MYSTICUM - Planet Satan
Mehr über Mysticum
- Genre:
- Black Metal / Industrial
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Peaceville Records / Edel
- Release:
- 27.10.2014
- LSD
- Annihilation
- Far
- The Ether
- Fist Of Satan
- All Must End
- Cosmic Gun
- Dissolve Into Impiety
Satans interstellare Pioniere in all ihrer Majestät, Kälte, Erhabenheit und Durchschlagskraft.
Wenn irgendwann lange gehegte und fast schon begrabene Hoffnungen doch noch wahr werden, dann ist das zumeist ein ganz besonderes Ereignis. Genau so verhält es sich nun mit der Veröffentlichnung von "Planet Satan", dem zweiten Studioalbum der legendären Band MYSTICUM, das bereits 1996 angekündigt wurde, und das nun, nach sage und schreibe 18 Jahren das Licht der Welt erblickt... nun, gut, sagen wir lieber auspustet. Das Trio aus dem norwegischen Asker hat bereits in den Neunzigern Pionierarbeit geleistet, und zwar mit seinem Debütalbum "In The Streams Of Inferno", das ursprünglich hätte auf Deathlike Silence Productions erscheinen sollen, was jedoch an Euronymous' Tod scheiterte. Das Album kam dann eben über Full Moon Productions aus den USA und erschütterte Mark und Bein, indem es rasenden, klirrenden Highspeed Black Metal mit unbarmherzig und industriell hämmerndem elektronischem Schlagzeug verband, ohne sich dabei auch nur ansatzweise seiner schwarzmetallischen Aura zu berauben.
Nun, knapp zwei Jahrzehnte nach diesem epochalen Debüt ist es also nun soweit, dass "Planet Satan" in die Läden kommt, und Kameraden, glaubt es mir, der Band gelingt das nicht hoch genug einzuschätzende Kunststück, mit dem Zweitwerk den ureigenen Geist MYSTICUMs völlig authentisch und stiltreu ins dritte Jahrtausend zu beamen, und dabei trotzdem wieder so wegweisend und originell zu klingen, wie anno 1996. Denn genau so wie es in den vergangenen 18 Jahren keiner Band gelungen ist, diesen Geist einzufangen, so wenig sind Dr. Best (Mean Malmberg), Cerastes und Ravn (Prime Evil) in der Lage zu verleugnen, wer und was sie sind. Das führt dazu, dass diese diabolische Wundertüte eben genau so original nach MYSTICUM klingt, als wäre sie bereits 1997 erschienen, dabei aber auch wieder genau so ihrer Zeit voraus, als sollte sie erst 2112 aus einer Reichsflugscheibe fallen.
Die kalte, sphärische, interstellare Ästhetik ist durch die Aufnahme von Sverre Dæhli und das Mastering von Tom Kvålsvoll perfekt eingefangen und spiegelt sich im grandiosen Artwork aus Planeten, Sternenclustern und Nebelgalaxien wieder, in denen Dämonen, Geister und gequälte Seelen gebannt sind, alle unter dem totalitären Schatten des MYSTICUM-Banners mit dem Raben, der das Pentagramm in seinen Klauen trägt. Diese visuelle Ästhetik wird von der gebotenen Musik perfekt reflektiert. Der von Basser Robin Malmberg programmierte Drumcomputer treibt dem Hörer einmal mehr die Krampen ins Rückenmark, als würden Sie aus einem 1000-Bar-Presslufttacker geschossen, und dazu flirren und surren die effektbeladenen Gitarren dahin, als gäbe es kein Morgen. Was sich Cerastes und Ravn in die Gelenke der Schlaghand gespritzt haben, um diese brachiale Attacke fahren zu können, will ich lieber nicht wissen, denn schon der Opener 'LSD' (kurz für 'Lucifer in the Skies with Demons') lässt das Blut gefrieren, renkt die Nackenwirbel aus und besticht mit dieser unnachahmlichen MYSTICUM-Aura.
Obwohl die Band kaum experimentiert und ihr stilistisches Grundgerüst nicht nennenswert modifiziert, kommt auf "Planet Satan" zu keiner Zeit Langeweile auf, was zum einen natürlich an der relativen Kürze des Werkes liegt, das es einschließlich des langen instrumentalen Schlusstracks auf 47 Minuten bringt, zum anderen aber auch am prägnanten Songwriting, das durchaus Wert auf eingängige Refrains und Hooks legt, und natürlich auch an der sehr charismatischen und abwechslungsreichen Gesangsdarbietung, die sich Cerastes und Ravn brüderlich teilen. Das infernalisch schnelle 'Annihilation' wird programmatisch von einer Luftschutzsirene eingeleitet und hackt alles in Stücke, während 'Far' - als einziger Song auf Norwegisch verfasst - das Tempo ein kleines bisschen drosselt und so im Zusammenhang mit dem elektronischen Beat einen mörderischen Groove entfacht, der nun wirklich keinen mehr still sitzen lassen dürfte.
Morbide Marschrhythmen, Trommelfeuer aus dem Desruptor und Gesang zwischen drohender Beschwörung und manischem Wahn prägen das sphärisch arrangierte 'The Ether', das treffend mit den Worten "Celebrating to the beat and the sound of the cult of MYSTICUM" endet, die den Song perfekt resümieren. Dass 'Fist Of Satan' keine Gefangenen macht, verspricht ja bereits der Titel, und so haben wir es hier auch mit unbarmherziger Raserei zu tun, die aber immer wieder durch tolle Breaks in getragenere Gefilde gerät, die tolle Akzente setzen, was vor allem auch am hier relativ klaren Gesang und einer gewissen VENOM-Attitüde liegt - noch mehr Rock'n'Roll werdet ihr von MYSTICUM bestimmt nicht bekommen! Dass die Jungs für 'All Must End' noch ein Schifferklavier auspacken, kommt dann etwas überraschend, doch es ist nur das Intro; der Song an sich bewegt sich für MYSTICUM in verhältnismäßig gemäßigtem Tempo, hat eine irrwitzig hypnotische Wirkung und kommt im letzten Drittel gar noch mit einem Trance-Break in Drum'n'Bass-Gefilde um die Ecke, das perfekt ins Gesamtkonzept passt. Auch 'Cosmic Gun' bietet mit seinen sehr flächigen Synth-Gemälden eine weitere funkelnde Facette des Albums, bevor selbiges mit dem sehr langen Instrumental 'Dissolve Into Impiety' ambientlastig ausklingt, dessen Länge und Repetitivität effektiv der einzige minimale Kritikpunkt an dem Album ist, den ich gelten lassen kann.
Was bleibt also? Nun, in erster Linie unendliche Freude darüber, dass es sich manchmal doch lohnt, die Hoffnung auf diese mythologischen, vermeintlich nie erscheinenden Alben nicht aufzugeben. Wer also auf "Mathematics" und "Hammer Damage" wartet, der mag neue Energie schöpfen. Zum anderen bleibt der Beweis, dass es sich für MYSTICUM bezahlt gemacht hat, auf den Moment zu warten, der für alle drei Bandmitglieder der richtige war, um den lange gehegten, finstren Traum von "Planet Satan" zu Ende zu träumen. Denn das Trio realisiert in allerletzter Konsequenz all das, was sich der MYSTICUM-Fan der ersten Stunde in seinen wildesten Träumen nicht hätte vorstellen können: Ein Album, das wirklich keine Wünsche offen lässt und Satans interstellare Pioniere in all ihrer Majestät, Kälte, Erhabenheit und Durchschlagskraft präsentiert.
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle