NOCTURNUS AD - Paradox
Mehr über Nocturnus AD
- Genre:
- (Progressive) Death Metal
- ∅-Note:
- 10.00
- Label:
- Profound Lore Records
- Release:
- 24.05.2019
- Seizing The Throne
- The Bandar Sign
- Paleolithic
- Precession Of The Equinoxes
- The Antechamber
- The Return Of The Lost Key
- Apotheosis
- Aeon Of The Ancient Ones
- Number 9
The Return Of The (Lost) Key!
Wenn man von den Urvätern des technischen Death Metals spricht, wird meiner Meinung nach ein Name immer etwas unterschlagen. Dabei müsste NOCTURNUS eigentlich den Spitzenplatz belegen, hat die Band doch 1990 mit "The Key" das damals fortschrittlichste Album aufgenommen, das in der Blütezeit des Death Metals möglich war. Oder kann sich jemand an eine andere Band dieser Stilrichtung erinnern, die Keyboards als Hauptinstrument eingesetzt hat und über diese Klangteppiche Leads und Soli als songtragendes Element schwirren ließ? Und trotzdem lebte und lebt dieser unverrückbare Meilenstein von einer Eingängigkeit, die auch beim Branchenprimus MORBID ANGEL jederzeit aus all dem Wahnwitz herausstach. Auch MORBID ANGEL hatte keinerlei Aversionen gegenüber dem Tasteninstrument, aber eben dessen Einsatz war bei Mike Brownings Band (übrigens Mitbegründer der Morbiden Engel und auf "Abominations Of Desolation" zu hören) komplett revolutionär. Leider fiel der Nachfolger "Thresholds" (mit neuem Sänger und Mike nur noch hinter den Drums) qualitativ etwas ab und klang eher "normal", und mit dem Drittwerk "Etheral Tomb" (ohne Browning) gelang ein zwar recht gutes, aber definitiv kein großartiges Album. Und so geriet der Name NOCTURNUS (mit all den Wechsel und Streitigkeiten) zwar nicht in Vergessenheit, doch niemand rechnete wohl damit, dass da nochmal etwas kommen könnte...
...ABER: Mike Browning, dieser alte Schlingel, lauerte wohl all die Jahre in seinem persönlichen "Lake Of Fire" und brütete etwas aus. Er schnappte sich einfach mal eine neue Band, nannte sie AFTER DEATH und fing an, für das große Armageddon zu üben. Eine dieser Übungen schaffte es mit sechs Songs (inklusive eines MORBID ANGEL-Songs) auf eine Split mit den Chilenen von UNAUSSPRECHLICHEN KULTEN und verschaffte dem Rezensenten fast einen Herzfinfarkt. Die Songs konnten tatsächlich diesen ureigenen Spirit, den "The Key" verkörperte, ein weiteres Mal entfachen. Anscheinend hatte auch der growlende Trommler das selbe Gefühl, und so kam es, wie ich es mir in meinen kühnsten Träumen nicht hätte ausmalen können: Mike Browning hat seine Band in NOCTURNUS AD umbenannt, den Reset-Knopf betätigt, alles ausgelöscht, auf dem seit 28 Jahren der Name NOCTURNUS stand und mal eben mit "Paradox" den wirklichen Nachfolger von "The Key" aufgenommen. Inklusve Cover-Artwork und textlichem Konzept.
Nun, ich höre schon das Raunen, sehe die skeptischen und ungläubigen Blicke all derer, die die beiden Vorabtracks noch nicht hören durften und behaupten, ich wäre nun wohl komplett wahnsinnig geworden. Mit Letzterem mögen viele recht haben, bei allem anderen kann ich Entwarnung und den Befehl geben, endlich die Play-Taste zu drücken. Nach einem Intro wähnt man sich beim Opener 'Seizing The Throne' erst einmal in einem alten MORBID ANGEL-Song, der aber nach kurzer Zeit in Richtung alter NOCTURNUS ausschlägt, etwas anders als zu Debüt-Zeiten klingt, aber andererseits auch wieder nicht. Schwer zu erklären... Man hört, dass andere Leute am Werk sind, diese aber keinen Deut schlechter agieren als die Original-Irren Panzer, Davis und McNenney. Und dann endlich, beim zweiten Song 'The Bandar Sign', ist das "The Key"-Feeling vollends wieder da und beamt den Hörer 28 Jahre zurück. Desweiteren merke ich gerade hier, wie sehr ich Mike Brownings Art zu singen, seine Art der Phrasierung all die Jahre vermisst habe. Was im Verlauf der Scheibe ebenfalls auffällt, ist die Tatsache, dass die Songs etwas vertrackter erscheinen als in der Vergangenheit, trotzdem aber ins Ohr gehen und immer wieder Widerhaken in selbiges schlagen. Sei es durch einen Gesangspart, ein Killerriff oder einen der zahlreichen, völlig großartigen Keyboardtupfer (alles kombiniert im bereits als Vorabtrack präsentierten Songmonolithen 'Precession Of The Equinoxes'). Ohnehin ist die Instrumentalarbeit (so wie es sich für diese Band gehört) nicht von dieser Welt, wenn auch nicht, wie bei zahllosen anderen Bands aus der technischen Ecke, mit Skalpell im sterilen Raum gewerkelt wird.
Und wenn man sich nach fünf Songs nassgeschwitzt vor Begeisterung sicher ist, dass es nicht besser werden kann, gräbt die Band mit 'The Return Of The Lost Key' ganz tief im 1991er-Werk und recycelt sogar ein komplettes Gitarrenriff für den Vers. Dass das Intro des nachfolgenden 'Apotheosis' an den Anfang von 'Droid Sector' erinnert, dürfte auch nicht ganz unbeabsichtigt sein. Während diese beiden Großartigkeiten zusammen mit dem oben erwähnten 'Precession Of The Equinoxes' ganz viel "The Key" atmen, erinnert der Spinett-Part des folgen Killers 'Aeon Of The Ancient Ones' (diese Melodie!!!) fast etwas an alte CRADLE OF FILTH, was aber keineswegs negativ gemeint ist. Ganz im Gegenteil: Dieser Part passt der melodischen, aber immer bösartigen Atmosphäre wie der Arsch auf den Eimer.
Nun stehe ich dann hier am See des Feuers in Blut, mit Aussicht auf das Sandimperium und Visionen jenseits des Grabes und sage euch: 'Number 9' ist eines der tollsten Instrumentals überhaupt, das meine persönliche Platte des Jahres abrundet und mir endlich den lange ersehnten Nachfolger eines meiner absoluten Lieblingsalben beschert. Vielen Dank an Mike Browning und seine großartigen Jungs!!!
- Note:
- 10.00
- Redakteur:
- Michael Meyer