LUNAR SHADOW - The Smokeless Fires
Auch im Soundcheck: Soundcheck 06/2019
Mehr über Lunar Shadow
- Genre:
- Epic Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Cruz Del Sur
- Release:
- 14.06.2019
- Catch Fire
- Conajohara No More
- Roses
- Pretend
- Laurelindorenan
- Red Nails For The Pillar Of Death
- Hawk Of The Hills
Die ewig währende Essenzs des Metals
"The tastes of the duke were peculiar. He had a fine eye for colors and effects. He disregarded the decora of mere fashion. His plans were bold and fiery, and his conceptions glowed with barbaric lustre. There are some who would have thought him mad." Keine Worte könnten das zweite Album von LUNAR SHADOW besser beschreiben, als dieser Auszug aus E. A. Poes Kurzgeschichte "The Masque Of The Red Death". Natürlich lebt dieses Album wiedereinmal von der Genialität des Masterminds Max "Savage" Birbaum, der für die Kompositionen verantwortlich zeichnet. Ich hatte zugegebenermaßen extreme Erwartungen an "The Smokeless Fires", da ich "Far From Light" für ein Jahrhundertwerk halte. Lieder wie 'The Hour Of Dying', 'Gone Astray' oder die Göttergabe 'Hadrian Carrying Stones' haben das Debüt zu einem unsterblichen Klassiker gemacht. Aber es gab winzige dunkle Stellen, Details, die man hätte verbessern können. Dieses Gefühl aber stellt sich beim aktuellen Album nie ein. Es ist einfach von der ersten bis zur letzten Note perfekt.
Dazu trägt die verbesserte Produktion bei, die zumindest in meinen Ohren keine Wünsche offen lässt. Sie balanciert genau auf dem schmalen Grat zwischen Mainstream und Underground, zwischen Transparenz und Verwaschenheit, zwischen Technik und Gefühl. Ein weiteres Plus ist der neue Sänger: So sehr ich den Gesang auf der EP und dem Vorgänger mochte, so genial fügt sich Robert Röttig in den Gesamtklang der Band ein. Nie aufdringlich im Vordergrund, stets dominieren die Gitarren, sondern immer genau auf den Punkt. Dabei unterscheidet er sich stimmlich nicht allzu viel von Alex Vornam, ist aber technisch sicherlich der bessere und vor allem variablere Vokalist. So unterstreicht er den Charakter der einzelnen Stücke ganz vortrefflich durch seine mal weiche, gebrochene, mal harsche und bisweilen sogar kreischende Stimme. Niemals hat man den Eindruck, er sänge einfach lieblos den Text ab, vielmehr erweckt er ihn zum Leben. Ganz groß!
Ein solches Album verdient - ach was - erfordert natürlich eine ausführliche Lied-für-Lied-Besprechung, also los: Ohrenschmeichelnde Klavierklänge eröffnen 'Catch Fire', dazu hört man ein knisterndes Feuer. Und man merkt, die Mondschatten haben Zeit. Denn das Piano (wir begegnen ihm später noch öfters) wird von epischen Gitarren abgelöst, dazu sich langsam aufbauende Schlagzeugrhythmen. Dann bricht das Riffgewitter los, begleitet von Blastbeats und Maxens allgegenwärtiger Leadgitarre. Diese gibt einen Vorgeschmack auf den hoch-edlen Refrain. Erst nach zwei Minuten setzt der Gesang ein und ehe man sich versieht, bekommt man den erwähnten Refrain um die Ohren gehauen. Instrumental wird hier der alten Vorliebe für die Göteborg-Schule gehuldigt, meinetwegen auch DISSECTION, dazu gibts aber klaren Gesang und genau diese Mischung macht LUNAR SHADOW so einzigartig, so unfassbar gut. Alles in Allem ein verdammt würdiger Opener, der sich in einem hypnotischen Finale ergießt und den Weg freimacht für Vogelgezwitscher. Das wiederum gehört zu 'Conajohara No More', welches mit akustischen Gitarren beginnt und eine entspannte Atmosphäre verbreitet, nur um sie gleich darauf mit dramatischen Stromgitarren einzureißen. Das Tempo ist hier moderato bis langsam, zieht aber im Verlauf deutlich an. Und schon wieder diese Gänsehaut-Melodien. Eine heilige Verbindung von Leadgitarre und Gesangslinien. Letztere sind zwar nach wie vor typisch LUNAR SHADOW, aber dennoch deutlich abwechslungsreicher als auf den früheren Werken. Motivarbeit, wie sie sein sollte! Wie auch immer, die Strophen gehören zum Besten, was man in diesem Metier so findet. Seinen latent verträumten Charakter verliert das Stück auch in den schnelleren Passagen nie ganz, was es zu einem perfekten zweiten Lied macht. An dieser Stelle sei einmal die durchdachte und hochgradig wirkmächtige Anordnung der Songs angesprochen und gelobt. Sänger Röttig zeigt hier ganz nebenbei auch seine Scream-Qualitäten.
Die braucht er beim folgenden 'Roses' allerdings eher weniger. Es wird im Grunde Post Punk oder dunkler 80er-Gothic Rock geboten. Aber auf was für einem verdammt hohen Niveau! Spätestens im Refrain packt einen das Lied so dermaßen, dass man es wohl nie wieder vergisst. Natürlich haben Bands wie IN SOLITUDE so etwas schon davor gemacht, dabei aber nicht ansatzweise so attraktive Melodiemonster erschaffen. Eine rotzige Poppigkeit trifft hier - vermengt mit genau der nötigen Portion Härte - auf ganz viel Gefühl und eine dekadente Stimmung, die ein Oscar Wilde nicht besser hätte erschaffen können. Nun erfolgt ein Wiederhören mit dem Klavier, das eine Ballade begleitet, die auf den Namen 'Pretend' hört und durch hallige Vocals, den Aufbau und ihre Melodieführung einen Bogen zu 'Gone Astray' vom Debüt spannt. Ähnliche Stimmung und doch ganz anders. In der Mitte werden gesanglich schwindelerregende Höhen erreicht, dann folgt die Leadgitarre mit ihrem Auftritt, wird vom Klavier in der Melodie abgelöst und am Ende kommen noch Streicher dazu. Nach diesem melancholischen Doppelpack kommt die Kehrtwende: 'Laurelindorenan' beginnt wie der perfekte Power Metal-Song. Schnelle Drums, eine kraftvolle Gitarren-Melodie und treibende Rhythmen der beiden Hamacher-Brüder. Textlich mit Tolkienbezug, den man so tiefgründig und kunstvoll von viel zu wenigen Bands bekommt. ATLANTEAN KODEX mal ausgenommen. Die Reise nach Lorien ist dabei eine Blaupause an Abwechslung: Tempo, Stimmung, Gitarren und Gesang sorgen für beste Unterhaltung. Hier kommt auch der Bass schön zur Geltung, der mit seinen pumpenden Klängen das Lied nach vorne treibt. Apropos KODEX: Ich meine hier feine Anspielungen in der Leadgitarre zu erkennen. Gegen Ende wirds dann mithilfe der Rhythmusgitarre noch mal episch. Ein Kniff, der später wieder verwendet wird. Insgesamt ein weiterer Höhepunkt des Albums!
Morgenländischer Frauengesang leitet das mit einem CRADLE OF FILTH-Gedächtnis-Titel benannte 'Red Nails For The Pillar Of Death' ein. Dann folgt eine längere Instrumentalpassage, die den Weg ebnet für auslandende Strophen mit eher langsamen Blastbeats. Das Stück hat bei mir am längsten gebraucht, um zu zünden, wächst aber gewaltig. Die auch ansonsten grandiosen Texte sind hier nochmal ein Stück grandioser und passen auch lautmalerisch perfekt zur Musik. Mit über acht Minuten das umfangsreichste Stück der Platte und daher maximal episch. Vor allem das Ende ist zum niederknien. Kommen wir zum Finale, dem bereits vorab bekannten Stück 'Hawk Of The Hills'. Dazu müsste ich eigentlich nichts mehr sagen, jeder Mensch von Kultur hat sich das zu diesem Zeitpunkt hoffentlich schon genügend oft angehört. Für alle anderen: Einen würdigeren Abschluss für ein Album kann man sich nicht denken. Gesanglich wird hier nochmnal alles aufgefahren, vom zerbrechlichen Beginn bis hin zu den Schreiben im weiteren Verlauf. Dazu: Killer-Refrain, Gitarrenmelodien, die nicht von dieser Welt sind und schwarze Raserei vermischt mit erhabener Epik. Auch hier wird wieder di Detailverliebtheit der Beteiligten sichtbar, wenn das Stück mit einer Huldigung der alten Manowar endet. Die schwierige Frage, für welchen Stil LUNAR SHADOW steht, lässt sich nach diesem Stück wohl nur mit Post Epic Metal beantworten. Oder einfach Metal. In ihrer Besonderheit und und Extravaganz, in ihrer Fähigkeit, erwartungsbrechend und gleichzeitig -erfüllend zu sein, kann dieser Band ohnehin niemand das Wasser reichen.
Ein musikalisches Juwel, das von der Covergestaltung bis hin zur Musik einfach nur ganz groß ist. Eine Rose inmitten der gleichgeschalteten Metalmainstreams. Ein lauter Schrei nach Freiheit und Individualität, eine tröstliche Suche nach sich selbst. Ganz nah dran an der Essenz des Metals. Und bei aller Perfektion so roh und wild, wie man es sich nur wünschen kann. Ein Bild, das mit Farben gemalt ist, die man nie zuvor gesehen hat. "The Smokles Fires" ist kein Jahrhundertalbum, es ist ein Jahrtausendalbum. Und zehn Punkte im Grunde eine Beleidigung.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Jakob Schnapp