JUDAS PRIEST und UFO - Stuttgart

20.12.2015 | 21:12

14.12.2015, Hanns-Martin-Schleyer-Halle

Eine Legende lädt zur "Redeemer Of Souls"-Tour.

JUDAS PRIEST kommt mal wieder für zwei Konzerte nach Deutschland, und alle, alle kommen. Na ja, oder auch nicht. Die Hanns-Martin-Schleyer-Halle ist dann doch etwas überdimensioniert für den heutigen Publikumszuspruch. Andererseits sind etwa 4000 Besucher bei Ticketpreisen von 62 Euro auch nicht ganz schlecht. Man muss eben attestieren, dass das Publikum mit seinen Heroen altert. Ich sehe nur wenige junge Leute, aber zahlreiche Rocker gesetzten Alters. Was soll man auch erwarten. JUDAS PRIEST hat Musikgeschichte geschrieben, war Vorreiter, aber seit 25 Jahren ist der Drive weitesgehend raus, was Innovation angeht. Die Trennung, die Wiedervereinigung, der Weggang von KK Downing, das alles kann einer jungen Band Kraft gegen, Mut und Experimentierfreude. Oder es kann, wie im Fall von PRIEST, zu einem gewissen Stillstand führen. Man knüpfte eben wieder da an, wo man aufgehört hatte. Bekannte Strukturen, alte Trademarks, gewohntes Futter für den Bandjünger, und damit zementiert man sich seine Fanbasis genauso wie die Mauern um das eigene Schaffen, die es jüngeren Musikliebhabern schwer machen, Zugang zu der Band zu finden. Denn bestenfalls klingt man nach den Neunzigern, oftmals aber sogar nach noch früheren Zeiten. Mit dem durchwachsenen "Nostradamus", mit dem man sich doch ein wenig übernommen hatte, und der neuen, perfekteren Rückkehr zu den Frühzeiten und der damit einhergehenden Kapitulation der Band, die nun wohl endgültig damit abgefunden hat, von der Substanz der großen Zeit zu leben, ist man in der Jetztzeit ein Relikt. Aber eines, dass immerhin Tausende in die Hallen pilgern lässt.

Unter diesen Voraussetzungen muss man JUDAS PRIEST anno 2015 sehen. Doch bevor es losgeht, darf erst einmal UFO die Meute anheizen. Als Vorband ist die Kapelle eigentlich auch deplatziert. Mit mehr als 20 Studioalben ist es mehr als verwunderlich, dass sie als Support unterwegs ist. Aber so viele Menschen kommen nicht zu ihren eigenen Auftritten, sodass die Musiker sich nicht zu schade sind, zu eröffnen. Ich bin beeindruckt. Zumal sich Gassenhauer wie 'Only You Can Rock Me', 'Lights Out' oder 'Rock Bottom' nicht hinter den Großtaten der Hauptband verstecken müssen. Sogar das recht neue 'Burn Your House Down' erweist sich als echter Volltreffer! Fast eine Stunde lang darf Phil Mogg mit seinen Mannen rocken und trifft den Nerv vieler Anwesender. Dabei wird die Musik rein und ohne Schnickschnack dargeboten, Sänger Mogg ganz in schwarz schwingt den Mikroständer, aber hauptsächlich zieht Vinnie Moore, der auch schon mehr als zehn Jahre bei der Band ist, am linken Bühnenrand mal heftig, mal bluesig mit offensichtlichem Spaß am Set die Aufmerksamkeit auf sich. Eine starke Leistung, und leider viel zu kurz. UFO unter zwei Stunden ist einfach unbefriedigend. Aber dennoch toll.
Setliste: Mother Mary, Run Boy Run, Lights Out, Venus, Only You Can Rock Me, Burn Your House Down, Let It Roll, Messiah of Love, Rock Bottom, Doctor Doctor

Dann aber JUDAS PRIEST. Ich erwarte also nichts anderes als eine Best-Of-Show, Gassenhauer der Achtziger, angereichert mit ein paar aktuellen Liedern des neuen Albums "Redeemer Of Souls", was genauso unvermeidlich wie begrüßenswert ist, da ich üblicherweise kein Freund von ewig gestrig geprägten Shows bin. Was aber deutlich meiner Einleitung widerspricht. Da ich PRIEST jetzt auch schon fast fünfzehn Jahre lang nicht gesehen habe, kann ich gut mit einer solchen Historienreise leben. Zuerst aber gibt es 'War Pigs' vom Band. Seltsame Wahl, aber ein tolles Lied. Das aber nach der Hälfte ausgeblendet wird, dann kommt ein weiteres Lied vom Band, nämlich 'Battle Cry'. Das hat jetzt etwas von Kasperltheater. Vielleicht könnten wir jetzt mal loslegen? Glücklicherweise scheint das nun auch die Band zu meinen, denn mit 'Dragonaut' vom aktuellen Album geht es in die Vollen. Schnell, kraftvoll, typisch. Das Lied hätte genauso gut 1991 geschrieben worden sein können. Auf der großen Leinwand hinter der Bühne und auf zwei kleineren links und rechts hinter den Musikern werden Bilder eingespielt, die die Songs unterstützen sollen. Eine gute Idee, wobei die Qualität der Einspieler von mäßiger Qualität ist. Einige sehen aus, als wären sie aus billigsten Computerspielen kopiert. Aber das steht nicht im Mittelpunkt, auch die Tatsache, dass sich immer die gleichen Bilder wiederholen, kann mich nicht stören. Dass Rob Halford allerdings zu singen beginnt, bevor er auf der Bühne erscheint, irritiert etwas. Im linken Bühnenteil gibt es einen schwarzen Vorhang, hinter dem der Metal God zwischen den Liedern immer wieder verschwindet. Manchmal, um seine Garberobe zu wechseln, manchmal um... ja, warum weiß ich auch nicht. Später berichtet Halford, dass er einen grippalen Infekt hat, was vielleicht seine Abwesenheitsphasen erklärt. Trotzdem ist das etwas merkwürdig. Dafür singt er aber wirklich gut, und sogar die hohen Schreie in 'Screaming For Vengeance' sitzen nahezu perfekt.

Die Setliste ist genau das, was ich erwartet hatte. Drei Songs vom aktuellen Album, darunter das mit wirklich scheußlichen billig-kitschigen Bildern auf der Leinwand unterstütze 'Halls Of Valhalla', lockern die Reise in die Vergangenheit auf. Aber ganz auf Nummer sicher geht die Band dann doch nicht. Tatsächlich wird kein einziger Track von "Defenders Of The Faith" gespielt, und mit 'The Rage' habe ich auch nicht gerechnet. Auch ein frühes 'Desert Plains' erfreut und verwundert. Ansonsten herrschen natürlich Klassiker, die das Publikum zu Begeisterungsstürmen hinreißen. Es besteht kein Zweifel, dass JUDAS PRIEST eine der größten Gitarrenbands aller Zeiten ist. Simpel, aber effektiv, und kraftvoll! Rob Halford stapft über die Bühne, Doppel-Leads schrillen durch die Halle, und auch die Harley kommt wieder zum Einsatz. Es ist ansteckend, man kann sich dem Sog einiger der größten Metalhymnen aller Zeiten nicht entziehen. 'Breaking The Law', 'Painkiller', 'You’ve Got Another Thing Comin'' – der Fundus der Band ist unermesslich. Und leider zu groß, um heute Abend erschöpfend abgehandelt zu werden. Für jeden Klassiker, der gespielt wird, vermisst jeder im Publikum zwei, die es nicht auf die Setliste geschafft haben. So wählt keine Band auf Abschiedstour ihre Setliste aus. Wie es aussieht, will JUDAS PRIEST noch eine Weile bei uns bleiben. Schön, denn das Ganze mag unoriginell sein, aber es ist eine der großen Metalshows, die alles vereint, was die reine Lehre des Genres ausmacht. Daran können auch die eher furchtbaren Filmchen im Hintergrund nichts ändern und auch die Tatsache nicht, dass der Soundmann im Verlauf des Sets immer lauter dreht, so lange, bis es mir unangenehm wird. Vielleicht hätte ihm mal jemand sagen sollen, dass die Halle nur halbvoll ist. Leider ist bereits nach etwa 90 Minuten Schluss. Aber ich denke, die Band wird in nicht allzu langer Zeit wiederkommen, und dann erwarte ich einen Teil der fehlenden unsterblichen Songs!
Setliste: Dragonaut, Metal Gods, Desert Plains, Victim of Changes, Halls of Valhalla, The Rage, Turbo Lover, Redeemer of Souls, Beyond the Realms of Death, Screaming for Vengeance, Breaking the Law, Hell Bent for Leather, Zugabe: The Hellion, Electric Eye, You've Got Another Thing Comin', Painkiller, Living After Midnight

Redakteur:
Frank Jaeger
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