KILLSWITCH ENGAGE - Köln

25.05.2013 | 00:01

30.04.2013, Essigfabrik

Besser als je zuvor?

Jesse Leach, der Mann, der das legendäre "Alive Or Just Breathing" eingebrüllt hat, ist zurück. Das weckt Erwartungen an neues Material, die das neue Album "Disarm The Descent" größtenteils erfüllt haben dürfte, insbesondere aber auch an die Live-Shows. Die alten KILLSWITCH ENGAGE-Fans (und junge, die das Genrealbum schlechthin ebenfalls lieben) hoffen, Songs der Marke 'Fixation On The Darkness', 'Temple From Within' oder auch 'My Last Serenade' endlich mit der Brachialität präsentiert zu bekommen, die ihnen gebührt. Im direkten Vergleich zu seinem Vorgänger (bzw. Nachfolger) Howard Jones kann man nämlich vereinfacht sagen, dass er diesem beim Shouting über- und beim Klargesang unterlegen ist. Insofern ist die Frage, ob Jesse die Howard-Nummern sauber und ausdrucksstark auf die Reihe bekommt, besonders spannend. Eine ausverkaufte Kölner Essigfabrik, die mit KSE in den Mai moshen möchte, spricht jedenfalls in gewisser Weise auch schon für sich.

Vorab haben HEARTIST die Chance, sich zu präsentieren. Das tun sie mit ihrem modernem Metalcore / Deathcore-Stil auch weitgehend sehr gut, wobei man leider konstatieren muss, dass sie aus der Masse an Bands in diesem Sektor genau null Milimeter herausragen. Ihr professionelles, ambitioniertes und teils wirklich partywütiges Auftreten macht schon etwas her, allerdings haben sie mit einem ziemlich schlechten Sound zu kämpfen (viel zu viel Bass!), was jedoch Viele im Publikum nicht davon abhält, die Band zu feiern. Es bleibt trotz eines ordentlichen Verabschiedungsapplauses leider die Erkenntnis, dass man sich eine Gruppe wie HEARTIST sehr gut mal live angucken kann, dort für eine weitergehende Auseinandersetzung aber keinerlei Haken verankert werden. Schade.

SYLOSIS gehen da schon anders zu Werke. Die überraschend stark im Thrash Metal verwurzelte Kombo hält trotz eines melodischen und modernen Anstrichs die Fahne mit der Aufschrift "Old School!" doch ziemlich weit nach oben. Das macht richtig Laune und treibt die Headbanger im Raum zur nahezu durchgängigen Aktivität ihrer Nackenmuskulatur, einige (jüngere) im Publikum können mit der Musik der Briten jedoch gar nichts anfangen und wünschen sich vermutlich den Beginn der KSE-Show herbei. Aber nichts da, SYLOSIS dürfen rund 40 Minuten Aufwärmsport für die Amerikaner betreiben und tun dies mit Bravour. Die Aussage des Metalheads, der unmittelbar nach dem Konzert an mir vorbeigeht und meint: "Uhm... Das war ja besser als KILLSWITCH gleich werden wird!", kann zumindest für den Moment unterschrieben werden – aber wir wissen schließlich beide nicht, was da gleich kommen wird.

Nach der Umbaupause sind wir dann endlich klüger: KILLSWITCH ENGAGE betreten die Bühne und feuern (zu meiner Verwunderung) den Opener des aktuellen Albums auf die feierwütige Meute los anstelle eines alten Songs. Das Kölner Publikum hat aber auch hieran sichtlich Freude, so dass schnell klar ist, in welche Richtung dieser Abend gehen wird. Beim folgenden 'A Bid Farewell', welche sicher eine der gesanglich schwierigeren Nummern im KSE-Repertoire ist, merkt man, wie sehr sich Jesse Leach im Klargesang verbessert hat. Das hat man bei TIMES OF GRACE schon hören dürfen, hier tritt er nun den endgültigen Beweis an. 'Fixation On The Darkness' ist dann der erhoffte Abriss-und-Schmacht-Fetzen, bei dem man einmal mehr feststellen muss, wie gut "Alive Or Just Breathing" doch ist.

Bandkopf Adam D.s Hang zu Spielereien und Albernheit ist allseits bekannt und trotzdem immer wieder gern gesehen. An diesen Blödeleien wirkt auch nichts künstlich, sondern der Mann scheint auch mit fortschreitendem Alter mächtig Spaß daran zu haben, dumme Posen abzuliefern, sinnentleerte Ansagen zu machen und ein Weizenbier nach dem nächsten zu stürzen. Die "spontane Komposition" eines Lobliebes auf Deutschland schließt sich hier nahtlos an. Wenn er sich jedoch beim Publikum und seinen Bandkollegen bedankt, merkt man sofort, wie viel ihm diese ganze Angelegenheit doch bedeutet. Ein sympathischer Mensch, der sein Herz auf der Zunge trägt.

Die verbliebenen drei Bandmitglieder, über die hier noch keine vertiefenden Worte verloren wurden, liefern eine nicht minder energiegeladene Performance ab, stehen dabei aber eben nicht derartig im Fokus. Dafür leben sie dieses wahnsinnige Set, das KILLSWITCH ENGAGE heute Abend auffahren. Das letzte, ingesamt doch eher mäßig aufgenomme selbstbetitelte Werk, wird komplett außen vor gelassen, weshalb wir einen schönen Mix des aktuellen Albums mit "Alive Or Just Breathing" (wobei frevelhafterweise 'Temple From Within' vergessen wird!) serviert bekommen, garniert mit dem besten von "The End Of Heartache" und "As Daylight Dies". Und man merkt, wie sehr sie damit in Schwarze treffen.

Dass ein partywütiges Publikum bei einer toll aufgelegten Band steil gehen kann, ist weder verwunderlich noch neu, weshalb die Moshpits und das wilde Headbangen für mich gar nicht das Bemerkenswerte an diesem Abend sind. Auffällig ist dafür, wie viele Menschen so ziemlich alle Songs aus voller Kehle mitsingen, ganz egal ob alt, ob neu. Das habe ich in dieser Form lange nicht mehr erlebt. Dies sind die Dinge, die aus einem makellosen Konzert eine unvergessliche Nacht machen. Das i-Tüpfelchen sind dann Sound sowie Lichtshow, die das ganze Erlebnis noch intensiver und deutlicher werden lassen.

Diese wird standesgemäß von 'The End Of Heartache' und als Zugabe 'My Last Serenade' beschlossen. Tosender Applaus, freudige Gesichter überall, alles wunderbar. In dieser bestechend guten Form habe ich KILLSWITCH ENGAGE mit Howard Jones nicht gesehen, weshalb man sich ganz einfach auf die Zukunft mit weiteren Platten und Konzerten freuen darf. Gelebte Musik in dieser Form macht nämlich einfach glücklich.

Setlist: The Hell in Me, A Bid Farewell, Fixation on the Darkness, The New Awakening, Life to Lifeless, No End in Sight, Take This Oath, The Arms of Sorrow, This Is Absolution, All We Have, Rose of Sharyn, Numbered Days, Self Revolution, In Due Time, My Curse, The End of Heartache. Zugabe: My Last Serenade.

Redakteur:
Oliver Paßgang

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