RELOAD Festival 2023 - Sulingen

14.09.2023 | 22:09

17.08.2023,

Immer wieder gern!

Samstagfrüh wache ich recht verschwitzt im brütend warmen Zelt auf und muss ob der Töne lächeln, die von draußen in meine Ohren gelangen. Ohja, die Nachbarn fangen schon früh mit FROG BOG DOSENBAND an. Da passt es doch umso besser, dass die Jungs aus Georgsmarienhütte um 9:30 Uhr live-haftig auf der kleinen Bühne stehen und schon früh die Lachmuskeln anregen. Das Publikum ist gut drauf, die Band sowieso und dank ihrer "Volle Pulle Saufen"-Mentalität finden sie viele Freunde an diesem schönen Samstagmorgen ein. Nach diesem herrlichen Auftakt – noch lacht die Sonne aus vollem Herzen – geht es schnurstracks zur Hauptbühne, wo mit HEADGEAR eine knüppelharte Portion Modern Metal auf der Speisekarte steht und zumindest eine halbe Stunde lang ein wenig Bewegung in die müden Festivalknochen bringt.

Doch irgendwann knurrt auch der Magen und während dank 100 KILO HERZ die Ska-Freunde vollends auf ihre Kosten kommen und ich zumindest vom reichhaltigen Frühstücksbuffet im Partyzelt das Ende vom sehr agilen und dynamischen Death Metal(-Core) der Jungs von CONTROVERSIAL mitbekomme und mir das sehr gut gefällt, geht es langsam auf den EKTOMORF-Gig zu. Die Ungarn haben Bock und lassen die einen oder anderen Circle-Pits kreisen, während das Publikum mit 'Ambush In The Night', 'I Know Them' und 'Outcast' langsam auf Betriebstemperatur gebracht wird. Natürlich sind die Parallelen zu SOULFLY nicht von der Hand zu weisen, aber dieser wuchtige Groove Metal sorgt für Stimmung, von der letztendlich auch IMMINENCE profitiert. Der Auftritt ist allerdings auch sehr sehenswert und kommt mit dem gewissen Extra daher: Songs wie 'Ghost' und 'Paralyzed' gleich zu Beginn machen die Münder wässrig und die bärenstarken 'Infectious' sowie 'Temptation' als Rausschmeißer halten die Qualität auf einem sehr hohen Level. Frontmann Eddie macht sowohl am Gesang als auch der Violine eine tolle Figur, die Schweden sprühen vor Spielfreude und Metalcore ist ohnehin ein Erfolgsgarant auf dem "Reload"-Festival. So auch heute, so auch jetzt.

Glücklicherweise mischen sich auch nun einige Wolken ein, sorgen für den ach so herbeigesehnten Schatten und geben den folgenden Acts eine gewisse Atmosphäre. Als nächstes stürmt TERROR aus Los Angeles die Sulinger-Bühne, um einen schmucken und in sämtliche Ärsche tretenden Mix aus Crossover und Hardcore zum Besten zu geben. Ich habe Vogel und Co. schon häufig gesehen und der heutige Bolzenschneider-Auftritt gehört, inklusive 'Spit You Down', 'One With The Underdogs' und 'Life And Death', definitiv zu ihren Besseren. Der Menge gefällts und vor der Bühne gibt es auch allerlei Bewegung. Aus ähnlichem Holz sind Bryan Gerris und KNOCKED LOOSE geschnitzt, obgleich der Punk- und Metalcore-Anteil ein wenig nach oben geschraubt wird. Der Stimmung im Publikum geben Brecher wie 'God Knows' und 'All My Friends' den letzten Pfiff, ehe 'Permanent' diesen auch sehr guten Gig zu Ende bringt. Danach dürfen die Lachmuskeln zeigen, welche Ausrichtung sie haben, denn an J.B.O. scheiden sich auch heute die Geister.

Während die Hartgesottenen den Auftritt der Erlanger Spielmannstruppe nutzen, um zu trinken, zu essen und sich für das heutige Finale zu wappnen, wird in den ersten Reihen geschunkelt, gesungen und zu Songs wie 'Gänseblümchen', 'Verteidiger des Blödsinns' und 'Ein Fest' getanzt. Nein, ich persönlich habe mich schon vor Jahren an der Rosa Armee Fraktion sattgesehen, doch eine Abwechslung ist ihr Auftritt für alle Parteien. Und zumindest mit dem "Reload ist nur einmal im Jahr"-Motto haben Vito C. und Co. recht. Jetzt jedoch geht es ab. Während die Wolkendecke dichter wird, kündigt sich Brasiliens heißester Exportschlager in Sachen Thrash Metal an: SEPULTURA! Kisser und Co. profitieren von den etwas heruntergekühlten Temperaturen, einem sehr guten Sound, einer bombensicheren Setliste und einem Frontmann, der komplett Sulingen zusammenbrüllt. Und gemeinsam mit Green shouten wir uns zu 'Arise', 'Territory', 'Ratamahatta' und natürlich 'Roots Bloody Roots', dem krönenden Abschluss, die Seelen aus dem Leib. Das hat selbst der Begleitung sehr gut gefallen.

Sorgte gestern bereits CLAWFINGER für sehr viel Nostalgie, steht nun die Frage im Raum, wie weit Sandra Nasic und GUANO APES hieran anknüpfen können. Und nach einem kurzen Regen zeigt sich die Sonne einmal mehr von ihrer charmanten Seite, strahlt die Frontfrau an und sorgt bei vielen Zuschauern für sehr viele Kindheitserinnerungen. Bei einem gemütlichen Bierchen, einem schönen Regenbogen und Songs wie 'You Can't Stop Me', 'Open Your Eyes' und selbst dem EMINEM-Cover 'Loose Yourself' kommen auch bei mir gewisse Emotionen hoch. Die Göttinger zeigen sich spielfreudig und trotz Sandras nicht zu übersehendem Sonnenbrand, lässt sie sich weder ihren Charme noch ihre Power ob der locker flockigen Töne nehmen. Obligatorisch sorgt 'Lords Of The Boards' als Rausschmeißer für das gewisse Extra und macht Platz für etwas mehr Wucht. Die folgt mit WHILE SHE SLEEPS auf dem Fuße und obgleich ich dem doch chaotischen Genre-Mix zumindest auf Platte nicht viel abgewinnen kann, zeigt sich die Truppe aus Sheffield flink wie ein Wiesel. Einmal mehr profitieren Loz und Konsorten von einem sauberen Klang, einer wirklich dicht gedrängten Zuschauermenge, die aus dem Feiern ob des knackigen Metalcores nicht mehr herauskommt.

Und siehe da – oh Wunder – selbst meine Füße wippen zum Takt solcher Songs wie 'Anti-Social', 'You Are We' und 'Silence Speaks', auch wenn der Preis des stylischsten Outfits definitiv nicht an den Herrn in der Strumpfhose geht. Doch live haben die energischen Jungs viel auf dem Kasten. Hiervon kann auch der Co-Headliner des heutigen Tages ein Liedchen singen, der mich – wie schon WHILE SHE SLEEPS – auf den Tonträgern kaum packen kann. Trotzdem kann ich den Hype, der um BEARTOOTH besteht, zumindest ob der Live-Performance und Power, die die Melodic-Hardcore-Band aus Columbus schwungvoll auf die Bretter bringt, nachvollziehen. Der Erfolg gibt der Band recht, denn vor der Bühne ist es brechendvoll. Und so erwische ich mich Stunden später auf dem Heimweg doch dabei, die Melodien von 'In Between' und 'The Past Is Dead', still und heimlich mitzuträllern. Vielleicht sollte ich den BEARTOOTH-Alben noch eine Chance geben?

Bevor besagter Heimweg angetreten wird, darf sich allerdings noch der heutige Tages-Headliner die Ehre geben und eröffnet die Messe. Reiner Power Metal als "Reload"-Headliner? Den einen oder anderen kritischen Stimmen zum Trotz sorgt POWERWOLF heute für eine amtliche Show, beeindruckt einmal mehr in Sachen Lichteffekten und macht die Nacht zum Tag. Natürlich guckt der Großteil der Hardcore- und Hartwurstfraktion etwas doof aus der Wäsche, doch Attila und Co. geben Vollgas, werfen mit Hits der Marke 'Army In The Night', 'Amen & Attack' sowie 'Stossgebet' und 'Resurrection By Erection' um sich und verpassen diesem durch und durch wunderbaren Festival einen sehr würdevollen Ausklang. Und Hand aufs Herz – gab es doch am gestrigen Freitag die hochklassige Vollbedienung des etwas härteren Stahls, folgen nun weiter mit 'Fire And Forgive', 'We Drink Your Blood' und 'Werewolves Of Armenia' als Rausschmeißer Ohrwurmmelodien feinster Güteklasse. Die großen Zuschauermassen ziehen die Gebrüder Greywolf damit zwar nicht mehr an, doch diejenigen, die ob der Präsenz POWERWOLFs bis zum Schluss bleiben, bekommen einen rundum guten Auftritt vor den Latz geknallt.

Damit endet eines der entspanntest…nein, falsch! Denn jene Rolle, die im vergangenen Jahr PRO-PAIN innehatte, darf nun MANTAR bekleiden. Auf der trotzdem viel zu kleinen Plaza-Stage stehen sich als wirklich allerletzter Festival-Act Hanno und Erinc in ihrer unnachahmlichen Art gegenüber und kredenzen dem noch immer wachen, wackeren Publikum noch einmal eine ordentliche Dosis Sludge Metal der extremeren Art. Aber selbst für mich ist nun endgültig Schluss und voller Wehmut, jedoch auch Vorfreude ob des nächsten Jahres, werden die Zelte im Dunkeln abgebaut, die Heringe verstaut, die Taschen gepackt und ab geht es wieder nach Grevenbroich.

Mit im Gepäck ist einmal mehr die Gewissheit, dass das "Reload"-Festival zu einem der organisiertesten, friedlichsten und schönsten Festivals Deutschlands gehört und auch in Sachen Bands allerlei Überraschungen und Highlights zu bieten hatte. Wir kommen gerne wieder, vielen Dank!

Redakteur:
Marcel Rapp

Login

Neu registrieren