PSYOPUS - Odd Senses
Mehr über Psyopus
- Genre:
- Technical Death/Grindcore
- ∅-Note:
- 9.50
- Label:
- Metal Blade
- Release:
- 13.02.2009
- .44
- Medusa
- The Burning Halo
- Duct Tape Smile
- X And Y
- Boogeyman
- Imogen's Puzzle Pt. 3
- Choker Chain
- Ms Shyflower
- A Murder To Child
Hohe technoid-mathematische Wahnsinnskunst – knallhart wie ein Angel-Dust-Trip.
Freaks! Einfach nur verdammte Freaks! Es ist kaum zu glauben: trotz jahrelangen harten Trainings, angestrebter metallischer Meisterschaft und bieneneifrigem Musikstudium an Hochschulen wird die als rudimentär und stümperhaft angesehene Kultur des Heavy Metal als ein Schmelztiegel von instrumentalistischem Unvermögen, dekadenten Umtrieben, antidemokratischer Idiotie und angelegentlichen Wahnausbrüchen angesehen. Nicht nur, dass Pseudofachleute der Musik tackerartige Stempel der Pauschalisierung aufdrücken, eine Entwicklung wird von vornherein ausgeschlossen und so etwas wie Diversifikation gibt es ja so oder so nicht. „Heavy Metal Rock: Spielweise der Rockmusik, die musikalisch de facto mit dem Hardrock identisch ist, sich diesem gegenüber jedoch durch noch größere Lautstärken und einen brutalen Kult der Männlichkeit auszeichnet. Äußeres Erscheinungsbild mit schwarzer, eisenbeschlagener Lederbekleidung, die mit Gewaltmetaphern durchsetzte Sprache der Songtexte und der metallische Sound in überdimensionierter Lautheit konstituieren hier eine Ästhetik der Gewalt, die die Rockmusik zu einer monströsen Horrorshow werden läßt, oder mit einem makabren Okkultismus durchzieht. Dahinter steht jedoch nicht nur ein auf Krawall und makaber-dramatische Sensation angelegtes Promotionskonzept, sondern nicht minder auch die in Aggressivität umgeschlagene Frustration insbesondere des sozial unterprivilegiertesten Teils der westeuropäischen und US-amerikanischen Jugend mit einem gefährlichen Hang zum Rechtsradikalismus. Letzteres spiegelt sich dann nicht selten im Bühnenverhalten dieser Gruppen bis hin zu SS-Runen, die die amerikanische Gruppe Kiss, einer der exponiertesten Vertreter des Heavy Metal Rock, in ihrem Gruppennamen führt.“ So steht es biblisch-gravitätisch im „Sachlexikon Rockmusik“ von Wieland Ziegenrücker und Peter Wicke. Ganz schön beschränkt, blöd und mitnichten allgemeingültig oder lehrreich: zum einen eigentlich eine eher am Schock Rock orientierte Combo addiert und zum anderen ein Bündel Klischees aus den 80igern und groben Vermutungen als sachliche Definition für ein so komplexes Phänomen wie dem Heavy Metal zu nehmen.
Gut – zugegeben – bei Bands wie VENOM fragt man sich doch schon, inwieweit mittelgradige Schwachsinnigkeit sich auf andere Leute überträgt… doch bei manieristischen und total abgefahrenen Technokraten wie PSYOPUS kann man das nicht im Mindesten behaupten, denn gar überhaupt denken. Das, was diese Band auf ihrem aktuellen Longplayer runterknüppelt ist technischer Extreme Metal/ Mathcore feinster Beschaffenheit. Jazz, Metal, Klassik und Psychopatentum – das alles in einer Rührschüssel. Beim Einwerfen der Pille "Odd Senses" geht man ab wie ein Epileptiker auf LSD und weiß kaum wie einem geschieht!
Beleuchten wir doch einmal das Profil der psychopathischen Opusdichter. Zum einen hätten wir das Jason Bauer, der einen Abschluss in Percussion an der Universität von Buffalo in der Tasche und selbstredend es drauf und drin in allen Extremitäten hat. Die zweite rhythmische Terroreinheit firmiert unter dem Namen Mike Horn: 24 Jahre alt und mit einem Abschluss in Arts Management vom Shenandoah Conversatory, wo er neben klassischem Bass als Nebenfach auch Jazz-Bass studierte. Über Christopher „Arpmandude“ ist nichts Genaueres bekannt, doch ist seine Gitarrenarbeit aus nicht geringerem Holz geschnitzt.
"Odd Senses" ist eine mathematisch aufgeblasene, das heliozentrische Weltbild in Frage stellende und jeglichem typisierten Musikverständnis ins Gesicht rotzende Gebildetenscheibe von einmaligen Freakmetallern. "Odd Senses"… das ist, als würde man sich eine Flasche Cola mit Speed, LSD und Angel Dust reinpfeiffen und anschließend auf die Toilette gehen. Vor lauter Überforderung möchte der Organismus kotzen, doch es geht nicht. "Odd Senses" bleibt in jeder einzelnen Zelle stecken. Egal, welchen Track man „zu Ohre nimmt“, alle wissen mit absonderlichen, kaum nachvollziehbaren (da so schnell und gehetzt eingespielt) Tonfolgen geistesgestörtester Art aufzuwarten. Herrlich! Die Grundtendenz ist dabei stets dieselbe: ein Versuch die Chaostheorie in künstlerischen Ausdruck umzutransponieren.
Einzige Ausnahme bildet hier das mit psychedelischen Atonalitäten synthetisierte Klassikstück 'A Murder To Child'. Nicht nur moderne Komponisten wie Ligeti, Pendereczki oder auch Bartok beherrschen die Kunst des stilvollen Schauereinjagens: PSYOPUS steht ihnen mit genanntem Stück in Nichts nahe. Abschließend sei noch angemerkt, dass man künftig kompetentere Autoren für das Verfassen von Sachlexika engagieren sollte, denn so kurzsichtige Scheinwissende wie Ziegenrücker oder Wicke sollte man gleich aus der Intellektuellenlandschaft verbannen. Wie so beliebt, beende ich die Rezension auch dieses Mal wieder mit einem tierisch kreischenden Warnruf: Ihr Spießer da draußen, seht Euch vor! Formationen wie PSYOPUS haben sich das bürgerliche Bildungssystem längst zunutze gemacht und benutzen es gegen jeden standardisierenden und bürokratischen Kulturimperialismus! Sie interessieren sich nicht mehr ausschließlich für kühles Bier, geile Schlampen und Partymachen! Weder falsch gepolte, von höchst subjektiven Interessen geleitete Forscher und Wissenschaftler, noch Kulturminister können sie stoppen! Verlasst euch drauf!
- Note:
- 9.50
- Redakteur:
- Markus Sievers