NEVERMORE - The Politics Of Ecstasy
Mehr über Nevermore
- Genre:
- Neo Thrash Metal
- Label:
- Century Media
- Release:
- 28.10.1996
- The Seven Tongues Of God
- This Sacrament
- Next In Line
- Passenger
- The Politics Of Ecstasy
- Lost
- The Tiananmen Man
- Precognition
- 42147
- The Learning
Eines gleich vorweg: Wer eingängige, locker konsumierbare Musik bevorzugt, ist hier absolut fehl am Platz. Seattle´s finest NEVERMORE waren schon immer eine Kritiker-Band. Das heißt in Neudeutsch: Anspruchsvoll ohne Ende und sperrig wie die Hölle. Die einen hassen die Band für ihre unplakative Melodiösität, die anderen verehren sie für dieselbe.
Unterschwellig melodiös ist NEVERMORE nämlich ohne Ende. Nur springen einem die Harmonien nicht fröhlich im "Europa-Style" ins Gesicht.
Es ist sehr schwierig, ein objektives Review über eine Nevermore-CD zu schreiben, weil man zwangsläufig einer dieser beiden Seiten zugehörig ist und trotzdem der anderen die Veröffentlichung nahe bringen möchte. Ich versuche mich auf die kleinsten Nenner einzuschießen.
Zum einen ist natürlich Wunderröhre Warrel Dane zu nennen, der auf dieser CD, wie auch auf allen anderen Releases, bei denen er mitgewirkt hat, Melodien singt, die nicht von diesem Stern sind. Sie sind fern ab von all dem, was "normalerweise" mit "logischen" Harmoniefolgen zu tun hat. Eher kann man es mit Begriffen wie "chromatischer Intonation" beschreiben. Warrel bedient sich quasi nur selten gängiger Ganz-Ton-Sprünge; er verwendet um so häufiger (fast immer) die Halbtöne mit (im Klampfenbereich völlig normal, im Gesangsbereich selten - zumindest in diesem Ausmaß).
Philosophieren könnte man im Fall NEVERMORE ebenso über die Gitarren-, Schlagzeug- und Bassarbeit, die ähnlich suspekt und dennoch zumindest für mich schlüssig und eingängig ist.
Mit 'The Seven Tongues Of God’ legt die Band einen Kracher vor, der auch heute noch in der Setlist steht. Alles vereint sich hier in metallischer Eleganz: Rifflast, Brachialität, Melodien und ein Shouter, der über allem thront - klasse Einstieg. 'This Sacrament’ ist sehr "psychotisch" und "verschroben" und glänzt mit melodischen Gitarren und einem Sänger, der sich leidenschaftlich durch die Harmonien aalt. Zu 'Next In Line’ wurde damals ein Video gedreht, wo bei ich die Airplay-Politik der Plattenfirma hinsichtlich der Songauswahl bis heute nicht verstehe. Es gibt zwar nicht viele potenzielle Kandidaten für Airplay auf der Scheibe, aber 'Next In Line’ ist die düsterste Nummer der ganzen CD - und gerade deshalb mein Liebling. Das Lied ist morbide, atmosphärisch und trotzdem Power Metal mit Melodie in Vollendung.
'Passenger’ ist eine schön getragene Nummer, die fast sphärisch und doomig rüberkommt. Der Gesang ist mal zerbrechlich, mal dominant, mal hasserfüllt.
'The Politics Of Ecstasy’ ist schräg wie nur irgendwas! Ich persönlich verehre diese Nummer, weil sie unaufhaltsam groovt und Warrel Dane wirklich ALLES aus sich herausholt. Das Lied ist SlowMo-US-Powermetal, wie ihn wirklich KEINE andere Band momentan auf dieser Welt macht. Zumindest ist mir keine vergleichbare bekannt. Der Mittelpart der Nummer schlägt in eine fast schon DREAM THEATER-mäßige Prog-Keule um, um dann Sekunden später ähnlich der letzten DEATH-Scheiblette "The Sound Of Perseverance“ zu klingen! Noch Fragen? Eben!
'Lost’ ist um vieles eingängiger. Der Song könnte schon eher auf dem 2000 veröffentlichten Bestseller "Dead Heart In A Dead World“ stehen, obwohl auch hier wieder der musikalische Prog-Tornado im Mittelteil ausgepackt wird. 'The Tiananmen Man’ hat einen geilen, eingängigen Refrain, der mich nach dem ersten Hörgang sofort ein paar mal zum Drücken der Repeattaste genötigt hat. Ansonsten powert die Nummer vor allem durch das heftige Geriffe des Gitarren-Doppels Jeff Loomis und Pat´O´Brian.
'Precognition’ ist ein tierisch geiles Instrumental, das totale Western-Soundtrack-Vibes verbreitet. Ein Western... ein Schlussduell im Sand... Auge in Auge mit dem Feind... untermalt mit dieser Nummer... genial!
'42147’ packt dann noch mal den Stier bei den Hörnern. Die Nummer brettert über einen weg wie ein D-Zug und lässt wirklich keine Fragen offen; bis auf eine: Was kann man jetzt noch oben draufsetzen?
Einen 10-Minuten-Metal-Moloch namens 'The Learnig’, über den ich hier gar nichts schreiben kann, ohne in Superlativen zu schwelgen. Zu Beginn schön ruhig, stetig anschwellend zu einem Groover, entwickelt sich die Nummer nach sieben Minuten zu einer Präsentation musikalischen Könnens, ohne jemals in nervtötende Frickeleien zu verfallen. Das Lied bleibt in sich schlüssig und behält jederzeit den roten Faden.
Ebenso wie 'The Learnig’ bewerte ich die ganze CD "The Politics Of Ecstasy“, die mit Sicherheit für manchen Metaliac zu sperrig sein wird. Ich persönlich mag aber solche "abschüssigen“ und teils "disharmonischen“ Melodylines, vor allem wenn die CD als Komplettpaket eine Einheit bildet, wie in diesem Fall.
Ich rate jedem, der Nevermore NOCH nicht kennt, vor dem Kauf ein "kleines" Ohr zu riskieren.
Ansonsten schließe ich mich gern den "Kritikern“ an und vergebe ohne Gewissensbisse, Schlafstörungen und Exikoseerscheinungen die Höchstnote.
Anspieltipps: The Seven Tongues Of God, Next In Line, The Politics Of Ecstasy, The Tiananmen Man, 42147
- Redakteur:
- Alex Straka