BIFFY CLYRO - The Myth Of The Happily Ever After
Mehr über Biffy Clyro
- Genre:
- Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- 14th Floor (Warner)
- Release:
- 22.10.2021
- DumDum
- A Hunger In Your Haunt
- Denier
- Separate Missions
- Witch's Cup
- Holy Water
- Errors In The History Of God
- Haru Urara
- Unknown Male 01
- Existed
- Slurpy Slurpy Sleep Sleep
Gemeinsam ins Unbekannte.
Auf der faulen Haut zu liegen, ist offensichtlich nicht die liebste Freizeitbeschäftigung von Simon Neil und den Johnston-Brüdern, denn nur 14 Monate nach "A Celebration Of Endings" legt BIFFY CLYRO das nächste Studioalbum vor. Wer nicht touren kann, der schreibt eben.
Natürlich hat CoVid-19 auf diesem Album seine Spuren hinterlassen. Das beginnt schon damit, dass das Werk dieses Mal zwangsläufig im heimischen Schottland und nicht im fernen Los Angeles aufgenommen und produziert wurde. Letzteres hat die Band selbst in Zusammenarbeit mit Adam Noble übernommen, der dem Trio wie bereits auf dem Soundtrack-Album "Balance, Not Symmetry" aber weitestgehend freie Hand gelassen hat. Ein Umstand, den man "The Myth Of The Happily Ever After" auch anhört.
Wo die Vorgänger immer einen oder zwei Songs hatten, die den üblichen Rahmen deutlich sprengten - man denke an 'The Fog', 'Small Wishes' oder 'Cop Syrup' -, geht es nun deutlich schneller die Songs aufzuzählen, die das nicht tun. Schon die Tatsache, dass es dieses Mal keine Ballade im Stil von 'Opposites', 'Re-Arrange' oder 'Space' gibt, dürfte einige Fans deutlich irritieren. Wenn ich jetzt sage, dass auch keine offensichtlichen Hitsingles wie 'Mountains', 'End Of', 'Biblical' oder 'Bubbles' zu finden sind, wird euch vielleicht sogar ganz mulmig.
Bereits das eröffnende 'DumDum' gibt den Weg vor. Simon singt 'this is how we fuck it from the start', was durchaus als Statement für "The Myth Of The Happily Ever After" zu gelten scheint. Die Nummer wirkt musikalisch überhaupt nicht wie ein Opener, eher wie ein verlängertes Intro, das stilistisch vielleicht noch am ehesten an das bereits genannte 'The Fog' von "Opposites" erinnert. Das bereits veröffentlichte 'A Hunger In Your Haunt' verbindet dann die Punk-Roots des Trios mit Simons typischem Gitarrenspiel und einem großen Refrain, den zumindest ich so schnell nicht mehr aus dem Hirn bekomme. Das folgende 'Denier' behält die garstigen Punk-Töne dann bei und ist ebenfalls auffällig schroff gehalten.
'Separate Missions' beginnt mit sehr auffälligen, beinahe nervenzehrenden Synthies, die wie die gesamte Nummer eine gewisse New-Wave-Atmosphäre ausstrahlen. Es bleibt dann auch bedächtig, aber der Refrain und die Zeile 'you never diminish anymore' sind so herausragend, dass zumindest ich den zunächst leicht anstrengenden Beginn schnell verinnerlicht habe und den Song ins Herz schließe. Sowohl 'Witch's Cup' als auch 'Holy Water' täuschen dann an, echte Balladen zu sein, biegen dann aber auf halbem Wege ab und gewinnen beide unglaublich an Dynamik. Wo der heimliche Titeltrack 'Witch's Cup' - inklusive der Zeile 'The Myth of the Happily Ever After' - eher die episch-dramatische Richtung nimmt, endet 'Holy Water' mit einem der härtesten Parts der jüngeren Bandgeschichte. Doublebass inklusive.
'Errors In The History Of God' hätte tatsächlich auch eine sehr gute erste Single abgegeben, auch wenn die Synthies eher untypisch sind. Dafür gibt es Gesanglinien wie Gemälde von Simon, die eben nur er schreiben und singen kann. 'There's a mystery at large and the stories should be beautiful.' Yep, diese Geschichte ist wirklich schön. Das gilt auch für das folgende 'Haru Urara', das einem 'Re-Arrange' noch am nächsten kommt, aber eben am Ende doch noch einen Schlenker einbaut und zudem mit der wunderbaren simplen Textzeile 'the people you love are the people you need' brilliert.
'Unknown Male 01' wurde vorab bereits als Single veröffentlicht und repräsentiert das Album wirklich gut. Mit über sechs Minuten für eine Single viel zu lang, dazu mit diversen Kurven und Steigungen versehen, dabei aber mit vielen Hooks, dem typischen Drive der Johnston-Brüder und Simons einmaligem Gitarrenspiel ausgestattet. Alles drin, was das Trio und "The Myth Of The Happily Ever After" ausmacht. Viel besser kann man Rockmusik nicht präsentieren.
'Existed' schlägt noch einmal ruhigere Töne an, auch wenn Simon an einigen Stellen in harschere Gefilde vordringt, was einen schönen Kontrast gibt und alle Kitschklippen umschifft. 'Slurpy Slurpy Sleep Sleep' ist dann der noch garstigere Zwillingsburder von 'Cop Syrup'. Fast zwei Minuten lang wird lediglich der Songtitel wiederholt und dabei mit schrägen Synthies unterlegt. Das ist noch nervenzehrender als bei 'Separate Missions'. Es folgt der sphärische Mittelteil, in dem Simon auffordert, jeden zu lieben. 'Don't waste your life, love everybody'. Eine schöne, positive Message, bevor uns der Beginn des Songs einholt und wir noch einmal 'Slurpy Slurpy Sleep Sleep' um die Ohren gehauen bekommen.
"The Myth Of The Happily Ever After" im Gesamtkontext der Diskographie einzuordnen, fällt mir gar nicht so leicht. Das Cover suggeriert eine Fortsetzung von "A Celebration Of Endings", was aufgrund der zeitlichen Nähe und der Tatsache, dass einige Songs gar noch aus den Sessions zum Vorgänger stammen, durchaus logisch erscheint. Aber so kompromisslos ihr Ding durchgezogen, hat die Band bislang nur auf dem Soundtrack "Balance, Not Symmetry". Die von Simon einst in einem Interview mit mir getätigte Aussage, dass ein BIFFY CLYRO-Album zärtlicher ist als eine Live-Show, wird hier zumindest konterkariert.
Ich bin nach kurzem Anlauf und mittlerweile locker 40 Durchläufen in nur knapp drei Wochen großer Fan von "The Myth Of The Happily Ever After" geworden und denke, dass vom Fan der ersten Stunde bis hin zum 'Re-Arrange'-Anbeter eigentlich jeder hier etwas finden kann. Man muss sich aber darauf einlassen wollen. Bei mir läuft dieser Mythos nur knapp hinter dem Vorgänger ins Ziel, was fast ausschließlich an den ersten beiden Minuten von 'Slurpy Slurpy Sleep Sleep' liegt.
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Peter Kubaschk