ACID REIGN - The Age Of Entitlement
Mehr über Acid Reign
- Genre:
- Thrash Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Dissonance Productions / Plastic Head
- Release:
- 27.09.2019
- T.A.O.E.
- The New Low
- #newagenarcissist
- My Peace Of Hell
- Blood Makes Noise
- Sense Of Independence
- Hardship
- Within The Woods
- Ripped Apart
- United Hates
Nach fast dreißig Jahren haben die UK-Thrasher die Punk-Roots und nackenbrechenden Thrash noch immer im Blut.
Der Thrash Metal war im Vereinigten Königreich nie der wirklich dominierende und erfolgreiche Trend in Sachen metallischen Musizierens, doch eines muss man den UK-Thrashern lassen, die fast ausnahmslos in den späten Achtzigern und frühen Neunzigern ihre Hochphase hatten: Sie waren fast alle originell und eigenständig, also keine bloßen Abziehbilder ihrer meist deutlich prominenteren Kollegen aus der kalifornischen Bay Area und dem teutonischen Kohlenpott. So verhält es sich auch mit ACID REIGN, der 2015 von Sänger Howard "H" Smith mit vier neuen Mitstreitern reformierten Truppe aus Harrogate in Yorkshire, die ursprünglich so um das Jahr 1990 herum als damals blutjunge Rasselbande diverse Singles und die beiden Studioalben "The Fear" (1989) und "Obnoxious" (1990) veröffentlicht hat, welche sich voll und ganz dem speedigen Thrash Metal mit Hang zur punkigen Note verschrieben hatten.
Dass die Musiker mit dem neuen Album "The Age Of Entitlement" nach fast dreißig Jahren auch genau dort wieder anknüpfen wollen, verrät schon das gelungene Artwork mit dem Cyberpunk-Clown beim Selfie-Shot. Dementsprechend weiß die kommende Dreiviertelstunde dann auch Altfans wie nachgewachsene ACID REIGN-Banger für sich einzunehmen, mit flottem, hackenden, und furztrocken riffendem Thrash Metal, der seine weiteren Wurzeln ganz offensichtlich aus dem Speed Metal der Achtziger bezieht und diese klassische Mixtur mit immer wieder spürbaren, melodischen wie fetzigen Punkeinflüssen garniert. Auf diese Weise lassen sich vielleicht gewisse Parallelen zu ANTHRAX und dem MORDRED-Frühwerk ziehen, doch ACID REIGN klingt dennoch nicht nach irgendwelchen US-Vorbildern sondern insgesamt in Produktion und Stil, ja, einfach britischer.
Das Quintett aus "God's Own County" brettert nach einem gut zweiminütigen Intro mit dem fiesen, Nackenmuskeln zerstörenden Riffmonster 'The New Low' los, zu dem die Band auch einen Videoclip gedreht hat, und das mit punkigen Shouts in den Versen und dem aggressiven Refrain aufwarten kann, in der Bridge allerdings einen recht zeitgemäßen Groove anschlägt. Dies ist jedoch auch schon die einzige Verneigung vor den neuen Zeiten gewesen, denn im weiteren Verlauf gibt sich ACID REIGN den Wurzeln treu. Trotz des hippen Titels '#newagenarcissist' ist das folgende Stück, das wohl dem Covermodell gewidmet sein dürfte, klassischer, breaklastiger Mosher-Stoff wie man ihn auch von ANTHRAX zu "State Of Euphoria"-Zeiten geliefert bekam, wobei vor allem der eigenwillige Refrain hier wirklich erste Sahne ist. Frontmann H präsentiert sich hier wie generell auf der Scheibe vielseitig, aber stets charismatisch und mit rohem, punkigem, aber dennoch niemals komplett unmelodischem Shouting, das dafür sorgt, dass es einfach Spaß macht, dem Mann zuzuhören.
Generell ein paar Schippen mehr Speed plus ein paar melancholischere Grooves gönnt man 'My Peace Of Hell', bevor 'Blood Makes Noise' uns zwei Minuten puren Punk (plus Solo) um die Ohren schmettert, dass die Hütte wackelt. Ein weiterer solch knackiger Punktrack findet sich im basslastigen und derbe durchgeshouteten 'Ripped Apart' kurz vor Ende, doch ACID REIGN kann auch wuchtiger und heavier, wie etwa bei 'Sense Of Independence', das geschickt zwischen erdrückenden, getragenen Akkorden und hektischen Riffs hin und her wechselt. Bei 'Hardship' spielt die Band gelungen mit Disharmonien und zäh verschobenen Grooves, führt diese jedoch immer wieder ins bandtypische Fahrwasser zurück, und beim stattlichen Achtminüter 'Within The Woods' gibt es sogar einen guten Schuss Horroratmosphäre durch Samples und mystische Klänge, sowie durch ausgedehnte instrumentale Leadgitarren-Parts und ein teilweise deutlich getrageneres Grundtempo mit länger klingenden Akkorden, was uns einen der düstersten und epischsten ACID REIGN-Songs überhaupt beschert, der mir ganz ausgezeichnet gefällt.
Der Hinausschmeißer 'United Hates' fasst das ganze Oeuvre ACID REIGNs nochmals gelungen und zwingend zusammen und entlässt uns daher mit der Gewissheit in die Nacht, dass mit H und seinen Mannen wieder zu rechnen ist. Jeder Thrasher, der längst die Schnauze voll hat von allzu viel Hochglanz-Ballerkram von etablierten Größen in den vergangenen Jahren, und der seinen Thrash Metal noch heute lieber punkig, schnörkellos, derb schrotend und schmutzig produziert haben will, täte gut daran, mal bei den Engländern und "The Age Of Entitlement" ein Ohr zu riskieren.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle