HOLDING ABSENCE, THORNHILL & FLOYA - München

14.11.2023 | 13:04

07.11.2023, Backstage Halle

Die Tour zum neuen Album "The Noble Art Of Self Destruction".

Langsam wird es Zeit für eine Zweitwohnung in der Nähe des Backstages in München, denn diese Woche bin ich schon zum zweiten Mal hier. Gestern waren die Schwermetaller DEATH ANGEL, SACRED REICH und ANGELUS APATRIDA im Werk. Heute bin ich in der Halle für etwas "leichtere" Musik: HOLDING ABSENCE, THORNHILL und FLOYA.

Schon kurz nach dem Einlass fällt das riesige "FLOYA"-Leuchtelement in der Mitte der Bühne auf. Nein, FLOYA ist nicht der Headliner, wie man anhand des Bühnenaufbaus vermuten könnte, sondern eröffnet das Konzert um 19:30 Uhr. Das deutsche Trio bietet ganz netten Pop-Rock und eine ordentliche Show. Vor allem Sänger Phil Bayer ist sehr aktiv, rennt über die Bühne, hüpft und kickt um sich. Leider muss er beim Gesang Abstriche machen, hier wird er nämlich vom Playback unterstützt. Auch der Gitarrist wirft sich in einige nette Posen. Trotzdem wirkt die Bühne teilweise etwas leer - mit nur zwei gut sichtbaren Musikern ist da oben einfach nicht viel los, auch wenn sich die Jungs alle Mühe geben. Einen Schlagzeuger gibt es natürlich auch, aber der ist so hinter seinen Instrumenten versteckt, dass er auch eher unspannend bleibt. Einen Bassisten gibt es nicht. Um das auszugleichen, dreht die Band den Bass so auf, dass die Leute ordentlich durchgerüttelt werden. Das macht den Mix aber nicht besser, in diesem Fall wäre weniger wirklich mehr gewesen.

Phil versucht eine Verbindung zum Publikum herzustellen und fordert zum Mitsingen auf. Das Publikum bleibt jedoch still. Nach einer Aufforderung seinerseits zu springen, lassen sich einige aus dem Publikum kurzfristig dazu motivieren. Ansonsten bleibt es leider sehr ruhig im Saal. Phil wagt sich für den letzten Song in den Graben und wird von der ersten Reihe gefeiert. Nach einer halben Stunde ist das Konzert zu Ende. Ich bin froh über die Ruhe, denn obwohl die Musik ganz nett war, überforderte der übertriebene Bass meine Ohren.  


Die nächste Band, THORNHILL, tritt um 20:15 Uhr in Aktion. Die Band braucht keine große Leuchtreklame, sie scheint im Publikum auch ohne bekannt zu sein. Hier singt die Menge auch ohne Aufforderung mit und einige schütteln sogar den Kopf. Frontmann Jacob Charlton ist nicht ganz so aktiv wie sein Vorgänger und erinnert auf der Bühne an Alex Turner von den ARCTIC MONKEYS. Er kommt auch ohne Playback aus, hat eine gute Live-Stimme und beim vorletzten Song motiviert er das Publikum noch einmal, sich zu bewegen. Das Ergebnis ist ein halbherziger Moshpit in der Mitte der Halle, den ich kaum als solchen bezeichnen möchte. Nach dem letzten Song mit einem Pit, den man fast als Circle Pit bezeichnen könnte, fragt Jacob, ob es allen gut geht. Netter Gedanke, aber bei diesem Publikum dürfte kaum etwas passieren. Musikalisch entfernen sich die Australier glücklicherweise vom Pop der Vorband, Alternative bis Progressive Metalcore dröhnt jetzt aus den Boxen. Hier fühle ich mich besser aufgehoben, aber vom Hocker reißen können mich die Melbourner auch nicht.

Es folgt eine halbstündige Umbaupause, dann ist es endlich Zeit für den Headliner HOLDING ABSENCE. In der Pause komme ich mit einer jungen Fotografin ins Gespräch. Bethan Miller, Tourfotografin der Band, hat in Kooperation mit "The Name Game" eine Aktion ins Leben gerufen, die es Personen des unterrepräsentierten Geschlechts ermöglichen soll, HOLDING ABSENCE und die Vorbands zu fotografieren und dabei von Bethan kurz gecoacht zu werden. Zumindest in München scheint das geklappt zu haben, hier wurde Nachwuchs gefördert. Ein lobenswertes Engagement für eine gute Sache!

Pünktlich um 21:30 Uhr betritt HOLDING ABSENCE die Bühne. Sofort wird klar, dass hier eine Band von höherem Kaliber auftritt. Sänger Lucas Woodland ist ein perfekter Frontmann - zumindest soweit das möglich ist. Er hat Bühnenpräsenz, rennt herum, wirft sich in Posen und kickt. Das alles kann er, ohne dass es in die für die Hardcore-Szene typische Hyperaktivität ausartet und es passt hier auch gut zur Musik. Sein Gesang bleibt während seiner Performance hervorragend. Lucas legt sehr gut los, einige Passagen singt er etwas tiefer, aber insgesamt macht er stimmlich einen guten Eindruck. Der Auftritt startet mit zwei Liedern vom neuen Album "The Noble Art Of Self Destruction", mit denen ich noch nicht so vertraut bin. Der dritte Song 'Gravity' reißt mich dann vollkommen mit - die Jungs haben hier wirklich einen Hit auf die Setlist gesetzt. Das macht richtig Spaß und ich komme in die Bredouille, mich aufs Fotografieren zu konzentrieren und nicht mitzufeiern. Die sehr schöne und auch helle Lightshow kommt mir dabei sehr entgegen. Lucas unterstützt uns Fotografen auch und räumt immer seinen Mikrofonständer weg, der sonst vorne auf der Bühne im Bild stehen würde. Der Gitarrist und der Bassist posieren gelegentlich und schütteln den Kopf, bleiben aber meist im Hintergrund. Die Aufmerksamkeit liegt weiterhin auf Lucas. So kann ich HOLDING ABSENCE richtig genießen!
Nach ein paar weiteren Liedern richtet Lucas einige Worte ans Publikum, dankt den Vorbands und überbrückt kurz die Zeit, denn es scheint technische Probleme zu geben. Diese werden jedoch schnell behoben und es geht weiter mit 'In Circles'. Das ist nicht nur für mich ein Highlight, sondern auch das Publikum ist begeistert, singt mit, tanzt und springt.

Anschließend spricht er erneut zum Publikum, dankt den Fans - sowohl neuen als auch alten - und lobt die deutsche Küche. Hier wird gutes Essen serviert, auch wenn die Shows mal nicht so gut laufen. Es wird betont, dass bei Auftritten von HOLDING ABSENCE jeder willkommen ist, unabhängig von Geschlecht, sexueller Orientierung, etc.

Als besonderer Teil des Konzerts wird 'Like A Shadow' als Akustik-Version gespielt. Das Lied vom 2019er Album "Holding Absence" ist allgemein bekannt und wird von vielen im Publikum lauthals mitgesungen. Wer den Text nicht auswendig kennt, kann immer noch mitklatschen. Die Stimmung ist einfach unglaublich! Genau für solche Erlebnisse gibt es Live-Musik. Vom neuen Album folgt 'Honey Moon', wofür Lucas selbst eine Akustik-Gitarre in die Hand nimmt und es trotzdem schafft, eine gute Bühnenperformance abzuliefern. Diese fällt, passend zu den nun folgenden ruhigeren Liedern und limitiert durch das Instrument, reduzierter aus.
Die ersten Töne von 'Wilt' erklingen. Das traurige Lied stellt den Tiefpunkt der Setliste dar, ist jedoch ein Meisterwerk und auch live ergreifend. Die Band verlässt die Bühne und es wird dunkel. Ist das Konzert vorbei? Nein! HOLDING ABSENCE kann uns nicht so stehen lassen. Das Ende von 'Wilt' geht in ein wunderschönes Zwischenspiel über und mündet in den 'Celebration Song'. Die Herren kommen zurück auf die Bühne und Lucas brüllt ins Mikrofon "I'm alive"! Die Menge spielt verrückt, die Stimmung steigt sofort wieder und das Lied ist für mich ein echter Gänsehautmoment. Auf der CD überspringe ich den Song oft, weil er zu eintönig ist, aber live gefällt er mir wegen der Energie des Publikums und der Band.  Bei dieser Gelegenheit kann es sich Lucas nicht verkneifen, einen Kick nach dem anderen zu machen.

Nach der Darbietung bedankt er sich sichtlich gerührt erneut beim Münchener Publikum, anschließend folgt ein weiterer Höhepunkt mit 'Afterlife'. Das Publikum bildet eine Wall of Death und ein paar Crowdsurfer machen sich auf den Weg nach vorne. Gut, dass die Backstage-Halle heute mit einem Graben und zusätzlicher Security ausgestattet ist. Der Abend wird mit dem ruhigeren Song 'The Angel In The Marble' abgeschlossen. Ein schönes Ende für ein grandioses Konzert.

HOLDING ABSENCE konnte mich letztendlich doch noch überzeugen. Beim letzten Auftritt der Band als Vorband von ELECTRIC CALLBOY war ich von Lucas' Stimme etwas enttäuscht. Bei diesem Auftritt ist sie besser, aber manchmal sind dieselben Symptome, die mir damals auffielen, noch hörbar. Lucas singt weniger klar, er spricht manchmal anstatt zu singen und manche Passagen werden etwas tiefer gesungen. Der Auftritt beansprucht seine Stimme enorm, man hört, wie sie im Laufe des Konzertes abnimmt. Wenige Tage nach diesem Konzert wurde der Züricher Termin aufgrund von gesundheitlichen Bedenken und Stimmbelastung abgesagt. Es ist zu hoffen, dass sich Lucas und seine Band in der Zeit des abgesagten Konzerts erholen konnten und die Tour erfolgreich fortgesetzt werden kann, denn HOLDING ABSENCE ist live wirklich sehenswert und es wäre schade, wenn noch mehr Fans darauf verzichten müssten.

Die Setliste ist intelligent zusammengestellt und ermöglicht eine flüssige Stimmungschoreographie für den Auftritt. Anfangs sind die Lieder flotter, nach der Mitte wird die Stimmung im Song 'Like A Shadow' gesenkt und erreicht ihren Tiefpunkt in 'Wilt'. Danach folgt das Zwischenspiel 'Awake', das eigentlich das Intro von "The Greatest Mistake Of My Life" ist. Damit wird eine Brücke geschlagen und die Stimmung steigt im Song 'Celebration Song' wieder. Die Hälfte der Lieder stammt vom neuen Album "The Noble Art Of Self Destruction", dessen Design sich auch in den Bühnenoutfits der Bandmitglieder mit Blau- und Goldspritzern widerspiegelt. Die restlichen Lieder sind eine Mischung aus den bisherigen Werken der und Bei der Auswahl liegt der Fokus auf den populärsten Songs, was eine sinnvolle Entscheidung ist. Das Publikum nimmt die älteren Songs insgesamt besser auf.

Setliste: Head Prison Blues; A Crooked Melody; Gravity; Aching Longing; False Dawn; Scissors; Her Wings; In Circles; Like A Shadow; Honey Moon; Wilt; Awake; Celebration Song; Afterlife; The Angel In The Marble

Die eröffnenden Bands waren zwar nicht herausragend, aber konnten das Publikum gut auf HOLDING ABSENCE einstimmen. Der Auftritt des Headliners war jedoch der absolute Höhepunkt, der mir nach meinem letzten Erlebnis in München zeigt, dass die Band noch immer großartig ist. Die Security und das Backstage lassen keine Wünsche offen, hier läuft wie immer alles reibungslos. Deshalb komme ich gerne wieder ins Backstage - lange wird es nicht mehr dauern, die nächsten Konzerttermine warten schon.

Redakteur:
Noah-Manuel Heim

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