ANGSTKVLT - Follow And Obey
Mehr über Angstkvlt
- Genre:
- Black Metal / Avantgarde
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Hands Of Blue
- Release:
- 12.03.2021
- KVLT Of Fear
- Collector Of Souls
- Schleichfahrt
- Images Of Vanity
- Join the KVLT
Aus einem Black-Metal-Fundament erwächst ein eigenwilliger, progressiver Crossover.
Wenn die durch eine langjährige Freundschaft und gemeinsame Reise durch musikalische Welten verbundenen Kvltisten H. und B. im März des Jahres 2021 ihre Debüt-EP "Follow And Obey" veröffentlichen, dann ist das zeitlich und situativ durchaus passend gewählt, denn auch Michael Kraxenberger, der Produzent der Band, ist der Meinung, dass das knapp halbstündige Minialbum mit seinen fünf Stücken über Furcht, Religionen, Kulte, Gefolgschaft, Gehorsam, den stillen, hinterhältigen Tod und die einsame Seelenpein einen ganz guten Soundtrack für das just beendete Jahr 2020 abgegeben hätte. Angesichts der gewählten Thematik und der außergewöhnlichen Weltlage ist diese Sichtweise durchaus nachvollziehbar, denn der ANGSTKVLT führt uns durch allerlei dichte musikalische Stimmungen zwischen Anmut, Beklemmung und Groteske, die ihr vermutlich in dieser Form und Kombination noch eher selten erlebt haben dürftet.
So präsentiert sich "Follow And Obey" sicherlich ganz wesentlich vom Black Metal, speziell von einigen der großen norwegischen Ikonen beeinflusst, doch auf diese fraglos vorhandenen und auch durchaus offen und unverschämt, wenngleich dennoch sehr dezent zu Tage tretenden Wurzeln lässt sich die Musik von ANGSTKVLT weder stilistisch noch ästhetisch reduzieren, denn daneben zeigt sich das bairische Duo auch von progressiv bis avantgardistisch und psychedelisch rockenden Klängen beeinflusst. Spacige Synth-Sounds sind ebenso Teil des Oeuvres wie mehrstimmiger Klargesang, wabernde Siebziger-Orgelei, technoides Sampling und postpunkige bis neofolkige Referenzen an der einen oder anderen Stelle.
Zusammengehalten wird die EP dabei durch die mir sehr gut gefallende, weitgehend zweistimmige Gesangsperformance der beiden Kvltisten, die nur als absolut eigenwillig und markant beschrieben werden kann. Dabei wird meist von beiden klar und dunkel, mit sonorem Timbre gesungen, was die Band schon einmal sehr weit vom Black-Metal-Standard abhebt. Dass es aber auch mal wohl dosiert härter, aggressiver, böser und hysterischer zur Sache gehen kann, lockert einerseits das Gesamtbild ungemein auf, und offenbart andererseits eben auch die schwarzmetallische Herkunft der Protagonisten. Eine zweite stilistische Klammer wird durch die durchdringenden, warm und voluminös klingenden Gitarrensoli gesetzt, die immer wieder sehr deutlich hervor treten, und ein echtes Markenzeichen der Band abgeben.
Mit einem Schuss, auf Stein aufschlagendem Messing, dem Klang einer repetierten Patrone also, und dem mit hysterisch brechender Stimme gezeterten Intro legt dann erst einmal ein wildes, rasendes Black-Metal-Riff los. Flankiert von technoidem Rhythmus dürfte dieses direkt MYSTICUM- oder SÖNDERFALL-Fans (gibt es noch welche?) auf den Plan rufen, da es dem Opener 'Kvlt Of Fear' eine totalitär-militaristische Aura verpasst, die sich allerdings immer wieder in melodischere, beschwörende Passagen hinein entwickelt, die den schwarzmetallischen Versen einen leicht gruftrockigen Refrain zur Seite stellen. Der tolle Opener mit seinem großartigen Gitarrensolo hinterlässt also direkt einen positiven allerersten Eindruck von ANGSTKVLT, bevor 'Collector Of Souls' sich in den Versen als der Headbanger des Albums entpuppt. Das Hauptriff ist hier am ehesten von traditionellem Heavy Metal inspiriert und geht direkt in den Nacken, wobei der Refrain sich hier von einer epischen, melancholischen und sehr melodischen Seite zeigt.
Inmitten des Albums steigen die Kvltisten ins U-Boot und gehen auf 'Schleichfahrt', wobei sie alle Register ziehen, um eine Stimmung wie aus dem Film "Das Boot" zu erzeugen. Das walzende, rollende Hauptriff sorgt ebenso für ein maritimes Feeling wie die klagende Leadgitarrenmelodie, die einsam über den Wogen singt. Dazu kommt ein heftig industriell angezerrter, beklemmender Gesang, der klingt wie der verzweifelte Kriegsbericht des Kaleun durch den Bordfunk, sowie dieses wunderbare, repetitive Ping des Echolots und das durch den Gitarrensound symbolisierte Ächzen der Stahleinhausung unter dem Tonnendruck des Wassers. Ein herrlich erdrückender Albtraum unter See. 'Images Of Vanity' erlebt sodann einen wagnerianischen Auftakt mit so triumphalen wie einschüchternden Blechbläsern, die zur Wilden Jagd blasen, alsbald von flirrenden Riffs der Vikernes- oder Ruch-Schule flankiert werden und aus denen ein sehr doomiges und ansatzweise postschwarzes Stück erwächst.
Zum Schluss zieht nun noch 'Join The Kvlt' alle Register des instrumentalen, gesanglichen und lyrischen Wahns. Vermutlich hätte Mirai Kawashima seine wahre Freude daran, wie sich die Band hier in einen immer schneller, wahnsinniger und abgedrehter werdenden Reigen aus venominöser Punkigkeit, heepscher Orgelei und am Ende fast hysterisch-grotesken Pythonismus im Gesangselement hinein steigert und um den eigenen Irrsinn Karussell fährt. So endet diese EP, die bei aller Eigenwilligkeit und Vielseitigkeit auch unheimlich viel Wert auf melodische Hooks und markante Songs legt, auf einem wilden und extravaganten Höhepunkt. Sie empfiehlt sich damit auf ganzer Linie jenen, die sich gerne willenlos diesem aus einem Black-Metal-Fundament erwachsenen Crossover hingeben möchten, der zudem auch die Gefilde von Krautrock, psychedelischem Prog und vielem mehr streift. Speziell Menschen, die sich bei SIGH und DØDHEIMSGARD zu Hause fühlen, der Groteske von Monty Python nicht gänzlich abgeneigt sind und auch gerne mal HAWKWIND, URIAH HEEP oder die frühe E.A.V. auflegen, sind damit gemeint.
Fraglos ein spezieller Kvlt, dieser ANGSTKVLT. Aber Mitmachen ist Ehrensache. Sammler mögen danach trachten, eine der auf hundert Stück limitierten und nummerierten Holzboxen zu bekommen.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle