ARCH/MATHEOS - Winter Ethereal
Auch im Soundcheck: Soundcheck 05/2019
Mehr über Arch/Matheos
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- MetalBlade (Sony)
- Release:
- 10.05.2019
- Vermillion Moons
- Wanderlust
- Solitary Man
- Wrath Of The Universe
- Tethered
- Straight And Narrow
- Pitch Black Prism
- Never In Your Hands
- Kindred Spirits
Ein Meilenstein.
Ihr kennt das, oder? Ein heiß ersehntes Album steht an, dem ihr mit einer (zu) hohen Erwartungshaltung entgegenfiebert. Nicht selten enttäuscht das Werk dann ein wenig, manchmal erfüllt es die hohen Erwartungen und sehr selten macht es "Bang!", Glückshormone feuerwerken durch euren Körper und ihr wisst nach wenigen Momenten bereits, dass ihr ein ganz besonderes Werk hört. Genau dieses Gefühl hatte ich als "Winter Ethereal" seine erste Runde im virtuellen Player drehte. Und knapp 40 Durchläufe später ist dieses Gefühl mitnichten abgeflaut. Im Gegenteil.
Aber fangen wir vorne an. Fast acht Jahre hat es gedauert, ehe John Arch und Jim Matheos nach dem fulminanten Werk "Sympathetic Resonance" wieder gemeinsam Musik veröffentlichen. Eine Dauer, die kaum überrascht, hatte John Arch doch bereits zum Release damals gesagt, dass es dann ein neues Werk gebe, wenn alle Parameter für diesen Sangesgott und den begnadeten Gitarristen und Songwriter passen würden: Kreativität, Zeit und Lust.
Schon beim ersten Durchlauf fallen einige, ziemlich gravierende Änderungen im Vergleich zum Vorgänger auf. "Winter Ethereal" erscheint vom ersten Ton an harmonischer, organischer, melodischer und abwechslungsreicher als das vorherige Monument. Dies erkennt man bereits an so banalen Dingen wie der Anzahl der Tracks und den Songlängen. Neun Nummern, die zwischen etwas über vier und 13 Minuten lang sind, addieren sich zu 70 Minuten Gesamtspielzeit. Und keine Sekunde davon ist zu viel.
Den Anfang macht das neunminütige Monster 'Vermillion Moons', bei dem die mystischen Gesangsmelodien von John Arch völlig magisch über den melodischen Gitarrenleads von Jim Matheos schweben. Trotz der ausufernden Länge erscheint mir der Song klar strukturiert und ziemlich kompakt, obwohl er eben doch ein progressives Herz hat. Die beiden folgenden 'Wanderlust' und 'Solitary Man' könnten trotz aller Unterschiede auch als kommende Single-Veröffentlichungen herhalten. Bei letzterem wird auch deutlich, dass man bei der Rhythmusarbeit auf diverse Gäste zurückgegriffen hat. Neben ehemaligen und derzeitigen FATES WARNING-Mitgliedern wie Joey Vera, Bobby Jarzombek, Joe DiBiase und Mark Zonder, sind hier auch Steve Di Giorgio, Sean Malone und Schlagzeug-Legende Thomas Lang zu hören. Das tut den Songs merklich gut und sorgt auch dafür, dass "Winter Ethereal" nicht nur nach FATES WARNING klingt.
Das folgende 'Wrath Of The Universe' ist dann einer der ganz großen Höhepunkte. Der treibende Acht-Minüter lebt hier ganz besonders von Archs magischer Vocalperformance. Der "strange voices speak in tongues"-Part macht mich jedes Mal wieder fertig. Und auch sonst geht John Arch hier an seine Grenzen und darüberhinaus. Im allerbesten Sinne. Danach braucht man etwas Zeit, um zu regenerieren und diese bietet das völlig traumhafte 'Tethered'. Dieser melodisch-melancholische Edelstein geht so dermaßen unter die Haut, totaler Wahn. Dabei braucht diese Komposition ein paar Durchgänge mehr, um auf sich aufmerksam zu machen, doch wenn sie einen packt, dannn so richtig. Wenn Arch singt "you said what's meant to be - we'll always find a way - but it wasn't meant to be this way" ist zumindest bei mir Gänsehaut garantiert.
'Straight And Narrow' dürften die meisten von euch bereits gehört habe. In seiner Geradlinigkeit und Härte ein ziemlich ungewöhnlicher Song auf "Winter Ethereal", der dem Album aber eine tolle Dynamik gibt und zudem von den famosen Leads von Jim Matheos getragen wird. Überhaupt dürften sich die (wenigen) Kritiker von "Sympathetic Resonance" hier deutlich wohler fühlen. Die Stakkato-Riffs, die es dort häufig gab, sind hier gänzlich verschwunden und auch die Produktion hat insgesamt mehr Luft zum Atmen und drückt nicht mehr so massiv wie auf dem Vorgänger. Mich hat beides nie gestört, aber wem dies ein Dorn im Ohr war, der dürfte hier und heute mehr Freude an ARCH/MATHEOS haben.
'Pitch Black Prism' hätte auch 'Pitch Black Spiral' heißen können, solch ein emotionaler Strudel tut sich hier auf. Wenn man die Geschichte um die russischen Musiker in Tschernobyl kennt (mehr im Interview - PK), versteht man, warum der Song John Arch zu Höchstleistungen treibt. Diese Gesangslinien sind auch einfach nicht von dieser Welt. Das gilt auch für das wundervolle Solo von Jim Matheos in 'Never In Your Hands', das nach etwas mehr als vier Minuten den bis dahin bereits großartigen Song noch besser macht.
Das Beste kommt allerdings zum Schluss. Die 13-minütige Liebeserklärung an (Haus)Tiere mit dem Namen 'Kindred Spirits' ist dermaßen over the top großartig, dass mir schon ein bisschen die Worte fehlen. Kompositorisch und textlich ist das einfach wunderschön, jedes Zahnrädchen greift ins andere, der Spannungsbogen ist sensationell, die Gitarrenarbeit einmal mehr wahnwitzig und wenn John Arch singt "wherever this broken road divides from here, we ride together" tanzen die Puten auf der Pelle im Gleichschritt.
Es ist schon fast bizarr, dass ich "Sympathetic Resonance" auch heute noch 10 Punkte geben würde und "Winter Ethereal" dennoch deutlich besser finde und zwar in wirklich jeder Hinsicht. Ich kann mir heute kaum vorstellen, wer in nächster Zeit ein besseres Album veröffentlichen könnte. Dies ist die Messlatte für 2019, für FATES WARNING und für Progressive Metal im Allgemeinen. Ein Meilenstein.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Peter Kubaschk