Keep It True XVIII - Königshofen
06.05.2015 | 14:5424.04.2015, Tauber-Franken-Halle
Das Kultfestival für den traditionell-stählernen Untergrund geht in die achtzehnte Runde.
Wie immer ist es ausverkauft, wie immer trifft sich der traditionsmetallische Untergrund im April in Königshofen, und wie immer präsentieren uns Oliver Weinsheimer, Tarek Maghary und ihr "Keep It True"-Team einige mittlere bis größere Sensationen, die man in dieser Weise selten bis nie zu sehen bekommt. Die Headliner haben es in sich, denn mit RIOT V ist stets Qualitätsstahl garantiert, der knapp vier Dekaden Metalgeschichte umspannt, und wenn die kanadischen Speed-Metal-Veteranen von EXCITER nach 30 Jahren erstmals wieder im Original-Line-up europäische Bühnen betreten, dann ist das natürlich ein besonders spannender Moment. M-PIRE OF EVIL hat eine venominöse Überaschung in petto, Stammgast Harry Conklin beehrt uns heuer mit TITAN FORCE, und wer von euch hat schon mal die US-Metaller von HEATHENS RAGE oder die NWoBHM-Kämpfer von FIST live gesehen? Dazu hat der Uli Jon Roth uns ein klassisches SCORPIONS-Set versprochen, und natürlich macht das KIT auch 2015 nicht halt vor vielverprechenden Newcomern, welche stolz das Banner des wahren Stahls ins dritte Jahrtausend tragen wie die Griechen von SACRAL RAGE, die Portugiesen von THE UNHOLY, die Peruaner von COBRA oder die Finnen von MAUSOLEUM GATE. Na eben, ihr seht, es wird spannend, international geht es zu, alt und jung gemischt, es wird sicher toll, und deshalb nehmen wir euch mit zum KIT XVIII, vor die Bühne, auf den wie immer gut bestückten Metalmarkt, in den neu eingerichteten Biergarten, ins liebliche Taubertal, ja, ins Headbanger-Paradies eben.
Die Ehre, das diesjährige KIT zu eröffnen, fällt den Griechen SACRAL RAGE zu. Während im Hintergrund noch die Schlacht um die letzten Tickets für das nächste Jahr tobt, betreten die Herren Musiker die Bühne, um ohne viel Federlesen ihren komplexen, durchdachten US-Style-Metal auf das Publikum loszulassen. Der Stil der Band orientiert sich an den vertrackteren Vertretern der amerikanischen Metallmusik, erreicht zwar nicht die Sphären von WATCHTOWER, mit REALM, TOXIK oder HADES kann die junge Truppe aber jetzt schon mithalten. Bereits nach wenigen Takten ist klar, dass die Griechen einige Zeit im Proberaum verbracht haben, denn die vertrackten Songs werden alle sauber und auf den Punkt gespielt. So ist es denn auch vor allem die Kunstfertigkeit der Musiker, die es schafft, Energie und instrumentale Finesse packend zu kombinieren, und die langsam wachsende Zuschauermenge zu fesseln. Hier wird uns die Art Metal geboten, die es nur auf wenigen Festivalbühnen zu bestaunen gibt, von einer Nachwuchsband, die verdammt reif wirkt. Die letzten Spuren der Warm-up-Party werden so in Windeseile durch Headbangen für Fortgeschrittene vertrieben, denn um den Taktfolgen der Musik zu folgen, ist einiges an Konzentration nötig. Als wäre das Gebotene so nicht schon stark genug, hat man sich einen Gast auf die Bühne geladen: Sangeslegende Alan Tecchio stürmt auf die Bretter, um mit SACRAL RAGE 'The Leaders' seiner alten Band HADES in einer Version abzufeuern, die dem Original durchaus das Wasser reichen kann. Spätestens jetzt wird allen Anwesenden klar, dass SACRAL RAGE im Kreis der ganz feinen US-Metal-Bands angekommen ist, dort wo sich verzwirbelte Riffs, sirenenhafter Gesang und die Energie des ursprünglichen Thrashs zu einer schweißtreibenden Mischung verbinden, die live noch mehr begeistert als auf Tonträger. SACRAL RAGE besteht die Feuertaufe auf dem KIT mit Bravour und ich freue mich auf die Zukunft dieser Band, die strahlender kaum sein könnte.
Setlist: Harbinger, En Cima Del Mal, Panic In Urals (Burning Sky), Lost Chapter E: Sutratma, A Tyrannous Revolt, Lost Chapter E: Amarna's Reign, The Leaders? (HADES-Cover feat. Alan Tecchio), Return Of The Dead, Foreshadower, Master Of A Darker Light
Nach den hibbeligen Griechen darf mit THE UNHOLY aus Portugal das nächste EU-Krisenland zeigen, was es musikalisch so zu bieten hat. Der gewählte Weg der Band um Sängerin Sara Steel fällt dabei deutlich gradliniger aus. Epic Metal und NWOBHM sind die hörbaren Haupteinflüsse, aus denen die Truppe einen druckvollen, straighten Sound zimmert, der von der charismatischen Frontfrau dominiert wird. Die Gute hat allerdings einiges an Mühe, das eher spärlich in der Halle verbliebene Publikum zu animieren. THE UNHOLY freut sich deutlich mehr darüber, in der Tauberfrankenhalle zu spielen, als sich die KIT-Besucher darüber freuen, dass THE UNHOLY hier spielt. Das ist schade, denn die Musik ist gut, die Band eingespielt und der Enthusiasmus der Musiker hörbar. Doch das sonnige Wetter und der Biergarten locken wohl zahlreiche Besucher fort von der Bühne und so bekommt der Auftritt weniger Aufmerksamkeit, als er verdient hätte. Erschwerend kommt noch hinzu, dass das Songmaterial, bis auf die drei Stücke der Demo-EP, wohl den meisten Anwesenden unbekannt ist, und ihr Mitsingpotential so mangels Textsicherheit versiegt. 'Open The Gates' oder 'She Comes From The Grave' können mich jedoch live mehr begeistern als auf CD und auch die stilistische Nähe zu den Landsmännern MIDNIGHT PRIEST, bei denen Gitarrist und Bassist von THE UNHOLY ebenfalls aktiv sind, stellt sich live als Stärke heraus. In puncto Coversongs zeigt sich die Truppe im Underground bewandert und zaubert 'Fight For Your Life' der RUFFIANS hervor, das dank größerer Bekanntheit ein paar Leute zum Mitsingen animieren kann. Den guten, aber wenig beachteten Auftritt beschließt der dritte Song vom Demo, 'Queen Of Thunder'.
Setlist: Open The Gates, She Comes From The Grave, Freeway Fighter, A Call From The Night, Fight For Your Life (RUFFIANS-Cover), Warriors, Tonight You Sleep In Hell, Queen Of Thunder
Nach dem durchschnittlichen Auftritt von THE UNHOLY läuft gleich das nach SACRAL RAGE zweite frühe Tageshighlight in Form von COBRA. Das peruanische Fünfergespann hat mit den ersten Takten gleich die Energie des bockstarken Zweitlings "To Hell" eingefangen und bringt die Halle mit einer unbändigen Spielfreude zumindest zum Köcheln. Mit 'Beyond The Curse', einem Achtminüter, zeigt die junge Truppe mit ganz viel Leidenschaft, wie man zeitgemäß die großen Helden in Erinnerung behalten kann, ohne dabei altbacken zu klingen. Neben der tighten Instrumentalfraktion begeistert mich immer wieder Harry El Sucio, der am Mikro noch abgedrehter und wilder rüberkommt als auf Konserve. Auch ältere Songs wie 'The Roadrunner' oder 'Denim Attack' sind dem Publikum ein gefundenes Fressen. COBRA ist absolut keine Ausnahme, wenn es darum geht, die jungen wilden Bands zur Mittagszeit abzufeiern. Quasi ohne Verschnaufpause geht es durch den Gig, bei dem sich aber auch das SABBAT (JPN)-Cover 'Mion's Hill' so nahtlos ins Set einfügt, dass man den Lateinamerikanern ein fabelhaftes Händchen für die richtige Mischung attestieren muss. Im Köcher hat die Truppe mit den flitzfingerigen Gitarristen dann noch ein paar Pfeile, um dem Publikum die eigene Schokoladenseite zu präsentieren. 'Highland Warrior' und 'Inner Demon' herrschen nach allen Regeln der Kunst, das Fazit nach 45 schweißtreibenden Minuten kann nur positiv ausfallen. Hätte jetzt der Soundmensch noch die richtige Balance zwischen "laut" und "geil" gefunden, wäre ich total aus dem Häuschen. Ist aber verschmerzlich, denn dem soeben live bestätigten großartigen Eindruck der letzten Platte tut das keinen Abbruch.
Setlist: Beyond The Curse, The Roadrunner (Bite My Dust), Fallen Soldier, Denim Attack, Mion's Hill (SABBAT-Cover), Rough Riders, To Hell, Highland Warrior, Inner Demon
Als nächstes ist mit MINDLESS SINNER aus Schweden eine jener Überraschungen am Start, die das Salz in der tauberfränkischen Metalsuppe sind. Eine Band, die in den Achtzigern eine EP und ein Album veröffentlichte, die geschätzte 13 1/2 Fans besitzt und die nun, wider alle Erwartungen, von den Veranstaltern auf die Bühne geholt wurde. Und die Herren lassen sich nicht lumpen, sind mit einem Line-Up angetreten, das so auch schon größtenteils an der EP beteiligt war und sich für diesen Auftritt hörbar einige Stunden im Proberaum um die Ohren gehauen hat. So geht es direkt los mit dem, was selbst ich als jemand, der die Band nicht kennt, als den Sound der Truppe erwartet habe: gradliniger Eurometal alter Schule, mit hohem Gesang und einfachen, effektiven Riffs. Gut eingespielt und gut bei Stimme spielt sich MINDLESS SINNER in der folgenden Dreiviertelstunde durch den Löwenanteil des Bandmaterials und kann die Fans begeistern und die interessierten Zuschauer immerhin überzeugen. Doch, auch bei schlechter Luft und hohen Temperaturen in der Tauberfrankenhalle macht diese Musik eigentlich immer Spaß und mit einem kühlen Getränk lassen sich auch die atmosphärischen Störungen gut ertragen. Die Refrains sind einfach, die Faust reckt sich fast von selbst und beim abschließenden 'Here She Comes Again' kann man auch Neulinge wie mich zum Mitsingen animieren. Für MINDLESS SINNER auf und die Zuschauer vor der Bühne hat sich dieser Auftritt also mehr als gelohnt.
Setlist: We Go Together, I'm Gonna (Have Some Fun), Live And Die, Broken Freedom, Standing On The Stage,
Master Of Evil, Turn On The Power, Screaming For Mercy, Voice Of The Doomed, Here She Comes Again
Die legendäre deutsche Metallady Jutta Weinhold und ihre Band sind ja durchaus hin und wieder mal auf den Festivals der Republik zu sehen, doch leider hat es bei mir in den letzten Jahren kaum einmal geklappt, einen kompletten Auftritt der ehemaligen ZED YAGO-Frontfrau zu bewundern. Ein zu bekämpfender Missstand und daher habe ich mich auch entsprechend auf die heutige Show gefreut, die ja unter einem besonderen Vorzeichen steht, denn immerhin ist der legendäre ZED YAGO-Drummer und Juttas langjähriger Weggefährte Claus Reinholdt alias Bubi the Schmied wieder mit von der Partie, worüber der sich auch entsprechend freut, hat er doch immer wieder ein paar aufmunternde Worte fürs Publikum übrig. Auch Jutta selbst ist glänzend gelaunt und super in Form, sodass weder der Stimme noch der Performance anzumerken ist, dass die Gute schon seit 52 Jahren (ja, kein Witz!) auf der Bühne steht. Im Gegensatz zu manch männlichem Altersgenossen, dem der Lebenswandel übel mitgespielt hat, braucht Jutta keine Gehhilfen, kein Sauerstoffzelt, muss nicht am Mikro festgeschnallt werden und ist sich nicht zu schade über die Bühne zu toben, sich auf den Boden zu werfen und dabei auch noch mit ungebremster Power-Röhre zu singen, wie einst im Mai. Da auch der Rest der Truppe gut eingespielt ist, steht einem tollen Gig aber auch gar nichts im Wege, vor allem wenn man eben bedenkt, was für unfassbar gute Mitsinghymnen vor allem aus ZED YAGO-Zeiten zur Verfügung stehen. Dieses Füllhorn wird auch ordentlich angezapft, und so gibt es heute nichts von VELVET VIPER zu hören, und auch nichts von den zahlreichen anderen Projekten und Bands, die Jutta über die Jahrzehnte hatte, sondern eine reine ZED YAGO-Feier, welche die beiden Alben "From Over Yonder" und "Pilgrimage" ausgiebig mit jeweils vier Titeln würdigt. Dass Stücke wie das eröffnende 'Zed Yago', 'The Spell From Over Yonder' oder der Rausschmeißer 'Rocking For The Nation' von weiten Teilen der Halle recht euphorisch mitgesungen werden, spricht ebenso Bände wie die Tatsache, dass die Band zum 'Black Bone Song' gleich eine halbe Hundertschaft Kuttenträger zum Mitsingen auf die Bühne einlädt. Ja, so feiert man eine zünftige Metalparty mit tollen Hymnen, und es wird auch der eine oder andere Zweifler zugeben müssen, dass man mit dem etwas eingängigeren teutonischen Heavy Metal durchaus auch noch eine Schlacht gewinnen kann - vor allem wenn er so leidenschaftlich und mitreißend dargeboten wird wie von Jutta und ihren Freunden. Auch und gerade beim sonst gerne etwas mehr gen USA und Großbritannien schielenden "Keep It True".
Setlist: Zed Yago, The Fear Of Death, The Spell From Over Yonder, The Pale Man, The Man Who Stole The Holy Fire, Revenge, Black Bone Song, Rocking For The Nation
Die NWoBHM-Recken FIST hatte ich das letzte Mal im Jahr 2004 auf dem HOA gesehen. Damals konnte mich die Truppe mit ihrem druckvollen Sound mächtig beeindrucken und so bin ich auch heuer guter Dinge, erneut einen mitreißenden Auftritt serviert zu bekommen, obwohl wir eine deutlich veränderte Besetzung zu sehen bekommen sollen. Immerhin gibt es mit Drummer Harry "Hiroshima" Hill, dem Gitarristen Dave Irwin, sowie dem Bassisten Norman Appleby drei Musiker, die auf den ersten Alben der Band zu hören sind, zu bewundern. Lediglich Original-Sänger Keith Satchfield wird aktuell von Glenn S. Howes ersetzt, einem Sänger, der bereits für TYGERS OF PAN TANG, AVENGER und BLITZKRIEG live am Mikrophon zu hören war. Schon das Eröffnungdoppel aus 'The Vamp' und 'Dog Soldier' macht klar, dass die jetzige Besetzung weniger brachial zu Werke geht als die FIST, die ich vor 10 Jahren sah. Im Jahr 2015 orientiert man sich stärker am Originalsound und versprüht somit eine fast unbekümmerte Leichtigkeit. Das Publikum nimmt den warmen und irgendwie luftigen Sound der Band gut auf und so ist die Halle trotz des bombigen Wetters ziemlich gut gefüllt. Im weiteren Verlauf bietet das Quartett einen feinen Querschnitt der ersten beiden Alben "Turn The Hell On" und "Back With A Vengeance". Spätestens beim erst auf dem zweiten Album erschienen Titelsong der ersten Scheibe - diesen Joke fanden wir damals alle ziemlich cool - geht dann die Menge auch richtig mit und so entpuppt sich das rasante 'SS Giro' zu einem echten Luftgitarrenwedler. Ohne den Hit 'Hole In The Wall Gang' gespielt zu haben, beendet die Band ihren kurzweiligen Auftritt standesgemäß mit 'Name, Rank And Serial Number', welches von ein paar Hundert Kehlen mitgesungen wird. Feine Sache!
Setlist: The Vamp; Dog Soldier; Too Hot; Forever Amber; Turn The Hell On; Lost And Found; SS Giro; Name, Rank And Serial Number
Direkt nach den alten Helden aus UK betreten weitere alte Helden die Bühne. Dieses Mal aus Übersee. Die Rede ist selbstverständlich von ASHBURY, einer wundervollen Band, die 1983 mit ihrem ersten Album "Endless Skies" eigentlich meine Geschmacksknospen zum Blühen hätte bringen müssen. Entdeckt habe ich die Band allerdings erst vor wenigen Jahren, als das ursprünglich als Eigenpressung erschienene Album über Rockadrome Records endlich neu aufgelegt wurde. Bereits der Auftritt auf dem "Hammer Of Doom"-Festival war ein absoluter Gänsehaut-Gig und so ist meine Erwartungshaltung dieses Mal sehr hoch. Als die Herren dann mit dem ersten Knaller namens 'The Warning' in ihren Set einsteigen, knistert die Spannung in der brechend vollen Halle schon beachtlich. Der herrlich warme Klang der ASHBURY-Kompositionen breitet sich sofort über den Köpfen der Zuhörer aus und scheint jeden Anwesenden flugs einzufangen. Da stört die etwas statische Darbietung auch überhaupt nicht, was nur beweist, dass tolle Musik allein schon ausreicht, um ein fantastisches Konzerterlebnis zu erzeugen. Die beiden Davis-Brüder Rob und Randy wirken beinahe schüchtern in ihren Bewegungen und scheinen gar nicht zu verstehen, wie angesagt sie sind. Spätestens beim Überflieger 'Mystery Man' dreht die Halle dann völlig verzückt am Rad. Lautstark wird der Chorus vom Publikum intoniert, was dazu führt, dass die Musiker sich völlig entgeistert noch mehr ins Zeug zu legen scheinen. Irgendwann wird Simon von SPEEDBREAKER als weiterer Gitarrist auf die Bühne geholt. Dieser hat aber leider extreme technische Probleme, was dazu führt, dass er nicht besonders lange zu hören ist. Was bei anderen Bands zu Verwirrung führen würde, bleibt bei ASHBURY schlicht und einfach unerwähnt. Simon spielt ein bisschen Gitarre, während Randy seine Klampfe bei Seite legt, um als Sänger zu beweisen, dass er nicht weiß, wo er mit seinen Händen hin soll. Sehr sympathisch. Neben dem göttlichen Material des Fabelalbums "Endless Skies" gibt es mit 'Evacution Time' und 'Cold Light Of Day' auch zwei Nummern des zweiten Werkes "Something Funny Going On', welche nicht weniger abgefeiert werden. Als die Band unter frenetischem Beifall ihren grandiosen Auftritt mit einer Verbeugung vor ihren Helden beendet, liegt ihnen die komplette Halle zu Füßen. Niemand hat wohl damit gerechnet, heute 'Aqualung' hören zu dürfen. Riesengross!
Setlist: The Warning, Take Your Love Away, Hard Fight, No Mourning, Mystery Man, Evacuation Time, Madman,
Endless Skies, Cold Light of Day, Vengeance, Aqualung (JETHRO TULL-Cover)
Als der LEATHERWOLF die Bühnne betritt, spüre ich einen deutlichen Endorphin-Anstieg. Vor allem das zweite Album der Amis ist für mich ein Allzeitklassiker und die Darbietung beim "Bang Your Head" vor einigen Jahren - damals mit Wade Black am Mikro - hat gezeigt wie großartig die kraftvollen Hymnen der Truppe livehaftig klingen. Mit Originalsänger Michael Olivieri kann es also nur besser werden. Das sieht die Meute vor der Bühne durchaus ähnlich und feiert das Biest auf der Bühne vom ersten Ton des Openers 'Spiter' mächtig ab. Und doch wird schon hier und spätestens beim folgenden 'Rise Or Fall' ein Makel deutlich: Der Sound ist recht dürftig abgemischt. Vor allem die so essentiellen Backing-Vocals sind viel zu leise, dazu kommt ein so dominanter Bass, dass auch die drei Gitarren nicht voll zur Geltung kommen. Das nimmt den Songs einiges an Wucht. Zumindest Letzteres wird mit der Zeit besser und so werden Hymnen wie 'Thunder', 'Gypsies & Thieves' oder 'Kill And Kill Again' von hunderten Kehlen und mir lauthals mitgesungen. Das liegt auch an der agilen Meute auf den Brettern, die sich viel bewegt und ganz ohne künstliche Rockstarposen und in die Menge geworfene Sonnenbrillen auskommt. Sehr schön.
Dennoch fehlt der letzte Kick ein wenig, was neben dem Sound auch ein wenig an der Setlist liegt. Bereits an fünfter Stelle eine - wenngleich exzellente - Coverversion des JUDAS PRIEST-Klassikers 'Victim Of Changes' zu bringen, ist bei dem Repertoire an eigenen Hits eine fragwürdige Entscheidung. Dass dafür 'Cry Out', 'Share A Dream', 'The Hook' oder, oder, oder auf der Strecke bleiben, ist einfach schade. Auch den nur vom "Return Of The Living Dead, II"-Soundtrack bekannten Song 'Alone In The Dark' auszugraben, ist nicht die allerbeste Idee. Klar, die Nummer ist gut und auch eine echte Überraschung, aber killt ein wenig die Stimmung, weil er eben nicht so vielen Fans geläufig ist wie die Kompositionen der ersten drei Werke.
Der vielleicht größte Makel aber ist, dass das völlig famose 'Wicked Ways' zum Abschluss nur kurz angespielt und nicht in all seiner Pracht dargeboten wird. Spätestens an dieser Stelle wird die über sieben Minute lange Coverversion dann eben doch zu einem leichten Ärgernis. Dennoch bleibt unterm Strich ein guter Gig, dem zur totalen Ekstase der mäßige Sound und die etwas unglückliche Setlist im Weg stehen. Ich habe zumindest nicht gedacht, dass ich nach dieser Stunde behaupten würde, dass der Gig vor neun Jahren mit Wade Black besser war. Doch schon bei der späteren Analyse mit einigen Bekannten stehe ich mit dieser Meinung nicht mehr alleine dar.
Setlist: Spiter, Rise Or Fall, Street Ready, Thunder, Victim Of Changes (JUDAS PRIEST-Cover), Princess Of Love,
Kill And Kill Again, Gypsies And Thieves, Hideaway, Alone In The Night, The Calling, Wicked Ways
Dass das vermeintlich verscheuklappte Publikum auf dem "Keep It True"-Festival neben Stromgitarren-Gerumpel und Eierkneifer-Sängern auch ein offenes Ohr für sanftere Klänge hat, haben die phänomenalen Resonanzen auf SARACEN oder ASHBURY bereits eindeutig bewiesen. Nun steht eine absolute Gitarrenlegende auf der Bühne, denn anders kann man Uli Jon Roth, bei dessen namentlicher Erwähnung ganze Gitarristen-Schwadrone in Ehrfurcht auf die Knie fallen, nicht bezeichnen. Der gute Mann hat durch sein Spiel auf den frühen Scheiben der SCORPIONS eine so nachhaltige Duftmarke in der Welt der harten Rockmusik hinterlassen, dass er auch über 30 Jahre danach noch dafür bejubelt wird. Schon der extrem gelungene Einstieg mit dem nur auf "Tokyo Tapes" und als 7" erschienenen 'All Night Long' schraubt die eh schon hohe Erwartungshaltung noch weiter in die Höhe. Denn nicht nur Uli spielt von Beginn an wie in anderen Sphären, auch seine Begleitmusiker, die zum Teil der Band CRYSTAL BREED entstammen, musizieren extrem gefühlvoll und mitreißend. Allen voran Sänger Niklas Turmann, dessen kraftvolle Stimme ganz exzellent zu den alten SCORPIONS-Songs passt. Auch in den anschließenden Nummern - 'Pictured Life' und dem uralten 'Catch The Train' - schwebt der Geist der 70er Jahre durch die Veranstaltungshalle und es ist beinahe erstaunlich, wie frenetisch diese Songs sowohl von den grauhaarigen Freaks, wie auch von den jüngeren Fans gleichermaßen abgefeiert werden. Beim wundervollen 'Sails Of Charon' scheint der emotionale Damm zwischen Band und Publikum dann endgültig gebrochen zu sein, denn hier geht die komplette Halle steil. Diese Version ist aber auch einfach unfassbar toll. Der Spagat zwischen fünf Dekaden gelingt ULI JON ROTH mit einer spielerischen Leichtigkeit. Auch optisch. Er selbst wirkt in seinem kompletten Auftreten, seiner Gestik und natürlich seinem Spiel wie ein verträumtes Hippie-Genie, während seine weitaus jüngeren Mitmusiker eher aus dem Hier und Jetzt zu sein scheinen. Die Kombination ist Weltklasse. Wenn man denkt, es könne schöner nicht mehr werden, packt so ein Uli mal eben einen der besten Songs der 70er Jahre aus dem Ärmel. 'We'll Burn The Sky', schon von den SCORPIONS ganz wunderbar vorgetragen, ist in dieser Version mal ganz einfach der beste Song des Festivals. Mindestens. Hier stimmt einfach mal alles. Dieses astrale Wunderriff, bei dem wohl jeder schon mal feuchte Innenschenkel bekommen hat, dieser Spannungsbogen und dieser Chorus, den heute die komplette Halle mitsingt, all das zusammen ergibt hier und heute den perfekten Song. Boah, ey! Danach hätte ich auch mal kurz sterben können. Dass das nachfolgende Programm hier nicht mehr ganz anschließen kann, ist dann auch kein Manko, sondern schlicht und ergreifend eine Tatsache. 'In Trance' ist im direkten Anschluss an diesen Wundersong dann passende Überschrift für den Zuschauerzustand. Klug gewählt, Mister Roth! Danach zeigt der Meister allen Anwesenden, wie man so eine Gitarre richtig bedient, denn das letzte Drittel der Show bietet sehr viel Platz für Improvisationen. Als die Band nach 'Dark Lady' die Bühne verlässt, wollen die Rufe nach einer Zugabe nicht verstummen und so beendet Uli Jon Roth den Set mit einer fulminanten Coverversion von Bob Dylans 'All Along The Watchtower'. Sensationell!
Setlist: All Night Long, Pictured Life, Catch Your Train, The Sails Of Charon, Sun In My Hand, We'll Burn The Sky, In Trance, Acoustic Guitar Solo, Fly To The Rainbow, Top Of The Bill, Dark Lady, Zugabe: All Along The Watchtower (Bob-Dylan-Cover)
Da ich Uli Jon Roth zwar auch toll fand, aber persönlich nicht so die ganz enge Bindung an das SCORPIONS-Frühwerk habe, bin ich dennoch zuversichtlich, dass der Headliner des Freitags dem bisher Gesehenen doch noch eins draufsetzen kann. Denn immerhin handelt es sich um niemand anderes als EXCITER, Um die kanadische Kapelle, der zu Recht entscheidender Einfluss bei der Begründung des Speed-Metal-Genres zugeschrieben wird. Zwar konnte man die Band in den letzten 15 Jahren recht regelmäßig sehen, doch dieser Gig heute ist etwas ganz Besonderes, denn zum ersten Male seit 1985 sehen wir die Band wieder im Original-Line-up bestehend aus John Ricci (Gitarre), Dan Beehler (Gesang und Schlagzeug) sowie Alan Johnson (Bass). Und das Trio feuert eine Speed-Salve nach der anderen ab, als wäre es nie weg gewesen, und als wäre es das Selbstverständlichste der Welt. Nun, ist es wohl auch, wenn man EXCITER heißt. Auf jeden Fall scheint die Chemie zwischen den Wiedervereinigten zu stimmen, und es wird auch klar, dass der Versuch des letzten Line-ups, John Ricci aufs Abstellgleis zu schieben und alleine unter dem Bandnamen weiter zu machen, doch ein recht klägliches Unterfangen war. Nun haben wir also das Original-Trio zurück, die echten Drei, die naturgemäß ihren Set auch aus den drei gemeinsam eingespielten Alben "Heavy Metal Maniac" (1983), "Violence & Force" (1984) und "Long Live The Loud" (1985) zusammenstellen, die etwa im gleichen Umfang berücksichtigt werden. Das ist einerseits toll, denn die Reihe der Speed-Metal-Klassiker die sich hier die Klinke in die Hand reichen, ist schon mehr als beachtlich. Doch andererseits hat man als langjähriger EXCITER-Fan, der die Band eben nicht seit 1986 abgeschrieben hat, auch ein Tränchen im Knopfloch, weil er weiß, dass er von diesem Line-up wohl nie mehr die Hits der Bélanger-Ära zu hören bekommen wird, die ja auch nicht von schlechten Eltern waren. Das, sowie John Riccis eher als gescheitert zu wertender Versuch, nach dem Auftritt des Herrn Uli Jon Roth die müde Menge noch mit einem eher schief geschraddelten Gitarrensolo begeistern zu können, sind die zaghaften Kritikpunkte an einem ansonsten sehr gelungenen Auftritt, der EXCITER nach einigen doch eher kargen Jahren nach Bélangers Weggang doch wieder zurück an die Speerspitze des Speed Metals bringen könnte, wenn das Trio dem beachtlichen Livegig nun auch noch ein tolles neues Album zur Seite stellt. Denn Charisma und Sympathiepunkte bringen John, Alan und Gesangstrommler Dan auf jeden Fall zur Genüge mit. Das sieht auch der Rest des Publikums so, denn abgesehen von den ausgelaugten Kämpfern, denen der Speed-Abriss gegen Mitternacht dann doch zu anstrengend wurde, ist der harte Kern der Headbanger noch willens, die Band zu zwei Zugaben zurück auf die Bühne zu bitten, die es mit 'Evil Sinner' und 'Swords Of Darkness' dann auch gibt.
Setlist: Fall Out, Stand Up And Fight, Heavy Metal Maniac, Iron Dogs, Delivering To The Master, Victims Of Sacrifice, Violence & Force, Rising Of The Dead, Black Witch, Scream In The Night, Pounding Metal, Guitar Solo
Beyond The Gates Of Doom, I Am The Beast, Long Live The Loud, Zugabe: Evil Sinner, Zugabe 2: Swords Of Darkness
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- Redakteur:
- Rüdiger Stehle