Safe At Höme – F***** Easter Feast - Grevenbroich

26.04.2020 | 10:58

10.04.2020, Balkon

Lasset die Spiele beginnen!

Es gab nicht viele Samstage in der Vergangenheit, an denen ich motivierter war als heute. Zwar war der morgendliche Andrang auf die Waschräume ziemlich groß, doch frisch geduscht und gestärkt von wirklich gutem Grillfleisch startet auch sogleich Festivaltag Nummer zwei. Zunächst reisen wir ins Land der aufgehenden Sonne.

RIOT V

Mit vollem Magen folgt mit RIOT V eine für mich sträflich unterbewertete Band, die einerseits zwar stets mit doch fragwürdigen Coverartworks, aber dafür mit piekfeinem und lupenreinem US Metal von sich reden machte. Von der Ursprungsbesetzung ist niemand mehr in der Band aktiv, doch auch Mike Flyntz und seine Mannen wissen aktuell mit in Stahl geschmiedete Hymnen um sich zu werfen. Wenn außerdem Goldkehlchen Todd Michael Hall zum Gesang ansetzt, staunt auch "The Voice" nicht schlecht.

Mit Japan hatten die New Yorker stets eine besondere Bindung und so grübeln wir nicht lange und entscheiden uns für den jüngsten "Live In Japan 2018"-Output. Als großer Fan des "Thundersteel"-Albums geht mein Herz natürlich auf, wenn das am 11. März 2018 im Club Citta aufgenommene Mammut-Konzert durch das heimische Wohnzimmer schallt.

Ein glasklarer Sound, eine hervorragende Bildqualität und ein ekstatisches, japanisches Publikum – da fließen die 23 Songs runter wie Öl. So präsentieren Hall, Flyntz und Co. in den ersten elf Songs einen mehr als gelungenen Querschnitt aus dem Besten RIOT Vs mit leichtem Fokus auf "The Privilege Of Power" und "Unleash The Fire". Das ist Spielfreude pur!

Nach 'Metal Warrior' nimmt die Nostalgie das Heft in die Hand und RIOT V haut uns das vollständige 1988er Masterpiece um die Ohren. Hits wie 'Fight Or Fall', 'Flight Of The Warrior' und 'Johnny’s Back' müssen auch daheim laut aufgedreht werden und so grölen wir auch auf dem Sofa die Refrains in den Grevenbroicher Nachthimmel. Die US-Metaller präsentieren sich in bestechender Form – damals wie heute – und so ist "Live In Japan 2018" in audiovisueller Hinsicht aus meinem Regal nicht mehr hinwegzudenken.

Nach einem Sprung über den Pazifik in die Südstaaten der USA ist dann folgende Band Pflichtprogramm.

ZZ TOP

Selbstangereicherte Festivals können natürlich auch den Zweck erfüllen, jene Bands einmal antreten zu lassen, in deren Live-Genuss man bis dato in knapp 32 Lebensjahren noch nicht kam. Ladies and Gentlemen, that little ol' band from Texas darf selbstverständlich nicht fehlen. Ab und an muss eine Prise ZZ TOP einfach sein und speziell bei Grillgut und Bier auf dem heimischen Balkon ist dieser von Blues getränkte Boogie Hard Rock mit langem Bart und einer Menge Hits einfach die beste Beschallung.

Standesgemäß sollte es auch "Live From Texas" sein, auf dem die beiden Bärte samt Frank Beard einen klaren Heimerfolg einheimsen dürfen. Die Bratwurst brutzelt, die Sonnenbrille wird aufgesetzt, das Bier zischt und 'Got Me Under Pressure' leitet den 17-teiligen Siegeszug ein.

Die Plüschgitarren laden zum Grinsen ein, astreine Hits wie 'Gimme All Your Lovin'', 'Tube Snake Boogie' und 'La Grange' drücken sich mit noch älterem Material wie 'Waitin’ For The Bus' und 'Just Got Paid', aber auch sträflich unterbewerteten Songs wie 'Rough Boy' und 'I'm Bad, I'm Nationwide', gegenseitig die Klinke in die Hand und die Menge tobt.

ZZ TOP selbst agiert souverän und für Bandverhältnisse auch recht spielfreudig. Cool wie eh und je grooven sich Gibbons, Hill und Beard durch ihr Set, das mit 'Tush' einen ohnehin standesgemäßen Abschluss findet. Danach bleibt sogar noch ein kurzer Einblick hinter die Kulissen der Kult-Rocker aus Houston und bevor es zur nächsten Band geht, lässt man soeben gehörte Coolness noch einmal Revue passieren. Man genießt das kleine Texas-Feeling auf dem Balkon Grevenbroichs.

Wir bleiben in den Staaten, jedoch wird es nun etwas lauter.

METALLICA

Es war eines der ersten Live-Outputs, die ich in audiovisueller Form gesehen habe. Es war eines der ersten Konzerte, das mich vollkommen in den Bann gezogen hat, das eine unfassbare Power besaß und vor Kraft nur so strotzte. Es war eine der ersten Darbietungen, die live noch mehr knallten als auf Platte. Und es war eines der ersten Monumente, die mich ob ihrer Perfektion vom ersten bis zum letzten Blitzschlag komplett mitrissen. Es dokumentiert auch noch viele Jahre später ein perfektes Konzert.

Auch wenn ich heute von METALLICA in Sachen Bühnenperformance nicht mehr viel halte und auch wenn ich maßlos vom 2008er Konzert enttäuscht war, so gab es doch eine Zeit, in der die vier Typen doch alles in Schutt und Asche legen konnten. Eine Art akustische Massenvernichtungswaffe mit Gitarren, Bass und Schlagzeug, eine Machtdemonstration, wie sie im Buche steht, ein vehementer Faustschlag gepaart mit dem Besten der ersten vier Göttergaben. Die "Live Shit (Binge & Purge)"-Box fasste 2003 auf zwei DVDs und drei CDs diese unbändige Mannstärke von einst hervorragend zusammen und passenderweise verschafft der Seattle-Auftritt zur damaligen "...And Justice For All"-Platte noch immer eine Gänsehaut ihresgleichen.

Ein nahezu perfekter Einstieg ('Blackened'), epische Kraft ('For Whom The Bell Tolls'), totaler Wahnsinn ('Whiplash', 'Battery'), ein Hauch von Melancholie ('Welcome Home (Sanitarium)', 'Fade To Black'), aber auch Wucht ('Creeping Death', 'The Four Horsemen') und pure Spielfreude ('Seek & Destroy'), selten kann man Außenstehenden die Vorteile eines Live-Konzerts besser aufzeigen als mit METALLICAs Seattle-Auftritt. Dazu kommt ein nahezu fanatisches und stets textsicheres Publikum, ein Hetfield auf dem Zenit seiner Frontmannqualitäten, Newsted als unfassbares Power-Bündel und Lars gibt Vollgas und zertrümmert sein Schlagzeug auf Teufel komm raus.

Perfekte Bild- und Tonqualität, ein atemberaubendes Zusammenspiel zwischen Zertrümmererquartett und Publikum und eine Songauswahl, die keine Zweifel offenlässt. Dieser 17-teilige Marsch gleicht einem Triumphzug, so habe ich METALLICA kennengelernt und so wird mir METALLICA auch immer in Erinnerung bleiben. Egal, was nach dem "Black Album" noch so geschah. Hier werden mir alle Recht geben, METALLICAs Seattle-Auftritt ist auch heute ein Muss.

Langsam die Dämmerung an. Wir sind bereit für...

VENOM

Ja, auch ein wenig Kult darf auf dem Festival nicht fehlen. Und hierfür kann es nicht viele passendere Orte geben als das Hammersmith Odeon in London. Was haben da schon für Bands gespielt? IRON MAIDEN, AC/DC, FAITH NO MORE, MEGADETH, BLACK SABBATH und natürlich auch MOTÖRHEAD. Doch irgendwie sollte es noch kultiger, noch dreckiger, noch eine Spur schwärzer sein. Und einst – wir schreiben das Jahr 1985 – spielten drei Herrschaften aus Newcastle in dieser altehrwürdigen Stätte.

Cronos, Mantas und Abaddon lärmten schon einige Jahre lang gemeinsam unter dem Banner VENOM und veröffentlichten im Vorbeigehen mit "Black Metal" oder auch "Welcome To Hell" doch recht bahnbrechende Alben. Und ja, damals war VENOM live noch eine absolute Macht, und auch wenn die Cronos-Truppe heutzutage nicht mehr alle Himmel komplett verdunkeln, so war das Mitte der 1980er Jahre noch ein bisschen fieser, explosiver, gefährlicher, einfach geiler. "Live From London" verbindet das Trio Infernale auf ihren kreativen Höhepunkt (?) mit dem legendären Hammersmith Odeon.

Herausgekommen ein Output, der mich nicht nur in wildes Headbangen und Grölen, sondern bisweilen auch in Staunen versetzt. Eigentlich ein perfekter Act für einen angebrochenen Abend mit ein wenig Bier, Grillgut und prächtiger Laune. Es rumst und rumort, es scheppert und kracht, Pyros hier, Explosionen dort, VENOMs "Live In London" hat auch 35 Jahre später noch immer eine absolute Daseinsberechtigung. 'Witching Hour', 'Countess Bathory', 'Bloodlust' oder auch 'In Nomine Satanas' sprechen eine ebenso deutliche Sprache wie das höllische Gitarren- beziehungsweise Drumsolo oder Cronos' stürmisches Gemüt. Publikum und VENOM werfen sich fanatisch die Spielbälle zu, Aktion trifft auf Reaktion, und die war einst in London recht ausgelassen. Pünktlich zum 'Witching Hour'-Abschluss ist es draußen stockfinster, so sollte es sein. From the very depth of hell eben.

Langsam kommt der Hunger wieder. Doch selbst das beste Grillfleisch der Welt geschweige denn schnöde Dosenravioli haben keine Chance gegen...

TWISTED SISTER

"Good evening and welcome to the show!" Wenn ich die möglichen Headliner für ein eigenes Festival im Kopfe durchgehe, fällt auch irgendwann der Name TWISTED SISTER. Snider und Co. waren Garanten für Shows der Superlative und vollkommener Ekstase. Nach ihrem letzten Konzert 2016 in Mexiko war leider Feierabend, doch you can't stop Rock 'n' Roll! Und dank Outputs wie beispielsweise "Live At The Astoria" von 2008 kann man auch Jahre später noch die fünf Ami-Energiebündel in seinem heimischen Wohnzimmer tanzen lassen.

Tja, the kids are back und so sorgen Dee und Konsorten für einen mehr als energiegeladenen Abschluss des heutigen Tages. Mittlerweile ist das CD/DVD-Package für recht kleines Geld zu haben, was aber nichts zur Qualität des Outputs aussagt. Denn dieses hat es in sich: TWISTED SISTER zockt sich bockstark durch das 16-teilige Set, der Videomitschnitt sorgt für ein äußerst unverfälschtes Erlebnis, der Ton kommt kloßbrühenklar und ziemlich wuchtig aus den Boxen. Veröffentlicht wurde das gute Stück zwar erst vier Jahre nach der Aufnahme, doch schon 2004 brannte die Band ein absolutes Feuerwerk ab. Leute, schaut euch diese Setliste an: 'What You Don't Know', 'Burn In Hell', 'We're Not Gonna Take It', 'I Am, I'm Me' etc. sprechen Bände.

TWISTED SISTER besteht aus fünf absoluten Rampensäuen, die es lieben, ihren TWISTED-fuckin'-SISTER-Hardrock/Metal mit aller Vehemenz ins Publikum zu schleudern. They come out and play! Bass und Schlagzeug werden vermöbelt, die Gitarren bis aufs Äußerste strapaziert und ob nun mit oder ohne Panzer, man kann vor Dee "Springinsfeld" Snider nur den Hut ziehen. Automatisch wird man von der Dynamik und der Kraft des Blondschopfs in den Bann gezogen. Wir freuen uns mit der 'I Wanna Rock'-Vorgabe auch auf der heimischen Couch über einen tollen Output, aber noch mehr über den Auftritt einer Band, die es in dieser Art kein zweites Mal geben wird. So verabschieden wir uns vom zweiten Festivaltag und sind STILL HUNGRY!

Was für ein Tag. Hits über Hits, Riffs über Riffs, Hymnen über Hymnen, alle geschichtsträchtiger und meilensteiniger als die vorherigen. Zufrieden legen wir uns schlafen, doch der dritte Tag lässt nicht lange auf sich warten und wird mindestens genauso legendär.

HIER geht es zu Tag 3!

Redakteur:
Marcel Rapp

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