GEOFF TATE und DARKER HALF - München

17.11.2023 | 23:44

08.11.2013, Backstage Halle

Der Metalgott und seine Buben, verbrecherisch gut!

Ist es ein Fluch oder ein Segen für einen Künstler wie GEOFF TATE, wenn seine Karriere so sehr an einem einzigen Album hängt? Für mich schwer zu beurteilen, allerdings weckt die Ankündigung einer livehaftigen Geburtstagsfeier von "Operation:Mindcrime" mein Interesse, zumal die alten QUEENSRYCHE-Scheiben in letzter Zeit wieder öfter den Weg in den Schacht gefunden haben.  Franks Bericht vom ersten Zweig von Geoffs Tour im Frühjahr ließ dann die Vorfreude weiter hochkochen. Ist GEOFF TATE wirklich wieder so gut bei Stimme?


Sehr gut bei Stimme ist zunächst einmal Vo Simpson. Das ist der gitarrenspielende Frontmann der Australier DARKER HALF, die anstatt der angekündigten Band C.O.P. UK hier auf der Bühne stehen. Wir hören lupenreinen traditionellen Melodic Metal aus dem Bilderbuch. Die Band war vor kurzem erst in der Gegend mit JADED HEART und konnte dort schon zwei meiner Kollegen von ihren Livequalitäten überzeugen (zu den Konzertberichten aus Augsburg von Frank Jäger und aus Obertraubling von André Schnittker)). Und ja, auf der Bühne ist einiges los. Alle Musiker sind in ständiger Bewegung, posen, ziehen Fratzen, lassen sie Sau raus. Das ist ansteckend und bald fangen die meisten an, zumindest mal mitzuwippen, manche bangen sogar ihre Köpfe.

Die Musik geht bei fast allen Songs ziemlich schnell ins Ohr und klingt sehr europäisch. Mal kommt mir HAMMERFALL in den Sinn, mal neuere HELLOWEEN oder EDGUY. Oder aber die Landsmänner von GALAXY, für ich an dieser Stelle auch mal wieder Werbung machen möchte (zum Review von "Lost From The Start").

Alle Mitglieder von DARKER HALF haben gesangliche Fähigkeiten und unterstützen Vo Simpson derart, so dass Chöre nicht vom Band kommen müssen und er bei den Refrains eine zweite Stimme übernehmen kann, oftmals in Kopfstimme. Jawohl, seine spitzen Halford-Screams sitzen zumeist wie eine Eins.

Der Midtempo-Stampfer 'Into The Shadows' macht mir dabei ebenso Spaß wie speedigere Nummern oder balladeske Töne. Für Stimmung sorgt auch ein gelungenes Cover von 'Breaking The Law' (JUDAS PRIEST). Okay, das mag abgenudelt klingen, doch die Australier packen hier sehr viel Spielfreude und Spaß rein. Ich denke, durch diese Gigs kann sich die Band - diesmal auch bei sehr ordentlich gefüllter Halle - bei vielen auf die Bildfläche spielen, und die Tatsache, dass auch ein neuer Song gespielt wird, lässt darauf schließen, dass man bald mehr von diesen Spaßvögeln hören wird. Bin gespannt.

 

Geoff Tate, München, Backstage 2023Frank hat hier ja bereits von der Jubiläums-Tour zum fünfunddreißigsten von "Operation:Mindcrime" berichtet. War er zu Recht so begeistert? Ist GEOFF TATE wirklich wieder in Bestform?

Nun, die instrumentalen ersten Minuten des Konzeptklassikers, 'I Remember Now' und 'Anarchy X', werden zunächst einmal zum Schaulauf für Geoffs Begleitband genutzt. Diese besteht aus dem elegant hergerichteten Gitarrero James Brown, den ein rotes Jackett und ein schwarzer Hut zieren, dem sonnenbebrillten Kurzhaarrocker am Bass Jack Ross und einem weiteren jungen Mann an der Gitarre. Der hört auf den Namen Amaury Altmayer und nicht wie noch vor Kurzem auf Kieran Robertson. Der ist nämlich zu FASTER PUSSYCAT gegangen und wird mit den Kätzchen bald auf Tour gehen. Für mich unsichtbar ist der Drummer, aber das wird dann wohl Daniel Laverde sein.

Bei 'Revolution Calling' kommt dann auch der Meister auf die Bühne, eine imposante Gestalt, cool, muskulös, extrem selbstbewusst, eine männliche Diva, die ganz genau weiß, dass sie quasi unschlagbar ist. So ist der einzige Spielverderber heute nur der etwas basslastige Sound und die Gitarren könnten auch etwas lauter sein. Ansonsten aber dürfte der Zeitpunkt und das Setup kaum besser sein, um "Operation:Mindcrime" live kennenzulernen. Denn Fotografin Nives hatte tatsächlich erst kürzlich ihren ersten Kontakt mit dem Klassiker.

Geoff Tate, München, Backstage 2023Tja, was soll ich über diese Scheibe hier noch schreiben? Vor allem, wenn sie von einer hungrigen und spielerisch sehr kompetenten Band getragen und von einem GEOFF TATE bei bester Stimme veredelt wird. "Was für eine Stimme", raunt mir Nives bei einer kurzen Pause sichtlich beeindruckt zu. So arbeitet man sich stetig auf den Song zu, der für viele als das Größte im Schaffen von QUEENSRYCHE gilt, 'Suite Sister Mary'. Mir wird erst nach dem Gig klar, dass es sich bei der hübschen blonden Dame, die den weiblichen Part in diesem Epos übernimmt, um Geoffs Tochter Angel handelt. Das Talent scheint wohl in der Familie zu bleiben.

Meine Highlights des Albums kommen aber erst danach, und das sind 'The Needle Lies', 'I Don't Believe In Love' und das unsterbliche 'Eyes Of A Stranger'. Doch gerade letzterer Song klingt heute doch schon ein wenig anders als auf dem Album. Klar, Geoff singt nicht mehr jede Höhe voll aus, wählt auch manchmal eine abgewandelte Variante oder lässt einen Teil der Songs einfach die Fans singen, die sich als ziemlich textfest erweisen. Live-Feeling pur also.

Auch im folgenden Post-Mindcrime-Block gab es im Vergleich zum Frühjahr kaum Veränderung. Ich freue mich sehr über 'Empire' und auch 'Jet City Woman' finde ich nicht so schlimm wie Frank. Ein kleiner Downer ist 'One Foot In Hell' vom zweiten Teil des Gedankenverbrechens. Auch live merkt man einen Qualitätsunterschied, aber ich verstehe, wenn ein Musiker auch mal einen Song spielen möchte, der nicht schon ein halbes Leben auf dem Buckel hat. Schöne Erinnerungen an eine tolle Band mit gleichem Namen kommen dann bei 'Silent Lucidity' auf. Habe euch immer noch im Herzen!

Geoff Tate, München, Backstage 2023Bei den Zugaben geht es dann gar noch in die 80er, sehr zur Freude von Nives, die diese Anfangstage der Band liebt. 'Take Hold Of The Flame' wird nochmal mit voller Kraft vorgetragen und Geoff überrascht uns dann noch eine letztes Mal mit 'Queen Of The Reich'. Warum? Nun, auf der Debüt-EP sang Tate noch höher und schriller und auch dies bringt der Mann auch heute noch auf die Bühne. Der Wahnsinn. Mit dem Eindruck, eines der besten Konzerte des Jahres gesehen zu haben, gehen wir glücklich und zufrieden nach Hause.

Setliste: I Remember Now; Anarchy-X; Revolution Calling; Operation: Mindcrime; Speak; Spreading The Disease; The Mission; Suite Sister Mary; The Needle Lies; Electric Requiem; Breaking The Silence; I Don't Believe In Love; Waiting For 22; My Empty Room; Eyes Of A Stranger; Empire; One Foot In Hell; Jet City Woman; Silent Lucidity; Zugaben: Take Hold Of The Flame; Queen Of The Reich

Fotos: Nives Ivic

Redakteur:
Thomas Becker

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