Rock Of Ages 2017 - Seebronn

01.08.2017 | 22:30

28.07.2018, Festivalgelände

Familien-Rock!

Der letzte Tag bricht an. Die Wettervorhersage meinte, es gäbe Regen, aber ich schwitze bei beinahe 30 Grad. Das hat sich einer der Wetterfrösche aber mächtig verhauen. Den Morgen über hat Detlef Jöcker Kinderprogramm gemacht, diesmal mit Rock 'n' Roll-Überzug über den einfachen Liedern für den Nachwuchs, aber um kurz vor Vier darf KILLCODE den Abschlusstag eröffnen. Die Band hatte bereits auf den Bang Your Head gespielt, allerdings hatte ich sie da verpasst, sodass ich die Gelegenheit beim Schopfe ergreife, sie jetzt zu sehen. Vertraut bin ich mit der Musik zwar nicht, aber einige Videos haben mir einen Eindruck verschafft, der immerhin grob in die richtige Richtung geht. Denn live sind die New Yorker schwerer und schießen härtere Riffs ab, als ich erwarte. Das ist eine sehr ordentliche Anheizertruppe, die sich sicher auf der Bühne bewegt und nicht den Eindruck eines absoluten Newcomers macht. Wobei die Buben auch deutlich älter aussehen, als ich gedacht hatte. Da steckt wohl schon einiges an musikalischer Erfahrung in der Band, die sich übrigens äußerst fanfreundlich gibt und jederzeit für Fotos mit den Besuchern posiert. Cooler Auftritt, KILLCODE sollte man auch auf dem Zettel haben.

Letzte Jahr ERSTE ALLGEMEINE VERUNSICHERUG, dieses Jahr die SPIDER MURPHY GANG. Ich gebe zu, ich bin skeptisch, ob das ankommt. Ich mag ja Rock 'n' Roll und ich mag es auch gerne mal etwas albern, aber können die Münchner wirklich auf einem Festival wie dem Rock Of Ages bestehen? Na ja, Albert Hammond hätte mir eine Lehre sein sollen, die Antwort lautet natürlich "ja". Kaum jemand rümpft die Nase oder findet es doof, auf dem Rock Of Ages geht Vieles, was woanders Unmut auslösen würde. Und man muss auch zugeben, dass die Jungs einfach ansteckend gut gelaunt sind und ein Klassiker-Set spielen, bei dem viele hier zumindest halbwegs textsicher sind. Die Stimmung zieht immer mehr vor die Bühne, sodass die SPIDER MURPHY GANG tatsächlich eine sehr ansehnliche Menge versammelt. Nur bei dem doch eher langweilig geratenen 'Sommer In Der Stadt' kühlt die Stimmung ein wenig ab, was die 'Schickeria' aber sofort wieder ausgleicht, Mitsingspielchen inklusive. Auch die Bayern können auf ganzer Linie punkten, was neben der Musik auch an der selbsthumoristischen Albernheit liegt, mit der sich Gitarrist Barney Murphy in Angus-Young-Manier über die Bühne bewegt. Spaß muss eben sein.
Setliste: Mir san a bayrische Band, Rock'n'Roll Schuah, Vis A Vis, Rock'n'Roll Rendezvous, Sommer in der Stadt, Schickeria, Wer wird denn woana, Ich schau Dich an, Wo bist Du?, Skandal im Sperrbezirk, So a schöner Tag


Mein musikalisches Highlight des Tages folgt in Form von THUNDER. Ich finde, die Band ist ein Phänomen. Eigentlich haben die Briten nie die großen Erfolge gehabt, und wenn man ehrlich ist, fehlen den meisten Alben auch einfach die Hits, die den Mainstream knacken könnten. Aber wenn man sich in die Alben einhört, und den Liedern ein paar Chancen gibt, dann entstehen im Ohr plötzlich viel größere Songs, als es zuerst den Anschein hatte. Von diesen subtilen Kleinoden feuert THUNDER in der folgenden Stunde zehn Stück ins Gelände, unterbrochen von Mitsingspielchen und einer Einlage von Sänger Danny Bowes mit zwei "Schneekanonen", die der Veranstalter zusammen mit zwei Scheemännern als Deko hat aufstellen lassen. Doch Faxen hat man eigentlich nicht nötig, wenn man Lieder wie 'River Of Pain' oder 'Resurrection Day' hat, sowie das recht neue 'Serpentine' vom vorletzten Album "Wonder Days", das sich zu einem neuen Fanfavoriten entwickelt hat. Dabei spielt die Band unaufgeregt und lässig, kommuniziert mit dem Publikum und vermag tatsächlich einen Auftritt hinzulegen, von dem nachher nur gesagt werden kann, dass er toll war. Warum? Keine Ahnung.
Setliste: Wonder Days, Enemy Inside, River of Pain, Resurrection Day, Higher Ground, In Another Life, Backstreet Symphony, Low Life in High Places, The Thing I Want, Serpentine

Letztes Jahr noch durch widrige Umstände an der Anreise gehindert, holt KIM WILDE den verschobenen Gig heute nach. Das ist auch wieder so ein zwiespältiger Act. Eigentlich ist das doch tiefster Pop, wie kam also der Veranstalter darauf, Kim auf das Festival zu buchen? Die Antwort folgt in Form einer fetzigen Version von 'Checkered Love'. Zwei Gitarren? Ich hätte gar nicht gedacht, dass KIM WILDE rocken kann. Gleich als drittes Lied kommt einer meiner geheimen Favoriten, 'View From A Bridge', der immer im Schatten der Hitsingles stand. Tatsächlich ist die Menge in Feierlaune und freut sich über die eingängigen Melodien, auch wenn Kims Ansagen etwas arg piepsig und wenig energetisch wirken, und die Betonung, wie sehr sie doch eigentlich eine Rockerin sei, wirken auch etwas anbiederisch. Aber musikalisch ist alles im Lot. Eine kleine technische Schwierigkeit wird überbrückt durch eine vom Bruder Ricky an der Gitarre unterstütze Version von 'If I Can't Have You' von den BEE GEES, die Kim auch gleich mal zu Rock 'n' Roll erklärt, danach geht der Set weiter. Tatsächlich ist der Auftritt äußerst kurzweilig und auch ein Gewitter lichtet die Reihen der Fans vor der Bühne nur kurz, aber natürlich nimmt er ganz am Ende nochmal Fahrt auf, als Wilde mit zwei Coverversionen und ihrem größten Hit 'Kids In America' den Auftritt beschließt. Übrigens wurde im Set ein Song gespielt mit dem Titel 'Anyplace, Anywhere, Anytime', den die meisten wohl eher als "Irgendwie, irgendwo, irgendwann' von NENA kennen. Den Mitsingchören nach wäre ein Old School-Set von NENA auch eine Option für 2018.
Setliste: Chequered Love, Lights Down Low, View From a Bridge, Anyplace, Anywhere, Anytime, Water on Glass, Stone, The Second Time, Get Out, King of the World, If I Can't Have You, Never Trust a Stranger, Cambodia, Ready to Go, You Came, You Keep Me Hangin' On, You Spin Me Round (Like a Record), Kids in America

Zu guter Letzt darf GOTTHARD das Festival beenden. Die Schweizer sind seit 25 Jahren unterwegs und haben deswegen ihre aktuelle Scheibe und Tour "Silver" genannt. Bei GOTTHARD weiß man, was man bekommt, und die Setliste der aktuellen Tournee, mit der sie im Frühjahr unterwegs war, hat auch immer noch Bestand. Nach zwei neuen Liedern folgt der Smasher 'Hush' und die Ansage ist ebenfalls die gleiche: "Spiel mal das Riff, dass du seit 25 Jahren live spielst". Natürlich folgt erstmal das falsche, und dann das Ganze nochmal, und nachdem man eben AC/DC und DEEP PURPLE ausgeschlossen hat, folgt eben das Joe South-Cover. Das wirkt nicht so sehr einstudiert, wie es jetzt klingt, aber spontan ist da auch nichts. GOTTHARD macht einen absolut professionellen Eindruck, die Musiker spielen tadellos, aber mich reißt der Auftritt nicht mit, daran kann auch ein Akustik-Teil oder eine Videoeinspielung von Steve Lee nichts ändern. Nach drei Tagen macht sich auch eine gewisse Müdigkeit breit und arbeiten muss ich morgen auch, also lasse ich mich von GOTTHARD musikalisch zum Auto begleiten und verlassen das zwölfte Rock Of Ages.

Das Sommer-Festival in Seebronn ist ein fester Bestandteil des Eventkalenders eines jeden Rockjahres. Eine Besonderheit ist die musikalische Offenheit, die dafür sorgt, dass Bands und Künstler auftreten, die man sonst auf keinem anderen Festival der Rock- und Metalszene zu sehen bekommt, und die Tatsache, dass auch diese eher ungewöhnlichen Bands vor dem ROA-Publikum tatsächlich nahezu ausnahmslos funktionieren. Nahezu allerdings, nicht immer, und in diesem Jahr war MARILLION eine Band, die das Publikum spaltete. Aber ich sage danke, die nicht vorhandenen Scheuklappen der Veranstalter sorgen für ein tolles, altmodisches Festival mit einer Bühne und einer Stimmung, wie man sie kaum noch auf den großen Veranstaltungen findet. Für mich gehört das Rock Of Ages zum Pflichtprogramm eines Konzertjahres. Daher bis 2018 in Seebronn!

Redakteur:
Frank Jaeger

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