CHRISTINA - Bar Stool Prophet
Mehr über Christina
- Genre:
- Progressive Rock
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Tigermoth Records / Just For Kicks
- Release:
- 27.10.2023
- Age Of The Revolution
- Mission Bell
- I Wish
- Bar Stool Project
- Riptide
- The Price We Pay
- The Giant Awakes
- Breakthrough
- Sail On Sister Geneviève
- Rise Again
Schönheit in Noten - ein Monument des stillen Progs!
Wer die Karriere von Tori Amos in den vergangenen zehn Jahren etwas intensiver verfolgt hat, wird hier und dort festgestellt haben, dass die große Diva des Singer/Songwriter-Segments sich mittlerweile in eine Richtung entwickelt hat, die zwar von einer gewissen Unberechenbarkeit gezeichnet ist, die aber auch nicht mehr jeden glühenden Anhänger abholen kann, der mit den ersten Meilensteinen der britischen Legende groß geworden ist. Problematisch ist dies vor allem, weil Mrs. Amos in ihrem musikalischen Ausdruck einzigartig scheint und es absolut kein Pendant zu geben scheint, welches diese besondere Atmosphäre kreieren kann - und schon mal gar nicht in jener Intensität, die nicht nur Alben wir "Little Earthquakes" zu unverzichtbaren Must-haves in jeder einzelnen und gut sortierten Plattensammlung verwandeln.
Solche Aussagen müssen nach dem Release des dritten Albums von CHRISTINA nun anscheinend aber noch einmal revidiert werden. Denn was die Namensgeberin und ihr Team auf "Bar Stool Project" abliefern, ist eine einzigartige Verbindung aus musikalischer Genialität, atemberaubender Kunst und einer Form von kompositorischer Intimität, wie man sie definitiv nur selten im Leben verspürt. Und dabei ist auf der anderen Seite alles so unglaublich beschwingt und erfrischend...
Frontdame Christina Booth weiß zumindest, wie man die Sterne vom Himmel singt, ohne dabei eine außergewöhnliche Klangfarbe in ihre Stimme legen zu müssen. Stattdessen adaptiert sie - bewusst oder auch nicht - jenes leidensfähige Organ, das man von Klassikern wie "Scarlet's Walk" und "Under The Pink" kennt und umrahmt das Ganze mit einem soften Prog-Rock-Ambiente, das so unheimlich schnell zugänglich ist, nichtsdestotrotz aber auch eine unglaubliche Tiefe besitzt, in der man regelrecht versinken mag. Schon im Opener 'Age Of Revolution' wächst sehr schnell die Überzegung, dass hier etwas ganz besonderes entstanden ist, und dieses Gefühl zieht sich dann auch konsequent durch jede Note von "Bar Stool Project". Mit 'Mission Bell' kommt dann der erste Song, der den Tori-Vergleich unumgänglich macht, nur eben dass hier nicht das Piano, sondern die akustische Gitarre die Reize setzt - und auf diesem Weg entwickeln sich dann auch die nachfolgenden Stücke zu kleinen Epen, die individuell ihre kleinen Highlights entfalten. 'I Wish' und 'Riptide' sind sichere Kandidaten für die Jahreslisten der stärksten Songs, 'The Price We Pay' und 'Breakthrough' schließen sich unverblümt an, und mit dem finalen 'Rise Again' bewegt sich CHRISTINA schließlich auf einer Wolke, von der sie höchstens noch die Altmeisterin in Bestform herunterholen könnte. Doch davon ist aktuell sicherlich nicht auszugehen.
Dass auf "Bar Stool Project" alle Komponenten ineinander greifen, ist sicherlich auch den namhaften Gastakteuren zu verdanken, die Booth's Stimme prächtig in Szene setzen. Unter anderem haben Steve Hackett und Steve Balsamo ihre Beiträge geleistet und das Niveau auf ein gottgleiches Level gebracht. Doch "Bar Stool Project" ist letztlich doch als Gesamtkunstwerk zu betrachten, dessen einzelne Komponenten jede für sich einen besonderen Stellenwert haben - und welches mit seiner phänomenal entspannten Ausstrahlung tatsächlich noch einmal Berge zu versetzen weiß. Selbst als jahrelanger Tori-Bekenner muss ich daher auch jegliche Vernunft verlieren und meine Anerkennung mit Begeisterung weitergeben. Dieses Album beschreibt in zehn Akten, was progressive Musik zu wahrer Schönheit verhilft. Und es ist kaum vorzustellen, dass es in nächster Zeit noch einmal übertroffen werden könnte.
Anspieltipps: in der Tat jeder einzelne Song
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Björn Backes