GREAT AGAIN - Great Hits
Mehr über Great Again
- Genre:
- Hard Rock / Heavy Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Eigenpressung / Edel Distribution
- Release:
- 14.07.2019
- Restart
- Give Us Fuel
- Almost Unreal
- Just A Blues
- The Wheel
- Hold On
- Hard On
- Indescribable
- Carry On
- Same Situation
- Great
- Friends
Ein kompositorisch eingängiges und irre vielseitiges Hard-Rock-Album, das zu Herzen geht und sich ins Hirn eingräbt.
Wenn sich eine neue, wenn auch nicht unerfahrene Band den Namen GREAT AGAIN gibt und ihr in Eigenregie veröffentlichtes Debütalbum zudem auch noch "Great Hits" nennt, dann hat sie entweder ordentlich viel Selbstbewusstsein, oder ein gesundes Maß an Selbstironie. Oder vielleicht auch von beidem etwas und dazu auch noch Recht. Letzteres ist bei unseren badischen Nachbarn GREAT AGAIN der Fall, denn zum einen scheint der Bandname programmatisch, mit dem Ziel den guten alten Hard'n'Heavy-Sound der Siebziger und Achtziger wieder groß zu machen, oder eben wieder groß zu zelebrieren. Der junge Boxer auf dem Frontcover, der bis zum Ende des Booklets hin merklich altert, führt zum anderen hervorragend durch das Programm der Scheibe und jenes besteht aus Rock'n'Roll, dicker Hose und großen Hits. Große Hits, fragt ihr? Ja, ihr lest absolut richtig, denn die Songs auf "Great Hits" sind allesamt mächtig eingängig ohne flach zu sein, und sie brennen, sie haben Feuer und Gefühl, und sie reißen mit. Mit bescheideneren Titeln wie "Mediocre First Tries" oder "Pretty Nice Tunes" hätte die Band daher massives Understatement betrieben, und jenes steht eher den Briten und den Schwaben als den Badenern.
Understatement hat die Truppe aber auch gar nicht nötig, denn "Great Hits" ist wirklich ein rundum gelungenes Debütalbum und zugleich ein erfreuliches Wiedersehen mit Drummer Thunder Manne von den badischen Speed-Metallern SPITFIRE, der hier zwar oberflächlich betrachtet auf stilistisch völlig anderen Pfaden wandelt, aber bei genauerem Hinsehen und Hinhören doch in ähnlicher Art und Weise aufrichtiger, traditioneller Rockmusik frönt. Ja, da hat die Band auf allen Ebenen ganze Arbeit geleistet. Das Artwork ist schlicht, klassisch und doch wahnsinnig effektiv, weil es den ebenso kämpferischen wie beharrlichen Spirit der Scheibe super herüber bringt. Dazu kommt eine erdige und ehrliche Produktion, roh und doch transparent, allen Instrumenten Raum gebend, und dabei auch voll und ganz der Versuchung widerstehend, sich eine steril ballernde Trommelei eintackern zu lassen. Da müssen sich allerlei Genregrößen mal fragen lassen, wie es sein kann, dass sich etablierte Bands und Produzenten in Sachen Produktion von einem Underground-Newcomer so vorführen lassen, wenn hier eine junge Band scheinbar spielend dafür sorgt, dass Mannes Drums lebendig und natürlich klingen, Kralles Bass stets präsent ist, die Gitarren von Matthias Wego und Johannes Neetz ausgewogen abgemischt und mit manchem schön herausgearbeitetem Lead glänzend; dazu ist das Keyboard von Dominique Mauer dezent eingesetzt, aber wo nötig auch präsent.
Alles fein also? Nun, die Geister werden sich vielleicht an der Stimme von Frontmann Benjamin Bumm scheiden. Die Band gibt sich stolz auf dessen gerne gezogene Kopfstimmenregister, weiß jedoch letztlich bestimmt auch selbst, dass sein bisweilen schrilles und kratziges Organ sicherlich nicht jedem gefallen wird. Doch mal ehrlich: Im klassischen Hard Rock will jeder zweite Sänger wie Ronnie James Dio oder David Coverdale klingen, doch es darf gerne auch mal ein wenig rotziger und wilder zugehen. Benjamin klingt desöfteren Mal ein wenig schräg und hysterisch wie Axl Rose auf Helium, mal aber auch ein bisschen nach Bon Scott, hin und wieder aber auch voluminöser und etwas tiefer. Auch stilistisch sind GUNS'N'ROSES und AC/DC sicherlich recht passende Referenzen, doch damit erschöpft sich das Einflussspektrum der Band keinesfalls. Einige Songs haben durchaus auch einen gewissen Teutonen-Metal-Touch abbekommen, so wie etwa der hart und flott bis leicht speedig riffende Opener 'Restart', der sich fein zwischen AC/DC, KROKUS und ACCEPT positioniert, und mit einer tollen Chorus-Hookline begeistert, oder das stampfende 'Great', das mich ein wenig an VICTORY, vom Hauptriff her aber auch an ANGEL WITCH erinnert, oder die Klampfen beim heftigeren 'Hard On'. Die Axl-Soundalike-Karte ist der Trumpf bei 'Give Us Fuel', der allerdings in Kombination mit einigen maidenesken Leadgitarren auch wieder für einen spannenden Mix sorgt.
Damit ist die stilistische Bandbreite jedoch noch längst nicht abgedenkt, denn mit akustischen Gitarren, gepfiffenen Melodien, Spoken Word Parts und ein wenig punkiger Attitüde der Riffs pendelt 'Almost Unreal' wirklich herrlich zwischen folkigem Punk, Americana und bluesigem Rock, was in dieser Kombination für einen der größten Hits unter all den "Great Hits" der Scheibe sorgt. Groovende Heaviness mit AC/DC-artigem Gitarrenklang aber ebenso einem Hauch der rockigen Hälfte der "Battle Hymns" prägt das eindrucksvolle 'Just A Blues' und auch balladeske Töne mit klaren Akustikgitarren und präsentem Bass wie bei 'Hold On' und dem wirklich tollen Outlaw-Country-Style-Schmachtfetzen 'Indescribable', der sich letztlich in eine SCORPIONS-artige Powerballade auswächst, sind für GREAT AGAIN eine leichte Übung. Einen Hauch VARDIS und SAXON vernimmt der NWoBHM-Freak bei 'The Wheel' und das mit einem Goethe-Zitat eingeleitete 'Carry On' triggert die Funk-Rezeptoren, atmet ein wenig VAN HALEN und lässt außerdem Bassist Kralle alle Register ziehen. Einen schönen Steigerungsbogen und nochmals eine gute Dosis Sunset Strip liefert der Good-Time-Rocker 'The Same Situation'.
Am Ende bleibt mit dem Verklingen des gefühlvollen, baladesken und erneut von feinen Akustikgitarren geprägten und von Benjamin sehr sonor gesungenen Hinausschmeißers 'Friends' einfach nur festzustellen, dass GREAT AGAIN ein Einstand nach Maß gelungen ist, mit einem wunderschönen, natürlich produzierten, kompositorisch eingängigen und dabei doch irre vielseitigen Hard-Rock-Album, das zu Herzen geht und sich ins Hirn eingräbt.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle