PHILLIP BOA - Leipzig

07.01.2011 | 11:58

27.12.2010, Moritzbastei

Leipzig versinkt im Schnee. Ganz Leipzig?

An Weihnachten ist alles anders. Und das seit zehn Jahren. Zumindest gilt das für die legendären Weihnachtskonzerte eines gewissen PHILLIP BOA. Der kommt nämlich nach dem Weihnachtsmann für drei Tage in die Leipziger Moritzbastei, um mit seinen Fans das Jahr musikalisch ausklingen zu lassen. Okay, die "Tonne" ist nicht sehr groß, dennoch sind die Konzerte regelmäßig ausverkauft. Wer diese Auftritte erlebt hat beziehungsweise sie mit einem "normalen" BOA-Konzert vergleicht, weiß, warum. Der Meister lässt an den drei Tagen die Sau raus, gibt sich locker und gesprächig, und so mancher Song wird anders und vor allem härter gespielt als sonst. Und: Pogo bei PHILLIP BOA hat man auch nicht alle Tage.

Genauso unbekümmert wie die Musiker sind die Gäste. Wer hier nur schwarze Kuttenträger vermutet, wird eines Besseren belehrt. Bunt gekleidet und aus fast allen Altersschichten sind sie gekommen, um nach den ruhigen Tagen bei guter Musik abzufeiern. Wer bis vor die Bühne kommt, der hat doppeltes Glück. Zum einen hat er eine der begehrten Karten ergattert, und zum anderen ist er aus den tief verschneiten Weiten Leipzigs und des angrenzenden Umlandes gekommen. Noch kurz zuvor hatte es reichlich von der weißen Pracht gegeben, und der Winterdienst kann ja auch nicht überall gleichzeitig sein. Da gestaltet sich die Anreise mehr als beschwerlich, und die Erleichterung ist groß, als die Lokalität endlich erreicht ist.

Den Abend eröffnen wie bereits am Vortag BEANGROWERS. Das Trio aus Malta präsentiert Indie Rock der ruhigeren Sorte. Etwas melancholisch, dafür sehr authentisch geben sich die drei vor dem Publikum. Die "Tonne" ist für diese Zeit schon sehr gut gefüllt, und Sängerin Alison Galea hat die Besucher gut im Griff und auf ihrer Seite. Das ist kein Wunder, denn für die Fans ist sie keine Unbekannte. Die Band war nicht nur mit PHILLIP BOA auf Tour, sondern Alison sang vor Jahren beim "Voodooclub", als sich Herr Boa und Frau Lund gerade nicht mochten. Aber scheinbar sind alle Probleme aus der Welt geräumt, ansonsten würden sie und die beiden Jungs sicher nicht hier spielen. Den Zuschauern ist das relativ egal, sie lauschen dem anmutigen und verträumten Gesang von Fräulein Galea, die gleichzeitig so manchem männlichen Besucher den Kopf verdreht. Nach einer guten Dreiviertelstunde verabschieden sich die Malteser von der Bühne und ernten herzlichen Applaus.

Nach einer kurzen Pause geht es endlich los. Es wird dunkel, und die Anwesenden beklatschen die Band während des Intros. Die frenetischen "Boa!"-Rufe lassen erahnen, dass es heute (wie immer) ausgelassen und fröhlich zugehen wird. Die Tage, als der Musiker schon mal ein Konzert abrupt beendete, sind Gott sei Dank vorbei. Trotz allem werden die Gäste mittels diverser Zettel gebeten, kein Blitzlicht zu verwenden, da der Herr Musiker das nicht leiden kann. Ob sich alle daran halten?

Als die Band auf die Bühne kommt und die ersten Töne von 'Bells Of Sweetness' erklingen, gibt es kein Halten mehr! Es wird ausgelassen getanzt, und diese geniale Stimmung zieht sich durch das gesamte Konzert. Zwischendurch erzählt er immer wieder lustige Dinge und ermahnt die, die es mit dem Blitzen einfach nicht lassen können. Sie ernten später Boas Mittelfinger. Gut, das ist immer noch besser als ein Konzertabbruch. Doch so weit kommt es heute nicht mehr.

Die Fans danken es ihm mit wahren Begeisterungsstürmen nach jedem Song, und Boa stachelt die Masse auch oft noch einmal an. Um wenigstens etwas weihnachtliche Stimmung zu verbreiten, spielen sie das ruhige 'Lord Have Mercy With The 1-Eyed'. Für die Tanzmeute bedeutet das eine kleine Pause, doch sie währt nur kurz, da im Anschluss 'Fine Art In Silver' folgt.

Neben den typischen Gassenhauern à la 'This is Michael' oder 'The Black Tiger' gibt es Kultsongs der Marke 'Albert Is A Headbanger' oder 'Deep In Velvet' auf die Ohren. Letzterer Song wird toll vorgetragen und erzeugt wohl bei jedem eine Gänsehaut. Einfach herrlich!

Die Mischung aus schnellen, tanzbaren Songs und ruhigen und verträumten Stücken ist goldrichtig. Mit 'International Moskito' wird das Programm um einen selten gespielten Track wunderbar ergänzt.

Nach eineinhalb Stunden verkündet Boa das Ende des Konzertes, und bei 'Container Love' können alle noch einmal lauthals mitsingen.

Natürlich ist das nicht das Ende, schließlich fehlen noch wichtige Lieder. Die Band verlässt dennoch erst einmal die Bühne, und es dauert nicht lange, bis die ersten "Zugabe!"-Rufe ertönen. Die Stimmung ist immer noch prächtig, und als die Musiker wiederkommen, wird es noch mal lauter. Für 'Rome In The Rain' und 'So What' wird Alison als Sängerin angekündigt, die Pia Lund würdig vertritt.

Mit fortschreitender Zeit und erhöhtem Rotweinspiegel wirkt Boas Zunge leicht verknotet, denn die Ansagen zwischen den Liedern sind nur noch schwer zu verstehen. Keine Ahnung, ob das gespielt ist, jedenfalls singt er jetzt besser und verständlicher, als er redet. Sei's drum, die Fans sind glücklich mit der Musik, und nach den Stücken sind immer wieder Rufe mit "Pia!" und "Meister!" zu vernehmen. Der Saal kocht, und als 'And Then She Kissed Her' angestimmt wird, gibt es keinen, der nicht mitsingt und tanzt. Gemeinsam liegt man sich mit dem Nachbarn in den Armen, und die Glitzerkugel an der Decke lässt ein bisschen Schülerdisco-Atmosphäre aufkommen. Jedenfalls werden alte Erinnerungen wach.

Mit der Ankündigung, dass jetzt aber Schluss ist, wird man jäh aus seinem Traum gerissen. Also wirklich, das muss doch nicht sein. Und will Herr Boa etwa zum Zehnjährigen mit alten Traditionen brechen und den Rausschmeißer 'Kill Your Ideals' nicht spielen? Keine Sorge, er wollte die Gäste nur wieder etwas provozieren, denn selbstverständlich bekommen sie ihn zu hören. Fast jeder singt den Refrain mit, und der Sänger hält sein Mikro in Richtung Publikum, um das einzufangen. Bei den letzten Tönen geben die Zuschauer noch einmal alles, um ihre Band zu feiern. Die bedankt sich artig, und in den ersten Reihen werden fleißig Hände geschüttelt.

Alles in allem war das ein toller Abend, bei dem man nichts vermisste. Die Stimmung heute war toll, und so mancher wird noch lange an das Konzert zurückdenken. Ja, Weinachten ist eben alles anders. Und das hoffentlich auch noch die nächsten zehn Jahre!

Redakteur:
Swen Reuter

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