IRON MAIDEN - Senjutsu
Auch im Soundcheck: Soundcheck 09/2021
Mehr über Iron Maiden
- Genre:
- Heavy Metal
- ∅-Note:
- 8.50
- Label:
- Parlophone Laben Group
- Release:
- 03.09.2021
- Senjutsu
- Stratego
- The Writing On The Wall
- Lost In A Lost World
- Days Of Future Past
- The Time Machine
- Darkest Hour
- Death Of The Celts
- The Parchment
- Hell On Earth
Da ist das Ding!
Wenn ein neues IRON MAIDEN-Album ansteht, sind die Diskussionen bereits im Vorfeld immer schon ausufernd und nehmen bisweilen bizarre Formen an. Da werden kühne und sicherlich falsche Erwartungen anhand des Covers und Titels geschürt, weil die Band vor 40 Jahren mal eine "Maiden Japan"-Live-EP veröffentlicht hat, da wird analysiert, wer welche Songs geschrieben hat und natürlich auch im Vorfeld bereits mit großer Skepsis den drei Epen am Ende aus der Feder von Steve Harris entgegengeblickt. Und wer nicht mit großer Skepsis unterwegs ist, ist hocheuphorisch, ordert mindestens drei verschiedene Versionen des Albums und weiß schon nach 'The Writing On The Wall' und 'Stratego', dass hier natürlich die beste Platte des Jahres kommt.
Dass ich zu keiner der beiden Gruppen gehöre, liegt wohl daran, dass IRON MAIDEN eben nicht die prägende Band meiner Jugend war und ich dadurch mit den Briten nicht so viel verbinde, wie die Euphoriker und die Skeptiker. Natürlich mag ich die Band und nur von RUSH stehen bei mir mehr Tonträger im Regal, aber die emotionale Bindung, die ich zu SAVATAGE, QUEENSRYCHE, FATES WARNINIG oder METALLICA habe, hat sich hier eben nie so aufgebaut. So kann ich auch recht erwartungsfrei an "Senjutsu" herangehen, auch wenn ich nach dem schwachen "The Final Frontier" und dem meist guten, aber deutlich zu langen "The Book Of Souls" wohl doch am ehesten noch in die Nähe der Skeptiker gerückt bin.
Und dann eröffnen Paukenschläge und eine japanisch-getränkte Melodie "Senjutsu" und ich bin 82 Minuten später mehr als positiv überrascht. Schon beim ersten Durchlauf fallen einige der Kritipunkte der letzten Alben weg. Bruce Dickinson singt deutlich besser als auf den beiden Vorgängern und wirkt zu keiner Zeit so gequält wie auf der gesamten "The Final Frontier" oder Songs wie 'The Speed Of Light', 'The Great Unknown' und stellenweise 'Empire Of The Clouds' auf "The Book Of Souls". Nein, insgesamt singt Bruce viel entspannter und steigt auch nicht mehr unnötig in Höhen auf, die er nicht mehr meistern kann. Das erhöht den Hörspaß natürlich merklich.
Dazu kommt, dass die Melodien merklich griffiger sind als mindestens auf den beiden Vorgängern. Mehrfach habe ich mich bereits ertappt, dass ich Songs wie 'Senjutsu', 'Stratego' oder 'Hell On Earth' einfach mal vor mich hersumme. Und das funktioniert, ohne dass die Melodien platt und aufdringlich sind. Nein, sie wirken frisch und fast unbekümmert. Das ist sehr, sehr angenehm.
Auch die gerne und richtigerweise kritisierten Wiederholungsschleifen, die auf den beiden Vorgängern viele Songs künstlich aufgebläht haben (man denke an 'The Red And The Black', das ich wohl um mindestens zehn Minuten gekürzt hätte), sind hier nur in kleiner Anzahl zu finden. Ja, beim knapp zehnminütigen 'Lost In A Lost World' hätte ich persönlich den Instrumentalpart etwas gekürzt, da die eingebauten Leads mich zu wenig mitreißen. Auch beim zwölfminütigen 'The Parchment' gibt es so eine Stelle, die etwas ermüdend wirkt. Aber, das sind in beiden Fällen eher kurze Sequenzen, welche die Klasse der Nummern nur geringfügig schmälern.
Beim abschließenden Elfminüter 'Hell On Earth' hingegen ist das alles schlüssig. Überhaupt ist die Nummer für mich der Höhepunkt auf "Senjutsu". Tolle Gitarrenmelodien, hymnischer Refrain, cooler, fast gesprochener Mittelpart, dazu die beinahe orientalischen Synthies, die ein wenig "Powerslave"-Gefühl aufkommen lassen. Das ist schon hohe Kunst und für mich wohl der beste IRON MAIDEN-Song seit mindestens 'Paschendale'. Wirklich großartig.
Dass er dabei den Großteil des restlichen Materials nicht um Meilen abhängt, ist die andere Erkenntnis. Das bereits bekannte 'Stratego' ist in meinen Ohren der beste, kurze, flotte Song seit 'The Mercenary', auch wenn man für diese Meinung die Keyboards mögen muss, aber mich stören die hier überhaupt nicht. Und 'Days Of Future Past' läuft nur kurz dahinter ins Ziel und ist ebenfalls ein feiner Ohrwurm.
Für Abwechslung sorgen das vorab ausgekoppelte 'The Writing On The Wall', die düstere Churchill-Hommage 'Darkest Hour' und der Titeltrack, die sicher nicht als typische Jungfrauen-Songs durchgehen. Einzig 'The Time Machine' kann auch nach zwei Wochen Hörzeit und fast 20 Spins immer noch keinen Eindruck hinterlassen. Irgendwie vergesse ich immer, dass die Nummer überhaupt existiert, während ich bei jedem anderen Song Melodien oder Textfragmente mittlerweile abgespeichert habe. Vielleicht hängt er in der Vergangenheit fest, vielleicht ist er mir voraus in die Zukunft gereist und ich muss ihn erst noch einholen, aber das wird wohl die Zeit zeigen.
Tja, und nun stehe ich hier und muss mich wohl fast in der Reihe der Euphoriker einordnen, denn "Senjutsu" ist wohl tatsächlich das beste Album der Band seit "Brave New World". Das hätte ich so nie und nimmer erwartet. Neun Punkte hätte es ohne 'The Time Machine' gegeben, so streift man daran knapp vorbei.
- Note:
- 8.50
- Redakteur:
- Peter Kubaschk