IDLES - Joy As An Act Of Resistance
Mehr über Idles
- Genre:
- Post Punk
- ∅-Note:
- 9.00
- Label:
- Partisan Records
- Release:
- 31.08.2018
- Colossus
- Never Fight A Man With A Perm
- I'm Scum
- Danny Nedelko
- Love Song
- June
- Samaritans
- Television
- Great
- Gram Rock
- Cry To Me
- Rottweiler
Eines der faszinierendsten Rock-Alben der letzten Jahre.
"Joy As An Act Of Resistance" von den Briten IDLES fand sich letztes Jahr in etlichen Best-Of-Listen wieder, gerade für den Metal-Bereich. Dabei machen die Jungs definitiv keinen Metal. Trotzdem kam ich über solche Listen dazu, mich mit dieser so hochgelobten Scheibe zu befassen, und meine Erwartungen wurden nicht enttäuscht. Nach einem Blick auf das so ganz eigenartige Artwork lauschen wir sofort der ultraintensiven Musik. Das zweite Album der Band ist enorm fies und bösartig.
Mit 'Colossus' beginnt es, und der Titel ist so brachial wie der Song. Was erst Mal auffällt: Der Gesang von Joe Talbot muss vieles, aber definitiv keine Töne treffen. Rein musikalisch ist das in den meisten Songs ziemlich daneben. Dafür sind Emotionen pur dabei. Der Sound des monumentalen Tracks wurzelt tief im Post Punk, hat aber auch gotische Elemente zu bieten. Die Brachialität des Tracks hat aber Ähnlichkeiten mit Doom, und das gilt auch für die Monotonie. Was für ein phänomenaler Einstand in ein Album, das trotz all seiner Radikalität Platz 5 der britischen Charts erreichte! Zum Ende hin entwickelt sich der Track witzigerweise noch in eine Punk-Hymne. Dass es nach diesem Einstand kaum stärker werden kann, ist klar, aber interessanterweise wird es auch kaum schwächer. Die Band hält dieses unfassbare Niveau über die gesamten 42 Minuten.
'Never Fight A Man With A Perm' ist wieder von einer herrlichen Dissonanz geprägt, vor allem im Gitarrenbereich. Aber auch das stumpfe Drumming macht Laune. Der Sprechgesang, der von Rap nicht weiter entfernt sein könnte, sorgt dafür, dass dieser Song nie durch Radio-Airplay verdorben wird. Auch hier ist der Refrain durchaus sludgig-metallisch. 'I'm Scum' ist dann natürlich Punk pur, dafür sorgt schon der Titel. Der rhythmische Bass wummert hier gewaltig, der Gesang orientiert sich stark an den späten Siebziger Jahren. THE CLASH trifft auf THE SEX PISTOLS - jeweils in den unmelodischen Momenten. 'Danny Nedelko' klingt am Anfang wie kommerzieller Pop-Punk, aber keine Sorge, auch hier gibt es genügend Schmutz, keiner wird an GOOD CHARLOTTE denken müssen. Die Gute-Laune-Nummer zur Auflockerung macht auch richtig Spaß. Es folgt ein 'Love Song', der etwa so gut gelaunt ist wie ein JOY DIVISION-Track. Hier sind die Jungs wieder metertief im Post-Punk-Sumpf eingetaucht. Das gilt auch für den sehr gotischen Titel 'June'. Die Nähe zu doomigen Metalsounds wird wieder ersichtlich, und das ist ja nicht die schlechteste Nähe. Der klasse Schlagzeugeinstand in 'Samaritans' sorgt bei den Punks, die sich noch für typisch linke Werte einsetzen, wieder für einen etwas positiveren Impuls. Auch der treibende Bass in Verbindung mit den sehr livehaftig klingenden Schlagzeugspuren bei 'Television' ist klasse.
Überhaupt, wenn es um die Produktion geht, könnten sich viele Metal-Bands bei IDLES gleich mehrere Scheiben abschneiden. Mixer Nick Launay war schon für viele Szenegrößen wie KATE BUSH, KILLING JOKE, INXS, NICK CAVE AND THE BAD SEEDS, TALKING HEADS und ARCADE FIRE zuständig. Wer den Meistersound hören will, muss 'Great' aufdrehen. Allein das Schlagzeug ist doch ein echter Ohrenschmaus. Mit 'Gram Rock' geht es wieder wenig positiv weiter. Der Sound rödelt durchs Gebälk, der Gesang ist so schief wie nie. Sicher kein easy listening, aber hey, das sucht der Leser bei uns doch auch nicht. Mit 'Cry To Me' gibt es ein Cover von SOLOMON BURKE. Ja, ihr habt richtig gelesen, der Soul-Godfather wird hier kopiert. Und ich finde, dass da schon noch Anklänge zu finden sind in der Harmoniebildung. Zum Abschluss rocken wir mit dem 'Rottweiler', der wieder die fröhlichere Punknote einbringt. Abgesehen vom wie immer unmelodischen Gesang, der wohl völlig an jedem Mainstream-Klang vorbei operiert.
Die IDLES sind purer Punk, auch wenn die Musik zwischen Gothic, Pop Punk und leicht doomigen Metal-Anklängen hin- und hervariiert. Auf Mainstream, Radiokompatibilität oder schöne Melodien wird hier ein Dreck gegeben, alles ist brutal und unmelodisch. Und das funktioniert klasse. Natürlich ist es nicht eines der besten Metal-Alben aus dem Jahr 2018, denn musikalisch ist es einfach kein Metal. Sehr wohl ist es aber eines der großartigsten Rock-Alben der letzten Jahren, und es ist atmosphärisch zu 90% mehr Metal als viele Releases namhafter "Metal"-Bands. Alle, die ein bisschen aufgeschlossen sind für (post-)punkige Klänge sollten hier mal den ein oder anderen Song antesten.
Anspieltipps: Colossus, Love Song, Great.
- Note:
- 9.00
- Redakteur:
- Jonathan Walzer