POWERWOLF, BEYOND THE BLACK, SERENITY - Leipzig

20.11.2023 | 17:26

05.11.2023, Quarterback Immobilien Arena

Das Wolfsrudel beehrt Leibzsch.

Wie in unserem Bericht zur letzten SABATON-Tour erwähnt, werde ich sicherlich kein großer Fan der Schweden mehr werden, jedoch muss man ohne Wenn und Aber festhalten, dass es diese Band schafft, ein mittlerweile großes und vor allem diverses Publikum mit einer beeindruckenden Show zu begeistern. So geht Entertainment und dann funktioniert es auch mit dem Erfolg im Mainstream. Wenn man nun nach weiteren mittelgroßen bis großen Bands sucht, welche das Potential haben eine echte Knallershow zu liefern, dann landet man unweigerlich bei POWERWOLF. Bei unzähligen Headlinerauftritten auf Festivals der letzten Jahre konnte ich mich schon von den Live-Qualitäten des Power-Metal-Flagschiffs aus Saarbrücken überzeugen und mit einer eigenen durchkomponierten Show dürfte der Entertainmentfaktor nochmal deutlich steigen. Also auf in die Quarterback Arena nach Leipzig und gespannt sein, was passiert, wenn das Wolfsrudel vollkommen frei agieren kann. Die wenigsten Künstler füllen mittlerweile solche Arenen nur mit der reinen Musik, insbesondere visuell haben Attila und seine Wölfe so einige Asse in der Hinterhand. Bei so einer Veranstaltungsgröße sind dann auch die Vorbands nicht von schlechten Eltern, so dass wir mit den Österreichern von SERENITY und der Band um Jennifer Haben, BEYOND THE BLACK, zwei Kaliber am Start haben, die mittlerweile auch durchaus Clubs als Hauptact alleine füllen.

Im Gegensatz zu meinem Kollegen Andre ist die Organisation in Leipzig tadellos. Hier muss SERENITY definitiv nicht vor leeren Rängen spielen, auch wenn der Beginn schon ziemlich zeitig nach Einlass ist und auch hier noch einige Fans den umfangreichen POWERWOLF-Stand leerkaufen oder sich einen der verschiedenen POWERWOLF-Becher unter den Nagel reißen. Aber auf dieses Los des Openers lässt sich jede Band ein, die einen solchen Slot in einer Tour erfüllt. Und SERENITY macht ihre Sache gut. So gut, dass mein Kumpel Norman sogar vom stärksten Auftritt des Abends spricht. Dem kann ich zwar nur bedingt folgen, aber der insgesamt sehr kurze Auftritt, ist deutlich stärker als das, was ich auf der neuen Platte "Nemesis A.D." hören musste. Gleich vier Tracks der Scheibe finden ihre Umsetzung, wobei 'Reflections (of AD)', wie auch schon im Studio, den stärksten Eindruck macht und 'Ritter, Tod und Teufel' weiterhin nicht die Kurve kriegt. Besonders der Opener 'The Fall Of Man' gewinnt aber nochmal deutlich an Profil und könnte sich tatsächlich zu einem späteren Evergreen entwickeln. Highlights sind aber weiterhin die früheren Werke, wobei insbesondere der Schlusspunkt mit 'Lionheart' eine sichere Bank ist und auch so von den Anhängern quittiert wird. Dass bei den neuen Stücken die Stimmung etwas weniger euphorisch ist, muss auch nicht zwingend mit meiner Einschätzung zu tun haben, sondern eher mit dem Umstand, dass "Nemesis A.D." tatsächlich noch relativ frisch und somit noch nicht in die Grund-DNA übergegangen ist.

Setliste: The Fall Of Man; Ritter, Tod und Teufel (Knightfall); Set The World On Fire; The End Of Babylon; Reflections (Of AD); Legacy Of Tudors; Lionheart

Meine Entscheidung den POWERWOLF-Auftritt in Leipzig zu besuchen und nicht zu einer anderen Location zu reisen, ist nicht nur allein der geografischen Nähe geschuldet, sondern auch der Tatsache, dass dieser Auftritt der Einzige dieser Mini-Tour ist, bei welcher die Senkrechtstarter von LORD OF THE LOST von BEYOND THE BLACK vertreten werden. Und Butter bei die Fische – BEYOND THE BLACK ist deutlich besser. Auf Platte, Live und sowieso immer und überall. Trotz längerer Spielzeit vertrauen Jennifer Haben und ihre Gefährten dem selbstbetitelten, aktuellen Album scheinbar weniger als SERENITY. Ich kann mir jedenfalls nicht erklären, warum es nur drei Songs in die Setlist schaffen und ein Knaller wie 'Winter Is Coming' (im November!!!)  unter den Tisch fällt. Ob nun 'Dancing In The Dark' oder 'Reincarnation' - das sind bärenstarke Songs die gerade live hervorragend funktionieren. Dem gemeinen CIRITH UNGOL-Kuttenträger, der mit POWERWOLF mal seine Grenze auslotet, dürfte der Mitklatschfaktor der neun Nummern definitiv zu hoch sein. Mir, der mit ROXETTE mehr Spaß hat als mit vielen anderen Bands, läuft dieser Pop-Rock mit Metalllegierung und leichten Ausschlägen in Richtung Symphonic und Folk prima rein. Grade Jennifer hat eine großartige Bühnenpräsenz und führt als Zeremonienleiterin absolut souverän durch die Show. Richtig starker Auftritt und mein persönliches Highlight des Abends.

Setliste: Is There Anybody Out There; Lost In Forever; Whren Angels Fall; Reincarnation; Dancing In The Dark; Heart Of The Hurricane; Shine And Shade; In The Shadows; Hallelujah


Analog zu Bamberg dauert es auch hier ca. eine halbe Stunde, bis die Wölfe von der Leine gelassen werden. Und als der Vorhang fällt und die Bühnendeko ersichtlich wird, kann ich mir ein kleines Grinsen nicht verkneifen. Neben einer riesigen Burgruine aus Pappmaché, welche mich irgendwie an Castle Greyskull erinnert, gibt es eine Handvoll Mönche mit Fackeln und eine sehr große LED-Leinwand welche perfekt in die Szenerie eingearbeitet wurde. Dadurch lassen sich schöne visuelle Effekte erzeugen, wobei ich mir in der Retrospektive hier tatsächlich noch etwas mehr gewünscht hätte. Und so beeindruckend der Beginn der Show auch ist, umso wenig effizient wird dieses Tool im späteren Verlauf eingesetzt. Meistens dient die Leinwand als Videovergrößerung der Geschehnisse auf der Bühne, damit auch die hinteren Reihen in Genuss der diversen Spielereien kommen. Trotz dieses Standardeinsatzes wirkt es grade dann besonders stimmungsvoll, wenn die Akteure in schwarz-weiß dargestellt werden. Dann wirkt das Szenenbild in Kombination mit den geschminkten und verkleideten Bandmitgliedern wie direkt aus einer Hammer-Studio-Produktion entnommen. Alte Dracula-Steifen lassen grüßen. Sehr großartig. Der andere Anwendungszweck ist die Möglichkeit, zu jedem Song ein anderes Hintergrundbild oder kleine 3D-Effekte umzusetzen. Und hier kommen Fans der typischen POWERWOLF-Comic-Wölfe voll auf ihre Kosten. Ich weiß nicht was für ein Team hier hinter den Kulissen tätig ist, aber so viel verschiedene Motive, wie POWERWOLF hier zu jedem Song oder zu jeder Art von Merchandise umsetzen lässt, ist schon großes Kino.

Da auch in Sachen Pyros ins oberste Regal gegriffen wird, die Lightshow stimmungsvoll integriert ist und es auch immer mal wieder kleine Highlights, wie eine Konfettikanone oder halt diverse brennende Spezial-Orgeln zu bestaunen gibt, bleibt festzuhalten: Ich wollte Show und ich habe Show bekommen. Besonders Falk Maria Schlegel (mit dem ich ein klasse Interview im Laufe des Jahres führen durfte) ist mittlerweile, neben Flake (RAMMSTEIN), der wohl skurrilste und ikonischste Keyboarder in unseren Landen. Was für ein Aktivposten mit Hang zum Overacting. Das ist aber wahrscheinlich auch notwendig, damit ein solches Konzert nicht zur One-Man-Show von Herrn Attila Dorn verkommt. Diese Mischung aus Metalfrontman, rumänischem Fremdschämklischee und Karpaten-Animateur ist schon irgendwie eine Nummer für sich. Mal extrem cringe und unangenehm unlustig und dann plötzlich wieder supersympathisch mit dem richtigen Riecher für die Interaktion mit dem Publikum. Wenn man es nach den reinen Reaktionen messen sollte, dann macht Attila auch heute alles richtig. Die Stimmung ist klasse und die textsicheren Fans lassen sich auf jedes noch so übertrieben dusselige Singspiel dankend ein. Mir persönlich ist das heute leider etwas zu viel des Guten, da beinahe jede Lücke zwischen zwei Songs so ausgefüllt wird und sich ein echter Konzertflow nicht aufbauen kann. Somit bleiben die einzelnen Songs ziemliches Stückwerk und entwickeln keinen gemeinsamen Sog. Das ist doppelt schade, da POWERWOLF ja genug Hits in petto hat und diese auch heute wieder in wirklich schönen Versionen zelebriert werden. Dass bei mir die beiden keltisch-angehauchten Ohrwürmer 'Wolves Of War' und 'Blood For Blood (Faoladh)' ganz hoch im Kurs stehen, versteht sich von selbst, aber auch das wunderbar eingängige 'Dancing With The Dead' (schön, dass die Greywolf-Herren auch mal Akzente setzen dürfen), das intensive 'Stossgebet' oder der Übersong schlechthin 'Demons Are A Girl's Best Friend', sorgen dafür, dass ich ziemlich begeistert bin. Dem gegenüber stehen mit dem dämlichen 'Resurrection By Erection' und dem Balladenunfall 'Alive Or Undead' nur zwei Tracks, auf die ich gerne verzichtet hätte.

Der Zugabenblock besteht heute aus 'Fire And Forgive', dem unvermeidbaren 'We Drink Your Blood' (macht halt auch einfach Spaß) und einer starken, weil ziemlich heftigen, Performance von 'Werewolves Of Armenia'. Somit kann man festhalten, dass sicherlich alle Fans der Wölfe an diesem Abend glücklich nach Hause gehen und auch alle anderen bekommen showtechnisch und musikalisch genug Argumente geliefert, um ordentlich Spaß zu haben. Für mich hätte sich Attila schon ein bisschen zurückhalten können und es tut auch gar nicht weh, einfach mal zwei bis drei Songs ohne Gelaber durchzuzocken. Aber im Endeffekt ist es halt eine Metalmesse und wenn ich mich richtig erinnere, wird in der Kirche ja auch zwischen jedem Lied quälend lange was erzählt. Somit ist mein großer Kritikpunkt eigentlich nur das konsequente Umsetzen des eigenen Konzeptes und somit schlussendlich obsolet. Genervt hat es mich trotzdem.

Setliste: Faster Than The Flame; Incense & Iron; Wolves Of War; Army Of The Night; Dancing With The Dead; Armata Strigoi; Amen & Attack; Sainted By The Storm; Stossgebet; Beast Of Gévaudan; Demons Are A Girl’s Best Friend; My Will Be Done; Alive Or Undead; Resurrection By Erection; Blood For Blood (Faoladh); Zugaben: Fire and Forgive; We Drink Your Blood; Werewolves Of Armenia

 

Photo Credits: Norman Wernicke

 


Redakteur:
Stefan Rosenthal

Login

Neu registrieren