Gruppentherapie: DEATH ANGEL, SACRED REICH und ANGELUS APATRIDA - München - Karlsruhe - Hamburg - Siegburg

24.11.2023 | 13:54

15.11.2023, Backstage - Substage - Logo - Kubana

Die "Night Of Living Thrash"-Konzertgruppentherapie.

Schon die Ankündigung der "Night Of The Living Thrash"-Tour schlägt große Wellen in unseren virtuellen Redaktionshallen, denn selten gibt es so großes Interesse für eine Tour. Gleich vier Städte werden von einem oder gar mehreren POWERMETAL.de-Redakteuren aller Altersklassen heimgesucht.

Frank hat euch ja schon aus München von diesem späten Konzerthighlight des Jahres 2023 berichtet (zum Bericht). Hier werden nun Meinungen und Eindrücke der anderen Live-Therapeuten in dieser speziellen Konzert-Gruppentherapie gesammelt.


Montag, 6.11.2023, München - Backstage

Gleich drei Konzerte innerhalb einer Woche bescherte mir der Novemberanfang: RIVAL SONSGEOFF TATE und die "Night Of Living Thrash" mit DEATH ANGEL und Co. Alle drei waren sehr toll, aber müsste ich ein Ranking abgeben, würde ich die Dreifach-Thrasherei wohl "nur" auf Rang 3 wählen. Warum?

Nun, wir haben - natürlich mit Pausen - vier Stunden lang erbarmungslos auf die Mütze bekommen. Natürlich war dies im Vorfeld klar und dies soll auch keineswegs eine Beschwerde sein. Doch nach der Hälfte des DEATH ANGEL-Sets war ich schon ziemlich durch, meine Ohren konnten nicht mehr.

Dabei war meine Vorfreude auf das Konzert riesig, denn ich habe DEATH ANGEL im Sommer 2022 auf dem "Free & Easy"-Festival in der Backstage Halle gesehen und war dort schwer begeistert von der unzähmbaren Power dieser Band. Und jetzt ist auch noch SACRED REICH mit von der Partie, eine Band, deren Scheiben ich in all den Jahren sogar noch öfter gehört habe als die von DEATH ANGEL (abgesehen von "Act III"). Dennoch gehe ich diesmal einen Tick weniger euphorisch nach Hause als vor einem Jahr.

Natürlich gebe ich Frank in den allermeisten Punkten recht, die er in seinem Konzertbericht anspricht. ANGELUS APATRIDA ist ein starker Opener, den man nicht verpassen sollte, der rasend schnellen und messerscharfen Thrash manchmal sogar mit Melodie garnieren kann ('Cold') und in Sachen Bühnenperformance auch nix anbrennen lässt. Dennoch ist es nicht ganz meine Musik, vor allem wegen der mir zu metalcorigen Vocals.

Die groovigeren, musikalisch etwas schwergewichtigeren US-Amerikaner SACRED REICH sind dann schon vielmehr mein Gusto und ich genieße vor allem die Lieder von "Crimes Against Humanity". Die Schallplatte hab ich mir vor über dreißig Jahren gekauft und sie wird hier immer noch als top eingestuft. Aber wo bleibt hier der Titelsong?

Die Band spielt extrem tight und extrem laut. Von den Sympathiepunkten ist sie bei mir heute auch ganz vorne. Phil Rind ist eine gute Seele. Und das 'War Pigs'-Cover, an dem man sich böse die Finger verbrennen kann, wird bravourös dargeboten. Phil Rind ist auch der beste Sänger heute. Auszusetzen? Frank schreibt's: Gibt's nichts!

Heute kommt da DEATH ANGEL - zumindest bei mir - nicht vorbei. Das liegt aber garantiert nicht am Engagement der Band, hier gibt es seit ihrem Bestehen eigentlich nur Vollgas und man weiß schon vorher - ähnlich wie bei AUDREY HORNE oder ANNIHILATOR - dass hier nichts schief gehen kann. Also liegt es an mir. Was hätte besser sein können?

Nun, das Set kennt einfach keine Gnade, es wird eigentlich bei jedem Lied laut gerifft oder Gas gegeben, immer in höchster Qualität aber auch mit maximaler Penetranz. Dabei hat DEATH ANGEL durchaus Material, das auflockern könnte. 'Son Of The Morning' wäre so eines gewesen (wurde 2022 noch gespielt). Oder gar 'A Room With A View'?

Eine andere Sache, die Frank schon angesprochen hat, sind die heute fast schon übertriebenen Danksagungen an das Publikum. Ja, natürlich ist das Publikum, vor dem man gerade spielt, immer "das Beste", natürlich wäre die Band ohne die Fans, die sich auch an einem Montagabend nicht scheuen, ein Konzert zu besuchen, quasi arbeitslos. Natürlich ist es sehr anständig, den Fans hier auch Dankbarkeit zu zeigen. Aber doch nicht mit jeder Ansage. Zuviel pathetisches Gelaber, Herr Osegueda; in dieser Zeit allein hätte man noch einen Song mehr spielen können.

Diese Punkte tun der Tatsache allerdings keinen Abbruch, dass - und auch da hat Frank recht - Thrash kaum besser geht; die Mucke lässt sogar uns Oldies wieder ins Circle Pit gehen (ich heute nicht). Rein musikalisch gibt es also nicht zu rütteln. Und wenn es das nächste Mal wieder DEATH ANGEL live gibt, bin ich mit ziemlicher Sicherheit auch wieder am Start!

[Thomas Becker]

Samstag, 11.11.23, Karlsruhe - Substage

Jau, besser geht Thrash musikalisch betrachtet nicht, da stimme ich unserem Hauptberichterstatter Frank Jäger und meinem Vorredner Thomas "Crimes Against Albumtitel" Becker (Anm T.B.: autsch, Du hast recht; ich meinte "The American Way") aufs Deutlichste zu! Was mein Cousin Benni, Jochen Blum an der "Knipse" und ich am Samstag, den 11.11.23 im schicken, stimmungsvoll dezent bunt ausgeleuchteten, fast hollywoodfilmreifen Club-Ambiente des Substage in Karlsruhe von allen drei Bands vor die Lauscher gelatzt bekommen, ist, wir erwartet, absolute Oberklasse im Bereich des anspruchsvolleren Thrash Metals. Dennoch geht es in einer Konzert-Gruppentherapie um das Ausloten von eventuell übersehenen, überhörten oder anders gewichteten Kritikpunkten und um ein liebevoll-neckisches Diskutieren derselben.

Daher beginne ich gleich mit meinem Fazit, in dem ich mich Franks Forderung nach mehr effektiver Spielzeit mit mehr Liedern anschließe und diese in meiner Sichtweise etwas umformuliere: Mark von DEATH ANGEL und (G)Rind(ing) Phil von SACRED REICH sollten am besten einfach nicht ständig labernder Weise den Gemeinschaftsgeist der Community beschwören! Einmal pro Konzert ist angebracht und reicht doch, oder etwa nicht?

Es ist mir schon klar, dass beim körperlich anspruchsvollen Stageacting von Mark Osegueda und der Doppelbelastung von Phil Rind mit Gesang und Gitarre mittlerweile Päuschen dazugehören. Dann könnte man aber doch zum Beispiel im Fall von DEATH ANGEL ein großartiges Instrumental wie 'The Ultra-Violence' ganz ausspielen und müsste nicht durch arg klebriges, rührselig-sentimentales Geseiere nerven! Dieses stößt bei DEATH ANGEL als zweiter Band bereits vielen Konzertbesuchern in Karlsruhe sauer auf. Phil Rind quasselt ja nun mal auch recht gerne und seine, zugegeben, sehr sympathisch humorvoll erzählte Story über Toleranz und das "An die eigene Nase fassen", die in einer zum Schreien witzigen a capella Kurzdarbietung von MICHAEL JACKSONs 'Man In The Mirror' mündet, ist herrlich unterhaltsam, überhaupt keine Frage! Leider redet er aber auch danach immer wieder lange zwischen den Songs, was tatsächlich dazu führt, dass sich bei SACRED REICH, die heute als letzte Band spielt, bereits der Konzertraum leert: Die Frontmänner der beiden "großen" Bands haben quasi den Druck rausgenommen, die stimmungsmäßige "Luft" merklich abgelassen! Mein Verbesserungsvorschlag: Jeweils 15 Minuten Spielzeit weniger für DEATH ANGEL und SACRED REICH, Laberverbot für Mark und Phil, dafür dreißig Minuten mehr und somit auch eine volle Stunde auf der Bühne für die thrashenden Iberer von ANGELUS APATRIDA aus dem spanischen Städtchen Albacete.

Diese machen bei kompaktem, sehr gut differenziertem und fast leisem Sound nämlich alles richtig! Wenig Gerede, sieben unterschiedliche, abwechslungsreiche Lieder von fünf ihrer acht Alben, sowie kraftvolles, von viel fliegendem Haar und bangenden Köpfen geprägtes Stageacting lassen nahezu alle bereits im gut gefüllten Zuschauerraum befindlichen Metaller gespannt ausharren. Leider ist die Action im Publikum, wie auch im weiteren Verlauf des Abends eher gering, was wohl hauptsächlich an der Enge vor der Bühne liegt. Die Stimme von Guillermo Izquierdo ist vortrefflich abgemischt und gut hörbar, was vor allem bei den melodischeren Parts der am heutigen Abend, im Vergleich mit den beiden älteren Bands, am modernsten klingenden Thrash-Perlen der Spanier erkennbar wird. ANGELUS APATRIDA muss sich in keinster Weise verstecken und ist völlig zu Recht der Opener dieser Tour! Das wird nach dem tollen, aber viel zu kurzen Gig auch von den Fans T-Shirt- und Vinyl-kaufenderweise anerkannt: Weil bei den anderen Bands vor allem die etwas fülligeren Größen an Shirts allmählich ausgehen, scheinen die Spanier lukrativ von diesem Umstand profitieren zu können, haben sie doch ebenfalls sehr schicke Motive und Designs am Start.

Da ich merke, dass ich mich bereits kurz fassen muss, noch zu DEATH ANGEL und SACRED REICH: Bis auf den ausführlich geschilderten Kritikpunkt bin ich aufs Höchste mit dem Konzertabend zufrieden, die zweistündige Anfahrt hat sich so was von gelohnt! DEATH ANGEL sind nach wie vor ein unerschöpflicher Quell an thrashender und zugleich filigraner Gitarrenpower mit einer kaum zu toppenden physischen Energie auf der Bühne. Was die Songs angeht, kann man bei einer Band von diesem Format immer motzen, ich bin heute Abend einigermaßen zufrieden, auch wenn ich 'Kill As One' und 'Bored' schon ein klein wenig in mich hineinheulend vermisse. Daher hat DEATH ANGEL ihre Nasenspitze quasi nur einen halben Punkt vor SACRED REICH und - Überraschung - ANGELUS APATRIDA. Phil und seine Mitstreiter liefern einen begeisternden Gig, bei dem mir vor allem der perfekte Schlagzeugsound das Herz aufgehen lässt, genauso wie die Schokolade, Butter und Metallerherzen dahinschmelzen lassenden Leads von Wiley Arnett sowie die fluffig-locker geföhnten, im Bühnenwind und beim Bangen flauschig dahinschwebenden langen Haare des Gitarrenjünglings Joey Radziwill. Ohne es wirklich triftig begründen zu können, bewegen Mark & Co. mich heute Abend mit ihren Künsten jedoch mehr. Das empfindet wohl auch der Rest des Publikums so: Bei DEATH ANGEL ist es mit Abstand am engsten und vollsten im Substage, zur Hälfte des Gigs sogar fast auf ungemütliche Art und Weise.

Kurioserweise beobachte ich ganz am Schluss noch eine kleine Frau mittleren Alters beim lustigen Schunkeln zu 'Surf Nicaragua' und werde sogleich schmerzhaft daran erinnert, dass beim Einlass, so schien es jedenfalls, Kutten auf politisch und verfassungsrechtlich unpassende Patches untersucht wurden: Der kleinen Dame rutscht beim von Phil geforderten "Arme nach oben" schon recht unverkennbar die Hand am ausgestreckten rechten Arm blitzschnell, "aus Versehen" wahrscheinlich, ziemlich gerade nach vorne. Wenn das Phil gesehen hätte!

[Timo Reiser]

Dienstag, 14.11.2023, Hamburg - Logo

Auch in Hamburg gibt es um 19 Uhr einen Frühstart und auch hier serviert uns die spanische Inquisition namens ANGELUS APATRIDA ein extrem kurzweiliges Set. Die jungen Wilden sind sehr gut aufeinander eingespielt und verstehen es, das Publikum wunderbar aufzuwärmen. Wobei dies heute Abend trotz Hamburger Normalwetter gar nicht notwendig ist, denn das kleine Logo, in welchem ich vor allem in den 80er endlos viele Heavy-Metal-Konzerte erleben durfte, ist ausverkauft. Kein Wunder bei diesem Line-up. Mir ist es tatsächlich etwas schleierhaft, weshalb hier nicht die Markthalle oder das Knust angesteuert wurde, denn der Vorverkauf lief rasant. Wer einmal im ausverkauften Logo war, weiß, was auf ihn zukommt. Durch die sehr niedrige Bühne sehe ich am ganzen Abend keinen der drei Akteure hinter den jeweiligen Schlagzeugen, aber dieses Manko kann ich bei der gebotenen Stimmung schnell vergessen. Zurück zu ANGELUS APATRIDA: Was mir bisher ein kleines bisschen fehlt, sind die Alleinstellungsmerkmale, Hooks oder Auflockerungen, die nach so einem Abend haften bleiben. So kann ich den energischen Auftritt mit viel fliegenden Matten genießen, weiß aber bereits nach dem Konzert lediglich noch, dass der Rausschmeißer 'You're Next' hieß.

In der knackig-kurzen Umbaupause versuchen wir uns schnell mit Flüssignahrung zu versorgen, denn es ist natürlich noch voller geworden. Nach erfolgreichem Einkauf ist allerdings unser relativ guter Sichtplatz weg. Hätten wir mal Handtücher hingelegt. Meine überraschten Ohren staunen nicht schlecht als nun das Quintett aus Frisco auf die Bretter klettert. Wobei, "klettert" ob der eben beschriebenen Höhe der Bühne eine maßlose Übertreibung ist. 'Lord Of Hate' ist ein amtlicher Opener und sofort erkennt man den Unterschied zur Vorband. Hier greifen die Hooklines sofort auf das Erinnerungszentrum zu. Dass man danach gleich mit dem rattenscharfen Oldie 'Voracious Souls' nachlegt, hebt die Stimmung noch weiter an und es tropft die erste Schweißperle von der Decke. Lecker! Mal lieber das Schirmchen übers Bier aufspannen. Es folgt die gleiche Setlist wie bei Frank, in der sich alte Kracher mit neuerem Material wunderbar abwechseln. Ich vermisse wie immer 'Discontinued', aber das ist mein Problem. Dafür gibt es mit 'Disturbing The Peace' einen nicht erwartbaren Song vom Überalbum "Act III". Die von meinen Vorrednern bemängelten Ansagen kann ich in Hamburg nicht bestätigen. Mark bedankt sich einmal sehr ausführlich bei uns und verweist auf die lange Verbindung zu Hamburg, die bis 1987 zurückgeht.

Ja, das war damals ein legendärer Abend! Ansonsten gibt es wenig "spoken word disturbance" zwischen den Songs. Nur bei der Vorstellung der einzelnen Musikanten wird es minimal ausschweifend. So ist Will Carroll, den ich ja nicht sehen kann, laut Mark "the most evil man in the room". Kaum vorstellbar, bei dieser Frohnatur. Bei den Saitenhexern gibt es bei Rob eine kurze 'Over The Mountain'- Einlage, während bei Ted 'Ain't Talkin' 'Bout Love' intoniert wird. Erstaunliche Songauswahl, die wohl belegt, wo die Jungs ihre Einflüsse finden. Nach dem kurz angespielten 'The Ultra-Violence' folgt das ultimative Ende mit 'Thrown To The Wolves' - ein moderner Klassiker. Die fünf Herren DEATH ANGEL haben erneut bewiesen, dass sie eine der besten Livebands aus diesem Segment sind, wissen die doch mit unpeinlichen Posen auch optisch zu punkten und können sie mit einem Querschnitt durch ihr gesamtes Schaffen beweisen, dass man auch diesen Spagat problemlos ohne Qualitätsverlust hinbekommen kann. Eine Ballade habe ich nicht vermisst, denn die modernen Songs sind mir schon unthrashig genug. Das reicht mir als Auflockerung. 'Thrashers' oder 'Kill As One' wären noch nett gewesen, aber das ist nörgeln auf ganz hohem Niveau. Das Publikum sieht es offenbar genau so, denn die Stimmung ist super!

Nun mal kurz Luft holen, denn ich ahne, dass es bei SACRED REICH ähnlich abgehen wird. Richtig vermutet, denn schon beim eröffnenden 'Divide & Conquer' bebt die Räumlichkeit. Das soll sich bei Songs vom ultimativen Groove-Thrash-Album "The American Way" (Hallo, Herr Becker! – der Verf.) sogar noch mal potenzieren. 'Love/Hate' bestätigt dies sofort. Die Hälfte der Anwesenden singt mit, es wird gewhipped, gekopfschüttelt, geluftgitarred. Es ist aber auch eine wahre Freude, wenn man Phil breit grinsend beim Spielen zuschauen darf. Irgendwann ergreift auch er das Wort und bedankt sich bei uns. Völlig authentisch, wie ich finde. Als er irgendwann anmerkt, dass ihn das Logo an einen lokalen Club erinnert, in dem er damals die RED HOT CHILI PEPPERS und sogar TOOL als Opener (!) für irgendwen gesehen habe und er deshalb gerade etwas in Erinnerungen schwelgen würde, ist das eine schöne Brücke zum Publikum, welches ihm eh aus der Hand frisst. Ich gebe zu, dass ich mit Songs wie 'Free' oder 'Salvation' nicht wirklich warm werde, aber das ändert nichts an der Qualität dieses Auftritts. Jungspund Joey Radziwill rapunzelt sich die Matte von der Rübe und Wiley auf der anderen Seite ist offenbar einfach nur glücklich. Als Phil dann nochmal das Wort ergreift und etwas zur allgemeinen Weltsituation sagt, habe ich kurz einen Klops im Hals, denn er trifft wie immer die richtigen Worte. Well done, mate! Erwartungsgemäß endet die erstklassige Vorstellung mit 'War Pigs' vor 'Surf Nicaragua' um Punkt 23 Uhr. Bombe! Bombig war auch der Sound aller Bands, hier war nichts matschig oder übersteuert. Zu jedem Zeitpunkt konnte man problemlos ohne Stöpsel genießen.

Hat sehr viel Spaß gemacht!

[Holger Andrae]

Montag, 6.11.2023, München - Backstage

Zurück nach München ins Backstage. Hierher wurde ich von Kollege Frank Jäger zum Fotografieren aber vor allem für eine weitere Lektion in "Thrash-Metal-History" mitgenommen. So kann ich mir das Konzert der Thrash-Schwergewichte DEATH ANGEL und SACRED REICH natürlich nicht entgehen lassen, auch wenn der Thrash weniger zu meinem täglichen Futter gehört und ich auch keine Kindheitserinnerungen damit verbinden kann. Losgetrasht wird im Backstage Werk bereits um 18:45 Uhr und ich mache erstmal Bilder. Auf der Bühne ist der Opener ANGELUS APATRIDA, das Fotografieren macht Spaß, es gibt viel Licht und die Musiker schütteln den Kopf, dass die Haare in alle Richtungen fliegen. Dann gehe ich zurück zu Frank und Thomas. Die beiden haben sich einen guten Platz im hinteren, höher gelegenen Teil der Halle ausgesucht. So haben wir gute Sicht auf die Band, während sie eine halbe Stunde lang den Bühnenboden abnutzt. Zu den musikalischen Kompetenzen können meine Kollegen mehr sagen, ich empfinde den kurzweiligen Auftritt als typisches Thrash-Metal-Programm.

Es folgt eine Umbaupause und dann der erste Headliner: SACRED REICH. Auch hier fliegen die Haare und die Gitarristen posen fleißig. Phil Rind bleibt bei seinem Mikro stehen und ist natürlich mit Singen beschäftigt, wenn er das aber mal nicht muss, tritt er ein paar Schritte zurück und schüttelt auch den Kopf. Die Show ist gut, keine Frage, das haben ANGELUS APATRIDA vorhin jedoch noch ein bisschen besser gemacht. Der 79-minütige Auftritt fühlt sich nicht so kurzweilig an wie der der Spanier. Mit für mich immer gleich klingenden Liedern, die ich auch nicht gut kenne, dem Gelaber von Phil und der Lautstärke zieht sich der Auftritt langsam. Dann kommt 'The American Way' - Hey, das kenne ich doch. Dass Frank im Auto noch ein paar Lieder der Bands hat laufen lassen, macht sich so doch bezahlt. Dem Rest des Publikums, das mit dem Material besser vertraut ist, macht die Band eindeutig mehr Spaß. Im Saal wird fleißig geheadbangt und immer wieder die Pommesgabel erhoben.

SACRED REICH geht von der Bühne und es folgt eine viel zu lange Umbaupause. Eine ganze dreiviertel Stunde - muss das wirklich sein?! Außerdem ist die Musik, die vom Band währenddessen läuft, zu laut, um sich anständig zu unterhalten und die Ohren ein wenig auszuruhen. Doch nun genug gemotzt, lasst endlich DEATH ANGEL auf die Bühne! Hier gibt es wieder richtig was zu sehen, die Performance der Musiker kann die von ANGELUS APATRIDA sogar übertreffen. Vor Allem Mark Osegueda macht als Frontmann eine gute Figur, dafür nehmen sich die restlichen Bandmitglieder etwas zurück.

Die Musik bleibt wie gehabt: Sicher gut, aber die Thrash-Feinheiten kann ich nicht heraushören, da vertraue ich lieber meinen Kollegen, die sich besser damit auskennen und motze über meine Core-Bands. Gerade was Stimmkondition angeht, könnten sich die Sänger dieser Bands einiges von ihren älteren Thrash-Kollegen abschauen. Für mich klingt die Musik weiterhin sehr ähnlich und es gibt auch keinen Raum für eine Verschnaufpause. Obwohl die Band ja auch Balladen hätte - über 'A Room With A View' hätte ich mich da schon gefreut. Das Publikum ist noch nicht so erschöpft wie ich und feiert weiter, sogar noch ein bisschen energischer als bei SACRED REICH. Die Stimmung gipfelt in einer Circle Pit. Meine Meinung zu diesem hat Frank ja schon zusammengefasst: in halber Geschwindigkeit, für alte Männer eben. Trotzdem schlägt das Thrash-Publikum die Core-Jünglinge, unter die ich mich im Normalfall mische, in ein paar Punkten, vor allem in der Ausdauer. Hier wird der Circle Pit auch eine Weile aufrechterhalten - Bei den Jungen ist immer auch recht schnell wieder Stillstand.

[Noah-Manuel Heim]


Mittwoch, 15.11.2023, Siegburg - Kubana

Bei euch scheint ja eine prächtige Stimmung gewesen zu sein. Hier im Kubana im Herzen Siegburgs kocht ebenfalls die Bude! Es ist brechend voll und Gedanken ob des kalten Wetters brauche ich mir bei all der Hitze in dem Bunker nun wahrlich nicht zu machen. Gehen wir einmal ins Ranking, welche Band am meisten überzeugt hat.

Und da hat DEATH ANGEL als heutiger Headliner die Nase vorn, eine absolute Live-Granate, eine der allerbesten Live-Bands dieses verdammten Planeten! Nein, es gibt einfach keinen schwachen Auftritt der Bay-Area-Helden und auch heute reißen Mark, Rob und Co. einfach die Hütte ab. Die Stimmung kennt kein Halten mehr - die Matten werden geschwungen, die Fäuste gereckt und die Refrains solcher Hits wie 'Voracious Souls', 'Seemingly Endless Time' oder 'The Dream Calls For Blood' lautstark mitgesungen. Was einfach immer auffällt, ist die Spritzigkeit und das hohe Energielevel dieser Band. Insbesondere Frontmann Osegueda ist nicht nur bockstark bei Stimme, sondern sich ob keines Sprunges zu schade. Grinsend wie ein Honigkuchenpferd und voller Demut und Dankbarkeit kündigt er mit 'Thrown To The Wolves' zum Abschluss und 'Truce' die weiteren gottgleich dargebotenen Songs an und hält damit das Kubana am Kochen.

Meine Kollegen haben schon genug gesagt. Fakt ist, ich kann mich ihnen nahtlos anschließen, auch wenn ich ob des Fehlens von 'Bored' ein klein wenig knatschig bin.

Doch auch SACRED REICH punktet heute Abend als zweite Band und landet in meinem persönlichen Ranking auch auf Platz zwei. Und dass auch Frontmann Phil wie ein Honigkuchenpferd grinsen kann, ist ebenso bekannt wie die Tatsache, dass Songs der Marke 'Ignorance', 'One Nation' oder das endgeile 'Independent' knallen wie Bolle. Seit einigen Jährchen kann die davor doch stagnierende Setliste auch mit brandneuen Tracks punkten, denn vor allem das startende 'Divide & Conquer' und 'Salvation' sind aus dem Live-Repertoire der Arizona-Thrasher nicht mehr hinwegzudenken. Und gemeinsam mit 'Who's To Blame' und 'The American Way' sorgen sie für eine intensive, energische Atmosphäre, bei der das Kubana oftmals droht in die Luft zu steigen. Eine für den Thrash prädestinierte Location, in der sich SACRED REICH auch äußerst wohl fühlt. Aber in Sachen Agilität und Bock im Allerwertesten hatte der Todesengel der Bay-Area schlichtweg die Nase vorn an diesem Abend. Trotzdem weiß Siegburg die Evergreens wie das BLACK SABBATH-Cover 'War Pigs', 'Death Squad' oder mein "Awakening"-Liebling 'Manifest Reality' zu schätzen und mit Kusshand aufzunehmen.

Last but not least muss sich tatsächlich der heutige Opener mit dem dritten Platz begnügen. Es ist tatsächlich auch das erste Mal, dass ich die Spanier von ANGELUS APATRIDA sehe und was sie nicht nur auf dem neuesten Output "Aftermath", sondern auch heute im Kubana veranstalten, ist schon aller Ehren wert. Man merkt ab der ersten Sekunde, dass das Quartett aus Albacete den Thrash Metal mit der Muttermilch aufgesogen hat. Die Stimmung ist famos, die Band heiß, der Sound echt knackig und die Setliste zum Fingerschnalzen: 'Bleed The Crown' und 'Cold' machen ebenso Bock wie 'Snob' und 'Give 'Em War' und wenn man mit solch einem Bolzenschneider wie 'You Are Next' diesen wilden, aber arschcoolen Auftritt langsam zum Ende bringt, kann man eh nix falsch machen. ANGELUS APATRIDA? Gern wieder!

Hach Kinder, der Abend war einfach grandios und entfachte meine innere Flamme für heißen, agilen Thrash Metal und so behalte ich auch das Kubana als wirklich tolle, familiäre Location in guter Erinnerung. Die Hinreise war alles andere als optimal, doch drei prächtig aufgelegte Bands haben sich den Arsch abgespielt und mit den Abend, nein, gleich die komplette Woche versüßt.

Vielen Dank!

[Marcel Rapp]


Alle Fotos sind von Noah-Manuel Heim und wurden auf dem München-Gig geknipst.

Redakteur:
Thomas Becker
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