DARKTHRONE - Circle the Wagons
Auch im Soundcheck: Soundcheck 04/2010
Mehr über Darkthrone
- Genre:
- Black Metal
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Peaceville (edel)
- Release:
- 09.04.2010
- Those Treasures Will Never Befall You
- Running For Borders
- I Am The Graves Of The 80s
- Stylized Corpse
- Circle The Wagons
- Black Mountain Totem
- I Am The Working Class
- Eyes Burst At Dawn
- Bränn Inte Slottet
Wenig überraschend gelingt den Herren aus Norwegen erneut ein großer Wurf, den nicht jeder als solchen sehen mag.
Wenn die Herren Skjellum und Nagell nach deutlich über zwanzig Jahren des gemeinsamen Musizierens ihr inzwischen fünfzehntes Studioalbum auf die Menschheit loslassen, dann ist das erstaunlicher Weise noch immer ein Ereignis und nicht einfach nur Routine. Obwohl es inzwischen einige Kritiker gibt, die DARKTHRONE exakt das vorwerfen wollen. Vielleicht kann man sagen, dass es das Schicksal wahrhaft großer Bands ist, extreme und vielfältige Reaktionen zu provozieren, und genau das tut Norwegens Metal-Flaggschiff mit "Circle The Wagons", einem Album das sowohl die Metal-Gemeinde allgemein als auch das Lager der Anhänger des dunklen Throns spaltet. Wo die einen anerkennend Respekt zollen, da fragen sich die andern rätselnd, was denn so Besonderes an dieser Band sein soll. Wo die einen die Waggons begeistert im Kreis rotieren lassen, da wittern die anderen Abnutzungserscheinungen bei einem der kreativsten Vehikel des gesamten Metal-Fuhrparks. Daran wird sich wenig ändern lassen, und auch ich kann nur sagen, warum ich zu eben dieser Sorte von Metalfans gehöre, die auch vor diesem neuen Scheibchen der Norweger einen Kniefall machen.
Nun, es liegt schlicht und ergreifend daran, das Ted und Fenriz nach all den Jahren der Verehrung und der Ächtung für mich weder Kult noch Trend sind, und sich nicht von den Szenen und Medien vereinnahmen lassen, auch wenn der eine oder andere das versuchen mag. Diese Band macht einfach das, worauf sie Lust hat, und wenn das nun das vierte Album in Folge ist, das sich kontinuierlich vom Black Metal weg und zum rockigen 80er-Metal und 70er-Punk hin bewegt, dann nicht deshalb, weil sich das besser vermarkten ließe als grimmiger Black Metal, sondern deshalb, weil den Protagonisten eben heute genau danach ist. Wären sie 1991 nicht so stur gewesen, dann wäre ein Großteil dessen undenkbar, was Black Metal heute ist, und darum lobe ich mir die Sturheit der Neuzeit. Aber ich lobe sie nicht um des Lobens und der alten Verbundenheit willen, sondern weil DARKTHRONE nach wie vor eine der ganz wenigen Bands ist, die trotz aller stilistischen und konzeptionellen Wendungen immer für meinen persönlichen Geschmack maßgeschneidert musiziert hat.
So ist schon die Gesangshookline des Herrn Fenriz im Opener 'Those Treasures Will Never Befall You' ein unsterbliches Manifest ursprünglicher, räudiger, metallischer Genialität. Von solchen Refrains können die Frickelpäpste, Progakrobaten und Melodic Rocker dieser Welt nur träumen. Das geht ins Ohr, das geht ins Mark, das geht ins Gebein und lässt die Faust zucken. Allgemein hat es sich inzwischen bewährt, dass sich Ted und Fenriz den Gesang teilen, und so ist es Herrn Skjellums kehliges Organ, das den dunkleren, rhythmischen Stampfer 'Running For Borders' veredelt. Eine gewisse CELTIC FROST-Note ist natürlich obligatorisch, ein cooles Bass-Break lässt Lockerheit aufkommen, und das Solo... ja, das Solo ist schlicht und ergreifend das, was ich an den Soli des Achtziger-Metal-Untergrunds so liebe. Schlicht, aber effektiv.
Wenn die ungestüme Rumpelei bei 'I Am The Graves Of The 80s' das beste aus GWAR, WARFARE und ISENGARD kombiniert, dann bleibt ebenso wenig ein Auge trocken wie beim ausladenden 'Stylized Corpse', das durch die ausufernden, reduzierten Gitarrenleads im Einstieg ein wenig die selbst besungenen MANILLA ROAD zitiert und natürlich auch hier und da wieder den Bogen zu HELLHAMMER und VENOM schlägt, ohne einem der Einflüsse zu nahe zu kommen. Das folgende Titelstück ist dann wieder ein Überflieger par excellence, zitiert es doch vor allem bei Fenriz' Gesang erneut sehr gekonnt die gute alte ISENGARD-Zeit, die nicht wenige endgültig vergangen wähnten. Erneut ist es der Refrain, der alles und jeden aus dem Wasser jagt, der meint, sich mit den ganz dicken Fischen der Refrainkunst im Becken tummeln zu dürfen. Narren!
Da nun geklärt ist, wer die großen Refrainkönige der rumpelrockenden Metalklasse sind, darf 'Black Mountain Totem' wieder etwas finsterer und hier und da doomiger grooven, wobei es aber auch verspieltere Gitarrenparts aufweist. Die punkigste Nummer auf "Circle The Wagons" ist das mit gut fünf Minuten recht ausladend geratene 'I Am The Working Class', das einige explosive Energie entwickelt, die von 'Eyes Burst At Dawn' gekonnt aufgenommen wird, bevor das Finale mit 'Braenn Inte Slottet' mit seinem etwas verkorksten Einstieg den einzigen Grund liefert, an dieser Platte etwas auszusetzen. Als Instrumental wäre der Song ein Hammer, aber das komische Gesangsintro hinterlässt einige Fragezeichen.
Damit ist der halbe Zähler Abzug erklärt und trotzdem klar, dass DARKTHRONE mit "Circle The Wagons" einer langen Reihe monumentaler Meisterwerke der ursprünglichen, räudigen und punkigen Metal-Kunst ein weiteres großes Album anfügen und zumindest in meinen Ohren und Augen ihren Status als vermutlich wichtigste und authentischste, mit Sicherheit aber coolste Metalband der letzten zwanzig Jahre untermauern. Wer etwas anderes behauptet, soll sehen, was er davon hat. Und wer DARKTHRONE wieder grimmig, kalt und böse durch norwegisch-transilvanische Grenzwälder streifen sehen will, der möge sich fragen, wie authentisch diese beiden Musiker diesen von ihnen definierten Sound der Jahre 1991-1996 mit ihrer aktuellen Lebenseinstellung und Attitüde denn bringen könnten. Eine Antwort gefunden? Eben! Also macht die Entwicklung der Band mit oder zieht "Under A Funeral Moon" aus dem Regal, aber werft den Jungs nicht vor, das zu tun, wonach ihnen heute der Sinn steht.
Anspieltipps: Those Treasures Will Never Befall You, I Am The Graves Of The 80s, Circle The Wagons, I Am The Working Class
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle