LUNAR AURORA - Zyklus
Mehr über Lunar Aurora
- Genre:
- Black Metal
- Label:
- Cold Dimensions
- Release:
- 10.11.2004
- Der Morgen
- Der Tag
- Der Abend
- Die Nacht
Die Tatsache, dass es auch nach so vielen Jahren, in denen ich Black Metal höre, immer noch sehr gute Bands gibt, die schon seit Ewigkeiten aktiv sind, und die trotzdem bisher an mir vorübergegangen sind, erstaunt mich immer wieder. Die Oberbayern von LUNAR AURORA, die mit "Zyklus" ihr inzwischen bereits sechstes vollständiges Studioalbum veröffentlichen, sind so ein Fall. Liegt es an der Fixierung auf die skandinavische Szene, an meiner Unaufmerksamkeit oder an der Promotionsarbeit der bisherigen Labels? Ich weiß es nicht, aber jetzt, nachdem Gitarrist und Sänger Whyrhd zum Vertrieb der LUNAR AURORA-Scheiben ein eigenes Label gegründet hat, habe auch ich Kenntnis von dieser Band genommen, die in der deutschen Black-Metal-Szene durchaus das Zeug dazu hat, den Kopf aus der grauen Masse herauszustrecken.
Doch nun zum künstlerischen Inhalt des "Zyklus". Das schaurig-schöne Artwork, auf dem ein irrlichtartiges Skelett an uns vorbeizuhuschen scheint, stimmt hervorragend auf die surreale Atmosphäre ein, die dem Hörer im Intro zum ersten Stück 'Der Morgen' entgegenschlägt. Zwar singen die Vögel, um den Sonnenaufgang zu begrüßen, doch bereits der Morgen verheißt nichts Gutes. Die Sonnenstrahlen lassen die Welt nicht in bunten Farben erleuchten, sondern Nebel taucht die Umgebung einem Leichentuch gleich in fahles Grau. Wer den Film "Sleepy Hollow" gesehen hat, weiß was ich meine. Die einsetzenden Gitarren unterstützen diese Stimmung. Zunächst doomig, zermalmend, später in angezogenem Tempo und brachialer, durchbrechen sie die unheilvolle Stille, die deutschen Texte künden von Sterben und Wiedergeburt, Ende und Neubeginn. Die Sonne bricht bei 'Der Tag' dann scheinbar doch durch, jedenfalls zieht dieser Tag die Fliegen an. Das Stück versprüht eine Atmosphäre des Tatendrangs, eine völlig eigene Dynamik im Räderwerk der finstren Welt dieses Albums - ein Hinstreben auf den Untergang? Um die Spannung nicht durch meine individuellen Interpretationen und Darstellungen vorwegzunehmen, möchte ich den metaphorischen Teil dieses Reviews hier beenden, es sei nur noch gesagt, dass auch 'Der Abend' und 'Die Nacht' Stücke voll musikalischen Tiefgangs und bedeutungsschwerer Texte sind, deren Interpretation den interessierten Hörer lange beschäftigen wird.
Zurück zu oberflächlich-musikalischen Merkmalen: Was auffällt ist, dass LUNAR AURORA trotz der Tatsache, dass sie eindeutig Black Metal spielen, sehr eigenständig klingen. Sie nutzen viele weithin bekannte Stilelemente des Black Metal, kombinieren sie jedoch in ihren langen, epischen Kompositionen und Arrangements sehr originell. Gerade Sindars Keyboard-Teppiche sind ein gutes Beispiel hierfür. Trotzdem die Keyboard-Klänge deutlich vernehmbar und in allen Stücken präsent sind, fühlt man sich weder an kommerzielle Bombast-Blackies erinnert, noch an Bands, die Black Metal mit Industrial verbinden. Synthesizer-Sounds und Samples tangieren surreale Ambient-Gefilde, wie sie beispielsweise AGHAST durchwanderten, sind dennoch völlig in LUNAR AURORAs eigene, intensive Vision von Black Metal eingebettet. Der einzige kleine Verbesserungsvorschlag, der mir einfiele, wäre, dass die durchwegs in Deutsch abgefassten Lyrics meines Erachtens noch besser und beklemmender wirken würden, wenn der Gesang vollständig nachvollziehbar wäre, was Halleffekte bisweilen verhindern. Andererseits tragen diese nicht unwesentlich zu der von mir so sehr geschätzten kalten, grauen Stimmung bei, und man hat ja schließlich die Texte zum Mitlesen. Ich weiß nicht, ob man hier einen Mittelweg zwischen Nachvollziehbarkeit und atmosphärischer Dichte finden kann, wenn ja, dann wäre dies das Tüpfelchen auf dem "i". Ansonsten bin ich von "Zyklus" ziemlich beeindruckt und auch die Vielseitigkeit des zwischen Whyrhd, Aran und Sindar aufgeteilten Gesangs ist positiv zu vermerken. Ein solches Album verlangt natürlich, dass man sich intensiv mit ihm auseinandersetzt. Hier gibt es keine oberflächlichen Songschemata, keine "Black-Metal-Hits", kein Easy Listening, sondern Musik mit künstlerischem Anspruch, der zwar auf Kosten der Eingängigkeit geht, aber dafür ein tiefes Abtauchen in eine andere Welt ermöglicht.
Wer sich also von obigen Ausführungen angesprochen fühlt, wer sich für musikalisch eigenständigen und lyrisch völlig klischeefreien Black Metal, der erbarmungslos in die Tiefen der menschlichen Psyche vordringt, erwärmen kann, der möge LUNAR AURORA mal eine Chance geben.
Anspieltipps: Der Morgen, Der Abend
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle