ARCHIVE - Axiom
Mehr über Archive
- Genre:
- Artrock/Electo
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Dangervisit/[PIAS]
- Release:
- 23.05.2014
- Distorted Angels
- Axiom
- Baptism
- Transmission Data Terminated
- The Noise Of Flames Crashing
- Shiver
- Axiom (Reprise)
Die britischen Soundkünstler machen auf "Axiom" Filmmusik.
Als ARCHIVE-Fan weiß man, dass man nichts weiß, wenn es um die Frage geht, wie ein neues Album denn klingen könnte. Die britischen Musikvisionäre sind ja bekannt dafür, dass sie immer wieder ihr Konzept ändern und nie kann man sich sicher sein, was und wen man auf einem neuen Album zu hören bekommt. Das findet der ARCHIVE-Fan an sich jedoch überaus spannend, denn enttäuscht wurde er bislang noch nie. Immer wieder schafft es die Band, mein Fanboytum neu zu entflammen. Letztens geschehen mit "With Us Until You're Dead", auf der die junge Sängerin Holly Martin einen fulminanten Einstand gegeben hat, und dann später live ebenfalls frenetische Reaktionen seitens des Publikums ernten konnte.
Und nun kommt "Axiom", die bis dato seltsamste Veröffentlichung der Trip-Rocker. Warum seltsam? Nun, die Idee auf "Axiom" ist es, Musik für einen Film zu produzieren. Es handelt sich hierbei um einen düsteren Science-Fiction-Film von beklemmender Atmosphäre, der nach dem dritten Weltkrieg spielt. Dort herrscht eine Religion namens "Axiom", der sich die Menschheit unterworfen hat und Glocken spielen dabei eine zentrale Rolle. Dieser Film wird als großes Ding gehandelt, wurde er doch mit dem spanischen Filmkollektiv NYSU zusammen mit Jesus Hernandez verwirklicht und am 25. April beim renommierten Sundance Film Festival uraufgeführt.
Leider liegt der Film hier nicht zur Rezension vor und so muss die Musik alleine betrachtet werden. Und sie funktioniert auch gut ohne Bilder, doch dies erfordert einiges an Arbeit und Umdenken, selbst für einen Langzeit-Archivar wie mich.
Das zentrale Motiv von "Axiom" ist das Läuten von Glocken. Als Darius Keeler in der Kirche von Greenwich die Glocken für seine Grundidee aufnahm, war ARCHIVE offenbar so fasziniert von dem, was sich daraus ergeben hat, dass man die Idee letztlich zu einem vollen Album ausgebaut hat. Die Glocken klingen in der Tat so echt, dass man meint, eine Kirche vor der Haustür zu haben. Das chaotisch wirkende Bimmeln verhallt in Sound-Effekten, bevor sich langsam eine an das Glockenspiel angelehnte Melodie herausschält, die vom Synthesizer aufgegriffen wird. Langsam baut die Band dann darum ihre typischen, stoischen Beats auf und veredelt diese mit wabernden, psychedelischen Sounds und tranceartigen Keyboards. Gesang gibt es dazu nicht. Gesang spielt ohnehin eine eher untergeordnete Rolle auf "Axiom". Dennoch ist er wichtig, um die beklemmende, post-apokalyptische Stimmung auszudrücken. Er wird dabei aber meist eher wie ein gesungener Dialog eingesetzt und weniger in Form einer klassischen Hookline. Beste Beispiele sind das anklagende 'Baptism', wo Dave Pen leidet wie selten zuvor oder das dunkel wogende 'Transmission Data Terminated', wozu Holly Martin ein paar Worte spricht. Einige Passagen von 'The Noise Of Flame Crashing' erinnern dann sehr an den Anfang'Collapse/Collide', der "Controlling Crowds"-Übernummer mit Maria Q, die hier aber auch nur zart säuselt und etwas Hoffnung in den manchmal fast trostlosen Sound bringt. Das RADIOHEADige 'Shiver', toll gesungen von Pollard Berrier, ist der mit einer klassischen Songstruktur noch am ehesten vergleichbare Track, bevor der Glockengott zum Abschluss wieder predigt.
Soviel zur Beschreibung der CD, nun zur Wertung. Ganz ehrlich, ich bin nach den ersten Durchläufen von "Axiom" schon arg enttäuscht. Zu sehr dümpelt die Musik vor sich hin und zu wenig Widerhaken zum Festhalten bietet sie. Hierzu wären sicher die Bilder sehr hilfreich. Auch habe ich mich so sehr gefreut, endlich mehr von Holly Martins gewaltiger Stimme zu hören, doch das einzige, was sie zu sagen hat, sind ein paar gesprochene Worte. Ich finde viele der Stärken von ARCHIVE, darunter vier (!) Weltklasse-Sänger(innen) sowie die Fähigkeit, die emotional mitreißendsten Songs aller Zeiten zu schreiben, nicht ausgespielt. Schon haben sich die Worte dafür zusammengebraut, nach "Darkness From A Different Light" von FATES WARNING eine weitere Lieblingsband von mir für ein Ärgernis zurechtzuweisen, doch anders als bei Jim Matheos' Finest mag ich bei ARCHIVE den Sound sehr. Und diese hellen und doch irgendwie bösen Glocken können mich nun doch noch in die Welt von "Axiom" reinziehen. Denkt man sich den Namen weg und lässt allein die manchmal fast meditative Musik wirken, funktioniert das auf einmal. Man darf nicht vergessen, es ist Filmmusik, keine Rockmusik. Und diese kann Bilder entstehen lassen. Bilder, die es bei ARCHIVE zuvor nicht gab, aber Bilder, die zu ARCHIVE passen.
Haben sie mich mal wieder erwischt, diese Bastarde. Jetzt freu ich mich tatsächlich sehr auf die DVD und den passenden Movie. Und vielleicht wächst die Musik ja doch noch zu einem Jahreshighlight, auch wenn ich mir nach wie vor nicht vorstellen kann, dass "Controlling Crowds" in irgendeiner Weise erreicht werden kann. Vielleicht ja live. Wir werden sehen! Ich sowieso.
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Thomas Becker