Summer Breeze 2018 - Dinkelsbühl

11.11.2018 | 13:15

15.08.2018, Flugplatz

Auch dieses Jahr waren wir wieder beim Summer Breeze und hatten viel Spaß. Wieviel, das berichten wir hier.

Mein Anschlusstag beginnt erstmal mit Metalcore.Trotz des Namens stammt NAPOLEON aus England und ist mir unbekannt, aber nach einigen Stücken bin ich vor allem ob der Leistung des Gitarristen Sam Osborn beeindruckt. Das Ganze hat akustisch etwas von THE FALL OF TROY, was der Flitzefinger da auf dem Griffbrett abzieht, ist wirklich große Kunst. Nachvollziehbarer macht es die Musik allerdings nicht, und da ich die Lieder nicht kenne, zeigen sich bei mir alsbald leichte Ermüdungserscheinungen. Zumal natürlich ein wild schreiender Sänger auch keine Melodiehaltepunkte zu setzen vermag. Nun, ich muss jetzt sowieso los, beschließe, mir NAPOLEON mal zu merken und auf Konserve anzutesten, und begebe mich rüber zur Hauptbühne.

 

Denn da steht nun BANNKREIS auf dem Programm. Eric Fish hatte sich vor ein paar Jahren mit der Sängerin und Multiinstrumentalistin Johanna Krins zusammengetan, um etwas andere Musik zu machen als es mittlerweile bei seiner doch sehr metallisch gewordenen Stammband SUBWAY TO SALLY der Fall ist. BANNKREIS geht zurück zu den Folk-Wurzeln und arbeitet hauptsächlich mit akustischen Instrumenten, doch als bald weitere Mitglieder von SUBWAY TO SALLY hinzustießen, war ich sicher nicht der Einzige, der sich an die frühen Zeiten der U-Bahn erinnert fühlte. Nun also stellt die Band Lieder des ersten Albums "Sakrament" live vor und zieht eine beachtliche Menge vor die Hauptbühne, obwohl es noch früh am Tag ist. Eric selbst ist sich bewusst, dass ein solches Akustik-Projekt auf dem SUMMER BREEZE ein ungewöhnliches musikalisches Ausschlagen aus dem vorgegebenen Pfad ist und kündigt die Band an als etwas "für die romantische Seite der Metaller". Der Frontmann steht natürlich auch bei BANNKREIS im Mittelpunkt des Geschehens, während der weibliche Gegenpart Johanna Krins an ihrer Stelle verharrt, singt und Schlaginstrumente und diverse Flöten bedient. Das liegt in der Natur der Sache, denn die zierliche Musikerin ist seit früher Kindheit sehbehindert und schwelgt häufig mit geschlossenen Augen in den schönen Klängen des BANNKREISes. Da ich ein großer Fan von Eric Fish bin, hat die Band bei mir leichtes Spiel, doch ich muss kurz vor dem Ende nochmal rasch zur T-Stage für ein paar Fotos, sodass ich die Coverversion des EURYTHMICS-Hits 'Sweet Dreams' als Wegbeschallung mitbekomme.

 

Ich klappere einfach mal die beiden kleineren Bühnen ab, schaue bei den Metalcorlern THE SLEEPER kurz rein und lasse ein paar Töne von EINHERJER auf mich einwirken, aber da mit dem Viking Metal der zweitbesten Band aus Haugesund (die beste? Natürlich SLAVES TO FASHION) wenig vertraut bin, ist es okay, dass ich mich damit nicht lange beschäftigen kann. Es groovt, aber der Gesang könnte etwas Melodie gebrauchen. Für eine fundierte Aussage ist meine Anwesenheit zu kurz, aber die stampfenden Nord-Hymnen animieren zum Headbangen, auch wenn ich nach drei Liedern genug habe und mich sowieso wieder auf den Weg machen muss.



Schon bald bin ich zurück an der Hauptbühne, denn jetzt kommt PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS. Der ehemalige MOTÖRHEAD-Gitarrist hat eine Band aus Campbells zusammengestellt, zu der er nur Sänger Neil Starr als Nichtfamilienmitglied hinzugezogen hat. Und so rotzt und rockt sich die ver-starr-kte Campbell-Bande durch ihren einstündigen Set bestehend aus eigenen Liedern und ein paar Coverversionen, darunter natürlich das unvermeidliche 'Ace Of Spades', aber auch 'Silver Machine' von HAWKWIND. Letzteres ist klasse und eine gute Wahl, aber dass Herr Campbell ausgerechnet dieses tausendmal gecoverte Lied selbst auch noch bringen muss, verstehe ich nicht. MOTÖRHEAD hat eine ganze Phalanx an Klassikern hervorgebracht, hätte es nicht 'Overkill', 'Bomber' oder irgendeiner der zahlreichen anderen frühen Hits aus Lemmys Vermächtis sein können? Egal, wie enthusiastisch 'Ace Of Spades' aufgenommen wird, es reduziert mir die Geschichte der britischen Rock 'n' Roller zu sehr auf dieses eine Stück, wenn es immer wieder herhalten muss und gerade ein langjähriger Weggefährte Kilmisters wie Phil Campbell könnte ein bisschen origineller zu Werke gehen, zumal Phil aus dem 1980er Album gar nicht spielt. Die Band wirkt während des ganzen Sets agil, aber nicht überbordend enthusiastisch, doch der kraftvolle, harte Rock ist genau das Richtige, um bei Sonnenschein und kaltem Bier im Infield zu stehen. Ein bisschen mehr 'Big Mouth'-Attitüde, um mal einen Songtitel zu zitieren, würde der Band noch gut zu Gesicht stehen, aber auch so ist PHIL CAMPBELL AND THE BASTARD SONS eine Bereicherung für das SUMMER BREEZE 2018. Für mich sowieso, weil da endlich mal jemand nicht nur rumbrüllt. Heute gibt es davon nämlich nur etwa ein halbes Dutzend. Insgesamt. Über den ganzen Tag und auf allen Bühnen. Ich leide.



Allerdings ist das Problem noch größer, als es sich für mich anhand der gutturalen Sängerarmada darstellt. Nach einem Abstecher zu SIBIIR (nicht meins) und dem Rotzrock der Briten ORANGE GOBLIN (klasse) offenbart sich das Problem, denn nicht alle Bands mit Klargesang sind auch gut. In diesem Fall spielt auf der Hauptbühne FEUERSCHWANZ. Das ist so eine Mittelalter-Kapelle vergleichbar mit J.B.O., genauso wenig witzig, aber mit genauso viel Kasperltheater. 'Hexenjagd' und 'Blöde Frage, Saufgelage' werden vom Publikum gut aufgenommen und 'Seemannsliebe' sorgt für körperliche Ertüchtigung, weil die Band alle zu Ruderbewegungen auffordert. Nur: was hat das auf dem SUMMER BREEZE zu suchen? Irgendwo zwischen Komödienstadel und ZDF Morgenshow blödeln sich die Kostümierten durch platte Witze verpackt in, das muss ich zugeben, angemessene Lieder, die auch nicht schlechter sind als das, was zum Beispiel SCHANDMAUL einige Tage zuvor dargeboten hat.

 

Leider trifft es meine humoristische Ader nicht, also gehe ich wieder rüber zu den Growlern. In diesem Fall: WOLFHEART. Die Finnen sind bereits zum dritten Mal auf dem SUMMER BREEZE, aber ich muss zugeben, dass ich sie noch nie gesehen habe. Die Skandinavier entsprechen einfach nicht meinem Futterspektrum, denn sie spielen Death Metal mit ein paar Einsprengseln in Richtung Black Metal. Wobei ich feststelle, dass ich mal wieder bis auf den Gesang nicht viel auszusetzen habe. WOLFHEART agiert durchaus auch atmosphärisch vor einem coolen Backdrop, was mir entgegenkommt, und hat ein Gefühl für schwarze Melodien. Das verbindet sie übrigens mit OMNIUM GATHERUM, die im Anschluss auf der T-Stage spielt. Die ebenfalls aus Finnland stammenden Deather haben einen großen Anteil an Harmonien, wofür sie sich auch nicht schämen, ein Keyboard einzusetzen. Das macht die Musik für mich gleich viel zugänglicher und hinterlässt bei mir einen guten Eindruck, auch wenn ich nur zehn Minuten lauschen kann, denn dann muss ich rüber zur Hauptbühne.

 

Dazwischen spielt KORPIKLAANI und schlägt wieder in die Kerbe der Promille-Bands. Das Sauf-Image der Finnen kommt zwar durch die muttersprachlichen Texte nicht so prominent zum Vorschein, aber man kennt ja Lieder wie 'Beer Beer' und 'Vodka', weiß also, was einen erwartet. Und das ist Folkrock mit barfüßigem Waldschrat. Das halte ich für ein paar Lieder aus, aber danach nimmt mich ds Ganze nicht recht mit.

 

Dafür kommt hier jetzt mein Headliner des Tages, unser lieber Udo unter dem Banner DIRKSCHNEIDER. Vor zwei Wochen hatte ich ihn auf dem ROCK OF AGES-Festival bereits gesehen, aber da hatte er deutlich mehr Spielzeit, auf dem SUMMER BREEZE sind es 75 Minuten. Aber Udo Dirkschneider ist so lange im Geschäft, er weiß, was die Anwesenden hören wollen: ACCEPT-Klassiker. So lässt er einfach alles weg, was man nicht zu den Großtaten seiner Ex-Band zählen kann und liefert einen Best-Of-Auftritt, der sich gewaschen hat. 'Metal Heart' als Opener, das ist ein Pfund, und danach geht es Schlag auf Schlag. Die Band ist gut eingespielt und obwohl sowohl Udo als auch seine Mannen diese Lieder schon bis zur Besinnungslosigkeit gespielt haben dürften, hat man nie den Eindruck, dass sie Dienst nach Vorschrift abliefern würden. Wieder wird bereits in der Mitte des Sets 'Princess Of The Dawn' gespielt und für Mitsingspielchen verwendet und das folgende 'Restless And Wild' kommt heute auch besonders druckvoll rüber. Der Set arbeitet langsam auf den Höhepunkt hin, der sich dann in 'Fast As A Shark' und dem Grölmonster 'Balls To The Wall' entlädt. Ja, in dieser FORM ist DIRKSCHNEIDER ein willkommener Gast auf den Bühnen der großen Sommerfestivals, allerdings neigt sich das Projekt dem Ende zu. Schon bald werden wir wieder den U.D.O.-Tross durch die Lande ziehen sehen, das neue Album steht bereits in den Startlöchern.

 

Da ich den Set kenne und erst kürzlich gesehen habe, gehe ich rüber zu KADAVAR, um mir eine Prise Retrorock in die Lauscher blasen zu lassen. Hier regieren die Siebziger, hier fliegt die Matte und wird geschrammelt, lange instrumentale Passagen gehören genauso dazu wie mitsingbare Refrains, doch für einen anderen Headliner möchte ich wieder pünktlich an der Hauptbühne sein.

 

Dieser besagte Headliner ist PAPA ROACH. Die Band kann auch bereits auf 25 Jahre Historie zurückblicken und hat offensichtlich viele Freunde, denn das Infield vor der Hauptbühne ist ziemlich voll. Den ganz großen Ruhm hatte PAPA ROACH ja bereits in der Frühphase mit dem Album "Infest" geerntet und für Viele verschwand PAPA ROACH dann in der Versenkung, obwohl die musikalische Reise der Jungs da ja erst begann. Auf diese Reise werden wir heute mitgenommen, denn es geht quer durch die Diskographie, immer mit einer gewissen Aggression, die aber nicht die Musik überstrahlt. Sänger Jacoby Shaddix steht mit seinem auffälligen Haarschnitt Marke "take to the sky" im optischen Mittelpunkt und ist mit seiner kraftvollen Stimme auch sonst das Aushängeschild, beansprucht spätestens mit seiner Ansage zu Drogen und Alkohol und dem Gedenken an LINKIN PARK-Sänger Chester Bennington auch noch die Sympathiebrocken, die sonst für die stark spielende Band übriggeblieben wären, für sich. Nein, heute steht der Fronter komplett im Mittelpunkt, prägt den Gig und führt PAPA ROACH zu einem gefeierten Auftritt, mit dem die Band den Headlinerslot eindrucksvoll rechtfertigt.

 

ORPHANED LAND erzeugt da eine ganz andere Stimmung. Orientalische Melodien und die starke Gesangsleistung von Frontmann Kobi Farhi sind immer ein Höhepunkt. Leider komme ich etwas spät wegen der üblichen Überschneidungen der Bühnen, mache rasch ein paar Fotos und höre mir noch zusammen mit einer Menge, die das Fassungsvermögen der Camel Stage deutlich sprengt, die großartigen Lieder der Band aus Israel an. Nach dem Ohrwurm 'Sapari' setze ich meinen Weg fort, wohl wissend, dass ich jetzt wieder etwas Heftigeres werde aushalten müssen.

 

Denn jetzt gehe ich nochmal rüber zur T-Stage, wo CALIBAN loslärmt. Ja, das ist Metalcore, mit Crowdsurfern, Moshpit, Wall of Death und harten Songs mit Shouts, die nur durch die Keyboardsamples für mich etwas erinnerungswürdiger werden und sich dadurch ein wenig unterscheiden von den harten Sounds, die ich jetzt schon seit mehreren Tagen aushalte. Schade, dass ich mittlerweile wirklich keine Ader mehr habe für Aggression und Gehüpfe, aber das Publikum feiert die Deutschen, was bedeutet, dass sie etwas sehr richtig machen müssen. Großer Jubel brandet auf, als CALIBAN eine RAMMSTEIN-Coverversion spielt, die ich aber erstmal nicht erkenne. Zum Glück wird mir schell geholfen, als man mein verwirrtes Gesicht sieht. Auch hier muss ich kurz vor Schluss gehen, zurück zur Hauptbühne, aber zugegebenweise reicht es mir jetzt auch, zumal die hektische, aggressive Lichtshow, die die Musik großartig unterstützt, mir etwas auf die Nerven geht.

 

Aber es gibt ja noch einen weiteren Headliner heute Abend, einen, der für eine gewisse Mimosenhaftigkeit, oder vielleicht sollte man sagen: Star-Arroganz, berüchtigt ist: W.A.S.P.. Bandleader Blackie Lawless lebt sein Image und gilt als etwas schwierig, was sich auch manchmal in seinen Auftritten wiederspiegelt. Ich erinnere mich an ein W.A.S.P.-Konzert, bei dem die gesamte Band so lustlos agierte, dass ich in der Mitte des Sets gegangen bin. Nun, mal sehen, ob es heute besser wird. Mit dem Doppel aus 'On Your Knees' und 'Inside The Electric Circus' geht es gleich in die Vollen. Blackie ist nicht jünger geworden und hat um die Körpermitte ein bisschen zugelegt, aber seine Stimme hat nichts von ihrem Reibeisencharme eingebüßt. Ja, das reißt einfach mit. Die Setliste enthält natürlich viele der Bandhymnen, allerdings auch eine Coverversion von 'The Real Me', das W.A.S.P. zwar auf dem "Headless Children"-Album eingespielt hatte, aber hier wäre mir eine eigene Komposition lieber gewesen. Zum Beispiel 'Blind In Texas', das heute in der Setliste fehlt. Aber sonst kann W.A.S.P. tatsächlich auf ganzer Linie überzeugen und hat das Publikum komplett auf seiner Seite, was man an den frenetischen Chören beim Smasher 'L.O.V.E.' bemerkt. Da Lawless für seinen Gesang zwangsläufig an seinen Platz gebunden ist, übernimmt Randy Piper den Showteil und wetzt über die Bühne, wirft sich in Pose und lässt den Rocker raushängen. Der Platz im Billing ist gerechtfertigt, W.A.S.P. lässt es rocken, auch wenn sich die Show natürgemäß auf das musikalische Geschehen reduziert. Aber immerhin gibt es Pyros, die auch visuell ein bisschen Eindruck schinden.

 

Zum Glück gibt es für mich noch eine andere Band, die den Abschluss bilden wird, bevor ich mich nach Hause aufmache, denn der Energielevel von W.A.S.P. und vor allem des Publkums ist doch ziemlich adrenalintreibend gewesen: SOLSTAFIR. Zwar werden danach noch ein paar harte Kapellen spielen, aber die melancholischen Post-Rocker mit schwarzmetallischer Vergangenheit sind so ein schöner und perfekter Abschluss für das SUMMER BREEZE 2018, dass ich danach tatsächlich keine Lust mehr auf irgendetwas habe. Die atmosphärischen, ebenso ruhigen, wie dennoch mitreißenden und epischen Stücke der Isländer erlauben es einfach nicht, sich während der sechs Lieder umfassenden Setliste, die die drei in einer Stunde Spielzeit unterbringen können, loszureißen. Als der Auftritt mit 'Goddess Of The Ages' endet, setzt dies den grandiosen Schlusspunkt unter das diesjährige SUMMER BREEZE.



Ja, hart war es. Musikalisch, meine ich. Ansonsten gibt es wieder Lob zu verteilen für eine gute Organisation, bei der nur der Weg zwischen Hauptbühne und T-Stage weit war, aber vor allem für Fotografen schwierig, weil man immer gegen den Menschenstrom ankämpfen musste, doch sonst kein Grund zum Klagen zu finden wäre. Die Camel Stage ist größer geworden und damit das Programm vielfältiger, das Angebot an Speisen und Getränken ist mehr als ausreichend, und die Tatsache, dass das Partyzelt weiter weg ist als früher, hat auch den Anteil alkoholisch Schlagseitiger auf dem Gelände verringert. Eine ganz besondere Erwähnung gebührt den Grabenschlampen, der Security vor jeder Bühne, die vier Tage lang in Hitze und dem Regenschauer ausharrten, halfen und selbst ganz am Ende noch lächelten und sich von Crowdsurfern, Fotografen und Kollegen herzlich verabschiedeten, nachdem sie mit Bestimmtheit und Freundlichkeit bei hundert Bands dafür gesorgt hatten, dass das SUMMER BREEZE auch im größten Surfer-Taumel ohne größere Blessuren abging. Chapeau!

[Frank Jaeger]

Redakteur:
Frank Jaeger

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