heute nicht sagen.

[Oliver Paßgang]

Das von Multiinstrumentalist Paul Ortiz ins Leben gerufene Projekt CHIMP SPANNER (Foto) kann sich einer immer höheren Beliebtheit erfreuen, der Djent-Fusion-Sound ist auf jeden Fall willkommene Kost auf dem Euroblast-Festival. Ein Blick ans Schlagzeug ist dann wieder eine Überraschung: Erneut drischt MONUMENTS-Drummer Mike Malyan auf die Felle ein, vermutlich weil der bisherige Drummer Boris mit PERIPHERY auf Tour ist. Aber auch der MONUMENTS-Basser Adam Swan ist mit dabei. MONUMENTS trugen bereits anno 2010 einen Großteil dazu bei, das Paul Ortiz' CHIMP SPANNER live auftreten können. Der Fokus liegt vor allem auf der zuletzt veröffentlichten EP "All Roads Lead Here", die bis auf das Zwischenspiel 'Engrams' komplett gespielt wird, aber auch Songs vom Album "At The Dream's Edge" werden zum Besten gegeben. Ortiz bekommt für seine Solokünste Szenenapplaus, Malyan tackert die Songs wie ein Uhrwerk durch, zwischendurch wird er von seinem Bandkollegen Matt Rose mit Bier gefüttert.

[Jakob Ehmke]

Bei den Italienern von DESTRAGE ist in der Halle erst einmal nicht allzu viel los, aber das ist den Jungs auf der Bühne scheinbar vollkommen egal. Die gehen ab, als wären sie gerade das erste mal seit fünf Wochen aus dem Käfig gelassen worden und haben Spaß an ihrer Musik. Und was ist das? Ich würde mich ja fast dazu hinreißen lassen, es als ziemlich klassischen Metalcore zu bezeichnen: eingängig und gut nach vorne gehend mit feinen Melodieausflügen. Die Akustik-Passagen sind  konventionell und schön, aber das ist an dieser Stelle ausdrücklich positiv gemeint. Ebenso löblich hervorheben möchte ich den Gesang, der sowohl im cleanen als auch im Brüllwürfelsegment überzeugen kann. DESTRAGE sind sicher nicht die vertrackteste Band des Billings, aber mit Sicherheit eine der schnellsten. Starker Auftritt!

[Oliver Paßgang]

Die schwedischen Vorzeige-Djentler VILDJHARTA (Foto) sind wohl so etwas wie das Aushängeschild für das Euroblast-Festival. Ihr Djent-Sound wird mit dem brillantem Klang der Live Music Hall gut in Szene gesetzt und lässt die Halle füllen. Was nun folgt ist eine Lehrstunde in Sachen Djent und Synchronmoshen. 'Dagger' darf natürlich nicht fehlen, mit 'Deceit' wird alles in Grund und Boden gegrooved. Entsprechend erhaben kommt auch 'All These Feelings' daher, Stillstehen ist absolut unmöglich. Dazu geben sich die Sänger Daniel und Vilhelm gekonnt den Stab des Sängers hin und her und können das Publikum gut unterhalten. Live überzeugen VILDHJARTA mehr als auf Platte, fette Sache. Thall!

[Jakob Ehmke]

Was aus einem (indischem) Wohnzimmerprojekt werden kann, zeigt SKYHARBOR (Foto links), die mit "Blinding White Noise" ein bärenstarkes Djentalbum auf den Markt gebracht haben. Zur Popularität dieses Projektes trägt Ex-TESSERACt-Sänger Daniel Tompkins bei, der dem Album seine unverwechselbare Stimme leiht. Als bestätigt wurde, dass Tompkins auch exklusiv bei der Euroblastshow mit dabei sein würde, war die Vorfreude natürlich umso größer. Musikalisch wird erwartungsgemäß die komplette Debüt-CD (Disc 1) gespielt, mit einem Tompkins in Bestform, der wie angestachelt über die Bühne läuft und viel Energie in seine Performance setzt und vor allem einige Gänsehautmomente bei mir erzeugen kann. Als eine der wenigen Bands des Festivals, die komplett clean singen, ist seine Darbietung Balsam für die Ohren. Viele sind wie hypnotisiert von Tompkins Leistung, aber auch der Rest der Band spielt perfekt. Wer kann, singt mit und freut sich eines ganz besonderen Auftrittes, den es in der Form wohl so schnell nicht wieder geben wird.

[Jakob Ehmke]

Ich habe schon viel über die intensiven MONUMENTS-Shows (Foto) im Vorfeld gehört, "beängstigendes Brett" waren Schlagwörter - und ich muss zugeben: das trifft den Nagel auf den Punkt! Dass das Album "Gnosis" schon wie Hölle grooved, habe ich bereits in der Rezension bemerkt, was MONUMENTS live loslassen ist einfach nicht von dieser Welt. Eröffnet wird die Show mit 'Degenerate' und 'The Uncollective', Drummer Mike Malyan ist nun bereits zum dritten Mal zu bestaunen, von Müdigkeit ist jedoch keine Spur, im Gegenteil: Es ist eine helle Freude ihm beim Spielen der vertrackten Ryhthmen zuzusehen. Auch Neuzugang Matt Rose überzeugt mit Shouts, aber auch die cleanen Passagen in '97% Static' oder 'Blue Sky Thinking' kommen richtig gut. Der Höhepunkt sind aber die 1500 moshenden Leute zu 'Degenerate' - wahnsinn!

[Jakob Ehmke]

Auf den Auftritt von JEFF LOOMIS (Foto) war ich persönlich besonders gespannt. Ich bin nämlich (wie vermutlich mind. 80% seiner jetzigen Fans) ein großer NEVERMORE-Anhänger und habe den Meister nicht solo erleben dürfen. Umso erfreuter bin ich, dass Jeff und seine Mannen absolut befreit loslegen und mit einem Sound ausgestattet sind, der die Songs noch einen ganzen Tacken besser als auf Platte zur Geltung kommen lässt. Es gibt natürlich allen voran Stücke der beiden Alben "Zero Order Phase" und "Plains Of Oblivion", aber auch bisher nicht veröffentlichte Tracks, die mit harschen Vocals vom Rhythmusgitarristen versehen wurden. Das klingt im ersten Moment ewas gewöhnungsbedürftig, erinnert aber wenig später an DEATH – und eine viel bessere Referenz gibt es im Metal-Genre kaum. Auch 'Surrender', im Original von Ihsahn interpretiert, wird vom Jeff begleitenden Gitarristen gesungen. Der Saitenhexer selbst steht zwar in der Mitte der Bühne, geht in seinem Material auch voll auf und begeht (als wäre es selbstverständlich) keinen merklichen Spielfehler, spielt sich dabei allerdings überhaupt nicht in der Vordergrund. Zudem macht er auch keine Ansage, dies ist ebenfalls Aufgabe es gesprächigen Mannes an seiner Seite. Im Publikum ist es etwas leerer als zuvor bei MONUMENS oder auch später bei AFTER THE BURIAL, und dennoch sorgt dieser Auftritt für eigentlich ausnahmlos freudige Mienen. Der wohl metallischste Act des Festivals kann auf seine Art in der Gesamtheit absolut überzeugen. Well done, Jeff & friends!

[Oliver Paßgang]

Zum Abschluss des zweiten Tages gibt es mit AFTER THE BURIAL (Foto) noch mal ordentlich auf die Fresse! Der Deathcore der Amis kommt mit leckeren, teils neoklassischen Leads und krassen Stakkato-Attacken daher, die punktgenau abgeliefert werden. Zu 'Drifts' und 'The Fractal Effect' springt die gesamte Live Music Hall um ihr Leben. Zur Krönung wird ein brandneuer Song des bevorstehenden Albums präsentiert, der mit wahnwitzigen Djent-Grooves die Halle zum Überkochen bringt. Mit 'Aspiration' setzt die Band noch einen drauf - was für eine Abrissbrine! "See you next year!"? Gerne!

[Jakob Ehmke]

Pictures by [Jakob Ehmke]

Redakteur:
Jakob Ehmke

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