NIGHTWISH - Dark Passion Play
Mehr über Nightwish
- Genre:
- Symphonic Metal
- Label:
- Nuclear Blast
- Release:
- 28.09.2007
- The Poet And The Pendulum
- Bye Bye Beautiful
- Amaranth
- Cadence Of Her Last Breath
- Master Passion Greed
- Eva
- Sahara
- Whoever Brings The Night
- For The Heart I Once Had
- The Islander
- Last Of The Wilds
- 7 Days To The Wolves
- Meadows Of Heaven
Kaum eine Band hat in den letzten zwei Jahren so viel Pressewirbel um sich zentriert wie die finnischen Symphonic-Metaller von NIGHTWISH. Nach dem spektakulären Rauswurf von Opern-Diva Tarja Turunen machte sich Bandleader/Keyboarder Tuomas Holopainen mit seinen drei Restmitstreitern auf die Suche nach einem würdigem Ersatz. Dieser wurde - nach monatelangen Spekulationen von Seiten der Presse - in der Schwedin Anette Olzon gefunden, die keine klassisch ausgebildete Sängerin ist. Nicht ganz zwei Jahre nach Tarjas Rauswurf melden sich NIGHTWISH nun mit "Dark Passion Play" zurück, ein Album, das bereits mit dem stimmigen Cover düstere Kompositionen verspricht. Und dennoch knabbern die Fans nervös ihre Fingernägel ab: Wird Anette es schaffen, in Tarjas Fußstapfen zu treten? Und sind NIGHTWISH überhaupt noch NIGHTWISH?
Diese Frage kann getrost mit einem "Ja!" beantwortet werden, denn die Kompositionen stammen unverkennbar aus der Feder Tuomas Holopainens. Der rote Faden, ein Orchester einzusetzen, der mit "Century Child" begonnen und mit "Once" fortgeführt wurde, wird auch in dem neuen Werk wieder aufgegriffen und weitergesponnen. Noch bombastischer sind die Klänge, und man wird unweigerlich an einen Film-Soundtrack erinnert. Der Opener 'The Poet And The Pendulum' ist das beste Beispiel: 14 Minuten lang wird der Hörer in einen Bombast-Sog gezogen, in dem sich Chöre, Boy-Sopranos und natürlich Metal-Gitarren mit ruhigeren Momenten abwechseln. Ein kleines Meisterwerk und außerdem ein sehr mutiger Schritt, dieses Monster-Stück gleich an den Anfang zu setzen. Weiter geht es mit 'Bye Bye Beautiful', der nächsten Singleauskopplung. Wer den Titel auf Tarja Turunen bezieht, der liegt hierbei goldrichtig, doch allen Erwartungen zum Trotz entpuppt sich das Lied nicht als wehleidige Ballade, sondern als echter Reißer mit Ohrwurmcharakter und Techno-artigem Beat, der in die gleiche Richtung wie 'Wish I Had An Angel' geht. Live gespielt wird dieses Lied mit Sicherheit der Hammer, so viel ist sicher. 'Amaranth', die erste Single, wirkt nach dem ersten Hören etwas arg poppig, entpuppt sich aber ebenfalls als ein Ohrwurm, der durchaus auch seine harten Stellen hat. Nach dem eher durchschnittlichen 'Cadence Of Her Last Breath' folgt mit 'Master Passion Greed' der mit Abstand aggressivste Song auf "Dark Passion Play". Interpretiert wird das Stück fast ausschließlich von Marco Hietala, der wieder einmal zeigt, was für ein Ausnahme-Sänger er in der Metalszene ist. Nach so viel Wut wird das Tempo erst einmal etwas heruntergeschraubt; es folgt 'Eva', der Song, mit dem Anette der Öffentlichkeit vorgestellt wurde. Gegenüber den anderen Stücke des Albums wirkt diese Ballade etwas blutleer, auch wenn die neue Stimme hierbei natürlich besonders gut zum Ausdruck kommt. Trotzdem ist und bleibt das Lied einfach nur nett - und wie wir alle wissen, ist "nett" die kleine Schwester von "scheiße" ;-).
'Sahara' erinnert mit leicht orientalischen Klängen an 'The Siren' und fügt sich gut in das Gesamtbild ein, was man vom Folgetrack 'Whoever Brings The Night' nicht behaupten kann. Diese absolut einfallslose Pop-Nummer ist definitiv mein persönlicher Tiefpunkt das Albums. Mit 'For The Heart I Once Had' findet man eine weitere Ballade, die zwar eng an der Kitsch-Grenze entlangschrammt, aber dennoch Gefühle weckt. Positiv überraschen kann auch 'The Islander', ein vollkommen akustisches Stück, bei dem Marco seine sanfte Seite offenbart und Lagerfeuerromantik entfacht. Naturliebend geht es direkt mit 'Last Of The Wilds' weiter. Dieses Instrumentalstück ist eine wahre Perle des Albums und wartet genau wie 'The Islander' mit folkigen und irischen Elementen auf. Im Februar 2007 beschrieb Tuomas mir den Song so: "Du kannst auf alle Fälle gut drauf tanzen - am besten sturzbesoffen auf einem Tisch mit einer Horde Hobbits um dich herum." Aber sehr gerne doch, Herr Holopainen! Irisch angehaucht ist auch '7 Days To The Wolves', ein Song, der am ehesten an die älteren NIGHTWISH-Lieder erinnert und daher höchstwahrscheinlich in der Gunst der Fans sehr weit oben stehen wird. Zu Recht. Den Abschluss des Epos bildet das emotionale 'Meadows Of Heaven' - komplett mit Gospelchor und allem drum und dran.
Was gibt es zu Anette selbst zu sagen? Ein Tarja-Klon ist sie auf keinen Fall - und das ist auch sehr gut so. Sie verleiht den bombastischen Kompositionen durch ihre Interpretation eine völlig neue Richtung, die man bisher so von NIGHTWISH noch nicht kannte, auch wenn der Operngesang-Anteil ja auch bereits mit den letzten zwei Alben stetig abnahm. Mir persönlich gefällt diese neue Richtung sehr gut, aber es wird mit Sicherheit genügend Leute geben, die beim Hören die Nase kräuseln und NIGHTWISH abschwören werden. Im Gegenzug wird es allerdings auch jene geben, die nun erst richtig Zugang zu der Musik finden. Die einen gehen, die anderen kommen, und viele werden auch ganz einfach bleiben. Trotz des unbestreitbaren Pop-Einflusses schaffen es NIGHTWISH, die Symphonic-Metal-Fahne weiterhin ganz weit hoch zu halten - und was noch viel wichtiger ist: Sie zeigen, dass ein Leben ohne Tarja durchaus möglich ist, ein gutes Leben obendrein.
PS: Soundtrack-Freunden (und Leuten, die zwar die Musik mögen, sich aber trotzdem nicht mit Anettes Stimme anfreunden können oder wollen) sei unbedingt die Special Edition von "Dark Passion Play" ans Herz gelegt, denn auf der beiliegenden Bonus-CD findet man alle Lieder des Albums als Instrumental-Versionen, gespickt mit Orchester- und Chor-Parts, die auf der normalen Scheibe nicht zu hören sind.
PPS: Wie das Album von der POWERMETAL.de-Redaktion im Querschnitt aufgenommen wurde, lässt sich knapp und bündig hier nachlesen:
In der Gruppentherapie: NIGHTWISHs "Dark Passion Play"
Anspieltipps: Last Of The Wilds, Bye Bye Beautiful, The Poet And The Pendulum, Master Passion Greed, Amaranth
- Redakteur:
- Ricarda Schwoebel