ROCKAVARIA 2018 - München
30.06.2018 | 14:3709.06.2018, Königsplatz
Zwei Tage Rock im Herzen Münchens!
Zum dritten Mal steigt in der bayrischen Hauptstadt das Rockavaria. Nach einem Jahr Pause gibt es als wichtigste Neuerung einen Ortswechsel zu verzeichnen. Nicht mehr das Olympiastadion, sondern der wunderschöne Königsplatz dient als Kulisse eines rockmusikalischen Mixprogramms. Vereinzelt sorgte dieses ja auch für Kritik, ich persönlich finde es aber ein großes Plus, wie 2016 auf dem Rockavaria neben SLAYER und SODOM auch IGGY POP und MANDO DIAO auf derselben Bühne zu sehen. Ähnlich bunt ist auch das Billing 2018 aufgestellt. Grob gesehen gibt es einen Metal-Tag mit IRON MAIDEN als Highlight, und einen Rock, Punk und Crossover-Tag, dem kurz vor Beginn der Headliner abhanden gekommen ist. Die TOTEN HOSEN mussten nämlich wegen Campinos Hörsturz absagen.
Möglicherweise stürzte dieser Super-GAU den Veranstalter in eine organisatorische Krise, denn anfangs läuft noch einiges unrund. Während im Presse-Bereich große Uneinigkeit herrscht, welche Bändel-Farbe welchen Prioritäten zugeordnet werden kann, muss der Ottonormal-Zahler ziemlich lange am Einlass warten. Denn um 13 Uhr, wie eigentlich geplant, tut sich dort noch gar nichts und auch als die erste Band um kurz vor drei auf der Hauptbühne loslegt, stehen viele Besucher noch in der knalligen Sonne Schlange, was für Unmut sorgt. Der nächste Ärger sind dann die Preise auf dem Festival-Gelände: 5 Euro für einen 0,4-Liter-Becher Bier, 8,50 Euro für einen kleinen Cocktail, 2,70 Euro für ein 0,3l-Becher Wasser. Das ist gepfeffert, zumal man das Gelände nach dem Einlass nicht mehr verlassen darf, und Flaschen mit mehr als 0.3 l nicht mit hinein genommen werden dürfen. Etwas humaner sind die Essenspreise, aber billig ist auch hier anders.
Etwas Kohle sollte man also schon haben für ein Rockfestival in München, zumal man ja schon 190 Euro für das Zweitages-Ticket gelöhnt hat, wohl wissend, dass Übernachten in München auch sehr teuer und campen auf dem Gelände nicht möglich ist. Doch genug des Beschwerens, denn was uns hierher zieht, ist gute Livemusik, auf die das powermetallische Rockavaria-Trio Tommy, Thomas und Nives (Fotos) natürlich heiß ist.
Der erste, der seine Musik über das weitläufige, architektonisch an die Akropolis in Athen angelehnte Gelände auf dem Königsplatz hallen lassen darf, ist JOHNNY GALLAGHER und seine BOXTIE BAND. Der bärtige Ire und seine Brüder Pauric und James sind in der Blues-Rock-Szene sehr geschätzt und schaffen es, das noch recht spärlich verstreute Publikum mit relativ legeren Tönen in Laune zu bringen. Altherrenrock ist wohl der passende Begriff, denn allzu viel Bewegung gibt es auf der Bühne nicht, und die Band ist vollauf zufrieden, den guten alten Blues mit einem Augenzwinkern zu spielen, 'House Of The Rising Sun' zu covern und auch irgendwie dabei sein zu dürfen.
Die nächste Band auf der Hauptbühne (King's Stage) wäre dann TUXEDOO gewesen. Doch wenn die Wahl zwischen einem angesagten echtmetallischen Newcomer und original österreichischem Alpencore besteht, ist es für uns drei Vollblut-IRON MAIDEN-Fans keine Frage, wo man hier Prioritäten setzt. Also schnell rüber zur kleinen Green Stage, die sich tatsächlich auf einer Wiese umrundet von Bäumen befindet. "Mini-MAIDEN" ist dann in der Tat ein gutes Attribut für die britischen Metalheads MONUMENT. Schöne Galoppel-Riffs, zweistimmige Soli, hoher aber kraftvoller Gesang, das kommt gut an beim Publikum. Durch Touren mit ICED EARTH und RAGE hat sich die Band eingespielt und beherrscht das Posen schon wie die Großen, allen voran Turbo Peter Ellis am Mikro. An diese Typen kann man sich definitiv erinnern, wenn man sie einmal gesehen hat. Nicht ganz so toll ist allerdings der Sound. Alles ist hier relativ leise und von den Gitarren hört man an manchen Stellen so gut wie gar nichts. Ein Problem, das - ich nehme es vorweg - leider bestehen bleiben wird und für mich auf der Minusliste des Rockavaria einen oberen Platz einnimmt. Am besten klingt's noch direkt vor der Bühne.
Ganz brutal schlägt das Klangproblem dann bei DRAGONFORCE ein. Diese Band braucht einen differenzierten Sound, damit ihre rasend schnelle technisch überirdische Musik zur Geltung kommt. Heute hat DRAGONFORCE aber fast nur die Chance, durch Optik zu überzeugen. Mit was für einer Selbstverständlichkeit Herman Li und Sam Totman ihre Gitarrenhexereien zocken, ist kaum zu fassen. Und wenn man die Drums auch nur ein klein wenig mehr auf die PA mischen würde, könnte man hören, wie präzise dieses Duo spielt. Ich bin froh, dieses Gespann mal erleben zu dürfen. Eine halbe Katastrophe ist dann allerdings der Gesang. Erstens gelingt es dem Mixer, ihn im Klangbild völlig losgelöst vom Rest des Schützenfestes zu platzieren. Zweitens, was ist das eigentlich für eine Micky-Maus-Stimme? Und was singt die denn für Melodien? Aus Omas Märchenstunde? Ich höre zur Nachbearbeitung gerade 'Through The Fire And The Flames' und das klingt super. Auf dem Rockavaria war das kaum auszuhalten. Schade, wenn so ein mögliches Festival-Highlight verhunzt wird.
Nächstes Ärgernis: Aus irgendwelchen Gründen dürfen die Leute nicht mehr zur kleinen Bühne. Und wer sie verlässt, darf nicht mehr zurück. Weil es zu voll ist? Kann ich nicht bestätigen. Eher weil dort nur ein einziges mickriges Dixie steht? Deswegen gehen wir auch während DRAGONFORCE und finden Gott sei Dank ein paar mehr sanitäre Anlagen. Aber so ganz ausgefeilt scheint das organisatorische Konzept hier noch nicht zu sein. Nun gut, dackeln wir also zur King's Stage, wo Tommy gerade begutachtet, wie Steve Harris' kleiner Racker sich bei THE RAVEN AGE schlägt. Tommy, können die was?
[Thomas Becker]
Ich hatte ja schon 2016 das Vergnügen, die Briten als Support von IRON MAIDEN zu sehen und dort konnte mich die junge Truppe durchaus überzeugen. Von daher bin ich natürlich hochinteressiert, wie sich THE RAVEN AGE in den letzten gut zwei Jahren entwickelt hat. Mit Matt James, dem ehemaligen WILD LIES-Frontmann, ist zudem ein neuer Sänger mit an Bord, den es ebenfalls zu begutachten gilt. Und was soll ich sagen, hier steht eine Band auf der Bühne, die sich wahrlich weiterentwickelt hat. Man merkt die Erfahrung, welche der Fünfer durch zahlreiche Liveauftritte gesammelt hat. Und auch Matt James ist ein wahrer Glücksgriff und kann mit seiner Bühnenpräsenz und hervorragender Gesangsleistung überzeugen. Der modern präsentierte Melodic Metal kommt auch beim Publikum dementsprechend gut an, auch dank eines perfekten Gesamtsounds, der auf der Hauptbühne auch das ganze Wochenende überraschend gut und druckvoll ist.
Ganz im Gegensatz zu der Nebenbühne, wo ich mit gerade MONUMENT eine geile Band, allerdings bei Zimmerlautstärke, sehen durfte. Mit etwas gemischten Gefühlen mache ich mich daher wieder auf den Weg zur Green Stage, wo als nächstes ELUVEITIE auf dem Programm stehen. Dazu muss ich mich allerdings erst an einer riesigen Menschenmenge vorbeiquetschen, denn dort herrscht immer noch Einlass-Stop. Zum Glück wird mir mit meinem roten Pressebändchen Zutritt gewährt und so komme ich in den Genuss eines mitreißenden Auftritts der Schweizer Folk-Metaller. Die Stimmung auf dem Gelände ist bestens, trotz einer Lautstärke, die für Livekonzerte einfach unterirdisch ist. Aber dies scheint sowohl den Anwesenden als auch der Band inzwischen egal zu sein und so feiert man zusammen einfach eine schöne Gartenparty bei guter Mucke. Davon kann auch der einsetzende Regen niemanden abhalten, dafür geht der Sound von ELUVEITIE zu sehr in die Beine und fordert regelrecht zum Mitmachen auf.
Davon profitiert im Anschluss auch die Band SALTATIO MORTIS, die ein bestens vorgewärmtes Publikum vorfindet und somit ein Leichtes hat, die Stimmung weiter anzuheizen, nicht zuletzt auch mit Hilfe von Flammenwerfern. Mit dem Hit 'Früher war alles besser' als Eröffnungsnummer kann nichts mehr schief gehen. Es wird getanzt, geklascht und mitgesungen und dies während des gesamten Auftritts. Die Karlsruher Mittelalter-Rocker sind ein würdiger Headliner auf der Green Stage. Äußerst positiv finde ich die Idee der Veranstalter, das Programm hier vor dem Auftritt des Hauptacts auf dern King's Stage zu beenden, denn wer will schon gleichzeitig mit IRON MAIDEN um die Gunst des Publikums wetteifern? Schon etwas vor Beendigung des Auftritts von SALTATIO MORTIS mache ich mich bestens aufgewärmt und voller Vorfreude den Weg zur Mainstage. Wie ist eigentlich dein Aufwärmprogramm Thomas?
[Tommy Schmelz]
Ich vergnüge mich bestens vor der King's Stage mit KILLSWITCH ENGAGE. Das 2004er-Album "The End Of Heartache" fand ich damals ziemlich gut, danach ist mir die Band allerdings entglitten. Doch dafür gibt es ja solche Festivals, und KILLSWITCH ENGAGE hat sich durch diesen Gig mit einem Ausrufezeichen bei mir zurückgemeldet. Der melodische Metalcore kommt extrem tight und druckvoll aus den Boxen, die Musiker sind agil und engagiert. In der Tat scheint die Truppe momentan auf dem Höhepunkt zu sein, es werden sämtliche großen Sommerfestivals gespielt und man ist Support von IRON MAIDEN auf der laufenden Tour. Gleich der erste Song 'Strenght Of Mind' zeigt, was KILLSWITCH ENGAGE ausmacht. PANTERA-artiges Riffing und Gesang trifft auf hochmelodische Refrains. Klar, das ist das Schema vieler Metalcore-Bands, und in vielen Fällen todlangweilig, aber bei KILLSWITCH ENGAGE funktioniert es. Jesse Leach hat alle Facetten des Aggro-Gesangs drauf und zudem eine unvergessliche Klar-Stimme. Meine Stimmung steigt gleich weiter, als mit 'A Bid Farewell' ein mir bekannter Song aufgefahren wird. Jepp, das ist ein Hit, das muss man haben! Noch gibt es mehr als genug Platz, um gepflegt abzuhotten und das tue ich so lange bis der erste und einzige große Regenschauer einsetzt. Hier ist das Pressezelt dann doch geschützter, die Musik aber immer noch gut hörbar.
Zudem steht hier auch die Entscheidung an, wer bei IRON MAIDEN fotografieren darf. Leider erhält unsere Fotografin Nives kein Stück Papier mit einem Fotovertrag. Online-Medien müssen draussen bleiben. So richtig verstehen wollen wir das nicht, und Nives kann ihre Enttäuschung kaum verbergen, aber die Stimmung sollte sich spätestens mit dem ersten Ton der eisernen Jungfrauen wieder heben.
Zudem gibt es kaum eine fotogenere Band als ARCH ENEMY mit ihrer imposanten blauhaarigen Superheldin Alissa White-Gluz. Und neben ihr stehen mit Micheal Amott (ex-CARCASS und ex-SPIRITUAL BEGGARS) und Jeff Loomis (ex-NEVERMORE) zwei der renommiertesten Gitarristen der Metal-Szene. Auf dem Papier sollte ARCH ENENY also eine meiner Lieblingsbands sein. Rein musikalisch ist da auch alles super. ARCH ENEMY bringt den Melo-Death auf die technisch wie kommerziell höchste Stufe, wie beispielsweise 'War Eternal' beweist. Was ich allerdings schon immer schade finde ist, dass der Gesang kein Melodien tragendes Instrument ist. Oder direkter gesagt: Ich mag das Konzept mit keifiger Frauenstimme einfach nicht. Mit einer starken Sängerin hätte man potentiell viel mehr Gestaltungs-Spielraum, doch Alissa verharrt auf ihrer einzigen langweiligen Tonlage. Auf der anderen Seite macht die Frau so dermaßen Alarm auf der Bühne und stellt allein mit ihrer Ausstrahlung viele andere Frontmänner in den Schatten. Und ihr gegenüber scheint die untergehende Sonne an den Prachtgebäuden vorbei direkt auf die Bühne. Auch der Sound ist glasklar und man kann schon einen Hauch von Magie spüren, als die Band mit 'We Will Rise' einen ihrer größten Hits spielt. Es scheint alles angemacht zu sein für IRON MAIDEN.
Setliste: Set Flame to the Night; The World Is Yours; War Eternal; My Apocalypse; The Race; You Will Know My Name; The Eagle Flies Alone; First Day in Hell; Saturnine; As the Pages Burn; We Will Rise; Nemesis; Enter the Machine
[Thomas Becker]
Für den nun folgenden Auftritt von IRON MAIDEN suche ich mir einen guten Platz etwas auf Höhe der FOH-Turmes, denn meist ist der Sound in der Nähe des Mischpultes am besten. Kurz nach 21 Uhr schallt 'Doctor Doctor' von UFO aus der PA und kündigt wie schon seit Ewigkeiten den Showbeginn an. Beim Intro 'Churchill's Speech' erhebt sich eine Spitfire in Originalgröße und schwebt während der wohl besten Eröffnungsnummer aller Zeiten, 'Aces High', über der Bühne, welch ein genialer Einstieg. Bruce Dickinson begrüßt uns mit einem Sprung über die Monitorboxen. Mit seinen fast 60 Jahren wirkt er fitter und agiler als mancher Mittzwanziger heutzutage. Und stimmlich ist er in absoluter Topform. Wo er früher vielleicht bei manchen Stücken Probleme hatte - auch gerade gegen Ende der Show - zeigt er diesmal keinerlei Schwächen. Das Bühnenbild ist imposant und im ersten Teil mit Tarnnetzen verhangen. Und die Setlist ist wohl eine der Besten, die IRON MAIDEN in den letzten Jahren hatte. Klar, es wird immer Nörgler geben, aber für mich ist sie perfekt. Als zweite Nummer kommt dann eines meiner absoluten Lieblingstücke von "Piece Of Mind", 'Where Eagles Dare', mit einem der geilsten Drumintros ever, was will man mehr?
Ein richtiger Fanfavorit befindet sich mit 'The Trooper' auch schon relativ weit vorne im Set. Hier liefert sich Bruce Dickinson mit Eddie einen Fechtkampf, der natürlich vom Frontmann gewonnen wird. Mit 'The Clansman' ist auch ein Song wieder mit dabei, mit dem wohl nur wenige gerechnet haben, aber live eine der besten Nummern aus der Blaze-Ära ist. Zu 'Revelation' verwandelt sich die komplette Bühne in ein Kirche und Bruce gibt den Priester. Dazu passt dann auch noch ein weiteres Stück, das im Original aus der Zeit mit Blaze stammt, nämlich 'Sign Of The Cross'. Ist es hier ein riesiges Kreuz, mit dem der Sänger bewaffnet ist, so ist es beim darauf folgenden 'Flight Of Icarus' ein Flammenwerfer, mit dem er Icarus, der hinter Nicos Drumset schwebt, so richtig Feuer macht. 'The Number Of The Beast' fehlt ebenso wenig wie das unverwüstliche 'Fear Of The Dark', das den vollen Königsplatz in einen riesigen Chor verwandelt und Bruce dabei als Nachwächter mit Laterne die Menge dirigiert.
Die ganze Show ist sehr theatralisch und zeigt den Sänger in unterschiedlichen Kostümen, der sichtlich Vergnügen am Verkleiden hat. Dasselbe Vergnügen wie eigentlich die ganze Band, man sieht, wie die einzelnen Mitglieder über die beiden Leinwände das eine oder andere Mal um die Wette strahlen. Mit dem obligatorischen 'Iron Maiden' und einem überdimensionalen Eddie als Monster mit riesigen Hörnern endet der reguläre Teil. Den Zugabenblock eröffnet 'The Evil That Men Do' gefolgt vom bei der letzten Tour schmerzlich vermissten 'Hallowed Be Thy Name', das man dank beendetem Rechtsstreit wegen Plagiatsvorwurf wieder spielen darf. Mit 'Run To The Hills' verpasst man der begeisterten Menge dann noch den Rest. Man sieht überall nur glückliche Menschen, die IRON MAIDEN hier in absoluter Höchstform gesehen haben. Die Briten untermauern mit diesem Auftritt ihren Status als beste Heavy Metal Band der Welt. Zu 'Always Look On The Bright Side Of Life' endet der erste Tag des Rockavaria 2018 mit einen Pfeifen auf der Lippe. Und ich habe echte Zweifel daran, dass das am zweiten Tag noch von irgendjemandem getoppt werden kann. Dieses ingesamt 23. Konzert von IRON MAIDEN, das ich bisher besucht habe, ist mit das Beste, welches ich bisher erleben durfte.
Setliste: Churchill's Speech; Aces High; Where Eagles Dare; 2 Minutes to Midnight; The Clansman; The Trooper; Revelations; For the Greater Good of God; The Wicker Man; Sign of the Cross; Flight of Icarus; Fear of the Dark; The Number of the Beast; Iron Maiden; The Evil That Men Do; Hallowed Be Thy Name; Run to the Hills
[Tommy Schmelz]
- Redakteur:
- Tommy Schmelz