DREAM THEATER - A View From The Top Of The World
Mehr über Dream Theater
- Genre:
- Progressive Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- InsideOut (Sony)
- Release:
- 22.10.2021
- The Alien
- Answering The Call
- Invisible Monster
- Sleeping Giant
- Transcending Time
- Awaken The Master
- A View From The Top Of The World
Traum oder Theater?
Den Stellenwert, den DREAM THEATER bei mir hat, muss ich wahrscheinlich nicht mehr betonen, oder? Wobei ich mittlerweile mehr und mehr das Gefühl bekomme, dass die New Yorker Prog-Könige bei mir an Status eingebüßt haben. Während die Alben bis "Scenes From A Memory" alle noch recht regelmäßig laufen, sind die Werke danach nur noch sehr selten gesehene Gäste in meinem Player. Von einer kurzen Anfangseuphorie bei Veröffentlichung mal abgesehen. Ausnahmen sind lediglich "Train Of Thought" und "A Dramatic Turn Of Events", die auch heuer noch gerne mal abgespielt werden. Auch dieses Mal ist die Vorfreude eher gedämpft, zumal zeitgleich das neue Album von BIFFY CLYRO erscheint und viel Aufmerksamkeit auf sich zieht. Die Frage ist nun natürlich, ob "A View From The Top Of The World" diesen Trend umdrehen kann oder ihn verstärkt. Immerhin habe ich im Verlauf zu diesem hübsch betitelten Werk tatsächlich auch mal wieder einige der vernachlässigten Teile der Diskographie gehört und vor allem "Distance Over Time" hat sich dabei wieder in den Vordergrund gespielt. Die Voraussetzungen sind also ganz gut.
Schon beim Blick auf die Songlängen wird deutlich, dass "A View From The Top Of The World" nicht so kompakt komponiert wurde wie sein direkter Vorgänger. Gleich drei Songs kratzen oder überqueren die Zehn-Minuten-Marke und der Titelsong geht sogar erst nach über 20 Minuten ins Ziel. Dieser Fakt alleine dürfte viele Fans schon ganz wuschig gemacht haben. Ich persönlich bin von diesen ultralangen Nummern der Truppe gar nicht so der Fan. Wirklich überzeugend finde ich in dieser Disziplin bisher nur 'A Change Of Seasons' und 'The Count Of Tuscany', während 'Octavarium' und 'Illumination Theory' sich eher wie Patchwork anfühlen und jeweils deutlich zu lang ausgefallen sind. Mal sehen, wie 'A View From The Top Of The World' dagegen auftritt.
Das eröffnende 'The Alien' dürfte ja den meisten von euch bekannt sein. Ich muss ehrlich zugeben, dass er mir beim ersten Hören gar nicht gut gemundet hat, aber tatsächlich wächst die Komposition ziemlich deutlich. Einen Instrumentalpart hätte ich gekürzt, aber ansonsten ist das ein feiner Opener, der durchaus subtil ist und sich den Weg ins Hirn eher langsam erobert. Macht nix, ist ja Prog, so wollen wir das ja. Was auffällt, ist, dass "A View From The Top Of The World" sehr harmonisch und insgesamt sehr rund wirkt. Obwohl die Songs eher lang sind, gibt es nur wenige Längen. Einzig Jordan Rudess' Ragtime-Part in 'Sleeping Giant' ist vollkommen überflüssig. Den hat der Keyboarder jetzt schon diverse Male eingebaut und ist leider kein positiver Aha-Effekt mehr. Einst auf "Scenes From A Memory" war das noch originell, jetzt ist es beinahe ärgerlich, weil 'Sleeping Giant' sonst ein wunderbarer Mix aus feinen Gesangsmelodien von LaBrie und toller Instrumental-Achterbahn ist.
Überhaupt LaBrie. Wo ich bei der Rezension zum letzten Live-Werk "Distant Memories" noch ziemlich harsch über ihn geurteilt habe, beweist er im Studio einmal mehr, dass er eben doch der beste Sänger für das Traumtheater ist. Bestes Beispiel ist mein bisheriger Favorit 'Transcending Time', der eine herrliche AOR-Schlagseite abbekommen hat und dabei wunderbar atmosphärisch ist. Eine sehr untypische Mixtur und insgesamt auch der untypischste Song auf dem Werk. Zur Wahrheit gehört nämlich auch, dass echte Überraschungen ansonsten ausbleiben. Das macht aber dieses Mal gar nicht viel aus, da das Songmaterial durch die Bank stark geworden ist. Nur dass ich immer 'Invisible Monster' bei 'Awaken The Master' und umgekehrt singen will, ist komisch, zumal die Songs sonst nicht besonders viel miteinander gemein haben. Doch das geht sicher nur mir so.
Der Titeltrack braucht dann tatsächlich nur drei Minuten bis der Gesang von LaBrie einsetzt und nimmt seine Steigungen zum Dach der Welt mit Bedacht, aber zielstrebig. Auch dass der Refrain noch vor der fünften Minute das erste Mal angestimmt wird, halte ich für einen Pluspunkt. Ansonsten wirkt die Komposition über die Dauer von 20 Minuten ziemlich rund. Nur das Ende hat mich erst irritiert, denn es wirkt fast ein wenig abrupt, aber vielleicht ist das Riff am Schluss auch nur ein Teaser für eine Fortsetzung. Das ist durchaus im Bereich des Möglichen.
Klar, auch "A View From The Top Of The World" kann für mich nicht mit den drei großen Monolithen des Traumtheaters mithalten, aber diese zu hohe Erwartungshaltung sollte mittlerweile jeder Alt-Fan abgelegt haben. Geboten wird aber ein sehr rundes, stimmiges Werk, abgerundet von einem schönen Cover und einer fantastischen Produktion, das ich in den letzten Wochen gerne aufgelegt habe und in der nun auch bereits zehnjährigen Post-Portnoy-Phase nur von "A Dramatic Turn Of Events" geschlagen wird.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Peter Kubaschk