LACRIMOSA - Echos
Mehr über Lacrimosa
- Genre:
- Gothic
- Label:
- Hall Of Sermon
- Release:
- 27.01.2003
- Kyrie - Overture
- Durch Nacht und Flut - Suche Part 1
- Sacrifice - Hingabe Part 1
- Apart - Bittruf Part 1
- Ein Hauch von Menschlichkeit - Suche Part 2
- Eine Nacht in Ewigkeit - Hingabe Part 2
- Malina - Bittruf Part 2
- Die Schreie sind verstummt - Requiem für drei Gamben und Klavier
"Wieder sprachlos - schrecklich hilflos" - denn es gäbe so viel zu sagen und doch fehlen die Worte. Die neue LACRIMOSA ist so anders und doch so typisch LACRIMOSA. Nähern wir uns langsam an:
Der Titel "Echos" könnte nicht besser gewählt sein. Denn in der Tat scheinen an mancher Stelle dieser Scheibe vergangene LACRIMOSA-Alben wiederzuhallen. Das bezieht sich gleichermaßen auf Instrumentierung wie auf Thematik. Entgegen der Erwartungen, die man vielleicht nach Anhören der Single "Durch Nacht und Flut" hätte haben können, spielen die Gitarren keine größere Rolle als auf "Fassade" - besagte Single ist eigentlich das härteste Stück. Die Klassik steht nach wie vor klar im Vordergrund und bildet das zentrale Element des Albums. Aber, Überraschung, Überraschung, auch synthetischen Klängen wird wieder Platz eingeräumt, das meinte ich unter anderem mit Wiederhall vergangener (in dem Fall sehr früher) LACRIMOSA-Scheiben.
Textlich geht es analog zu "Fassade" wieder mit einem gewissen Grad an Abstraktion zu Gange, mit sanfterer, poetischer Emotion statt den Emotionsausbrüchen im Stile von "Stille" oder teilweise "Elodia". Das Konzept, jedes neue Album mit einem Anknüpfungspunkt zum Vorgänger zu beginnen ist in dem über zwölf Minuten langen, klassischen "Kyrie" diesmal etwas schwerer nachzuvollziehen. Während "Durch Nacht und Flut" dann wohl der eigentlich Anknüpfungpunkt zu "Fassade" ist, lassen sich in den folgenden Titeln, wie gesagt, auch "Echos" früherer Zeiten feststellen, seien es ganz ruhige Piano-Stücke oder Synthesizer-Einsätze: Als wolle man, wie gesagt, das Schaffen der Band nochmals widerhallen lassen. Die letzten beiden Stücke, "Malina" und insbesondere "Die Schreie sind verstummt" könnten dann als Synthese aller, mit punktueller Betonung der "Stille"/"Elodia"-Tugenden angesehen werden. Mein Gott, wenn das ein Versprechen für das nächste Album wäre...
Im Gegensatz zu meinen bisherigen LACRIMOSA-Reviews werde ich diesmal auch einen Kritikpunkt anbringen, der allerdings etwas seltsam klingen mag: Obwohl Tilos Songwriting - eigentlich passt dieser Begriff nicht mehr, man müsste von Kompositionen sprechen - objektiv von Album zu Album perfekter wird, und jedes Album ein größeres Meisterwerk ist als das andere, ist "Echos" zusammen mit "Fassade" subjektiv, für mich persönlich das schlechteste LACRIMOSA-Album.
Das ist schwer zu erklären. Tilo hat einen Grad an Perfektion erreicht, der an Genialität, Virtuosität grenzt. Seine CDs sind keine Gothic-Scheiben mehr, es sind dunkel angehauchte, neo-klassische Werke. Die etwas abstraktere Poesie und Emotionalität in den Texten sind dafür keineswegs der Grund, wohl aber Ausdruck dessen. Will heißen: Durch die Stufe, die Tilo im Kompositorischen erreicht hat, ist die Distanz zur Audienz, zur Basis gewachsen. Seine Werke und Gedanken sind für alte Fans nicht mehr so leicht nachzuvollziehen, wie das früher der Fall war. Deshalb treffen sie nicht mehr so genau mit brachialer Gewalt exakt das Herz und das Gefühlsleben, wie das bei Liedern wie "Stolzes Herz" oder "Ich verlasse heut' dein Herz" der Fall war - wobei die neuen Stücke das natürlich immer noch viel mehr tun, als es sich andere Bands jemals wünschen könnten. Aber LACRIMOSA werden wohl nie wieder so sehr unser Herz berühren, wie sie es mit "Stille" und "Elodia" getan haben. Wer würde das auch ernsthaft erwarten?
Dennoch: Versucht man LACRIMOSA zu kritisieren, bleibt, wie der vorhergehende Absatz zeigt, nur der Vergleich mit ihnen selbst. Für die, die von diesem Fieber einst angesteckt wurden, gibt es keine Band die ihnen auch nur ansatzweise das Wasser reichen könnte, und wahrscheinlich wird es diese auch niemals geben. LACRIMOSA sind für die, die diese Musik in Herz geschlossen haben, schon längst jenseits von Gut und Böse, von Kategorien wie "gut", "nicht so gut" oder gar "schlecht". Es sind nur Nuancen, die Unterschiede feststellbar machen.
"Echos" ist trotz meiner kläglichen Kritikversuche ein weiteres Glanzstück, ein Meisterwerk. "Echos" ist ein weiteres Oeuvre in dieser neuen, unabhängigen, avantgardistischen Form der klassischen Musik, die LACRIMOSA maßgeblich mitbegründet haben. Mehr gibt es nicht zu sagen. Kerzen anzünden, Rotwein einschenken und sich hingeben!
Anspieltipps: Ausnahmslos jedes einzelne Stück
- Redakteur:
- Mathias Kempf