RAMMSTEIN - Rammstein
Mehr über Rammstein
- Genre:
- Neue Deutsche Härte
- ∅-Note:
- 7.50
- Label:
- Universal Music
- Release:
- 17.05.2019
- Deutschland
- Radio
- Zeig Dich
- Ausländer
- Sex
- Puppe
- Was Ich Liebe
- Diamant
- Weit Weg
- Tattoo
- Hallomann
Frag nicht nach dem Sinn.
Deutschland im Jahr 2019: Die Republik taumelt wie ein angeschlagener Preisboxer durch den Ring der Weltpolitik, und auch mit der Wirtschaft will es derzeit nicht so funktionieren, wie wir es anderen EU-Staaten gerne vorhalten würden. Und dann gibt es da noch so konfliktträchtige Themenfelder wie Klimaschutz und Zuwanderungspolitik. Geht es nach den Feuilletons der Nation, haben wir noch ein weiteres Problem: RAMMSTEIN. Die Band, die einst dem linken Spektrum der neuen Bundesländer entsprungen war und seit jeher Intellektuelle und Massenmedien gleichermaßen mit ihren Texten und ihrer Ästhetik am Nasenring durch die deutsche Manege führt. Bei jedem neuen RAMMSTEIN-Album ist der öffentliche Diskurs so groß wie bei kaum einem anderen kulturellen Ereignis. Wie man mit geschickter PR für kostengünstige Reichweite sorgt, verstehen die Berliner zwar schon seit langem und vor Facebook und YouTube. Nur mit dem Unterschied, dass nun das mediale und soziale Echo seit dem Ankündigungsclip zu 'Deutschland' noch gewaltiger ausfällt als zu Zeiten der Trennung von Nachrichtenproduzent und Konsument.
Widmen wir uns aber lieber der Musik. Textapologeten, politisch Zwangssensible und Besserwisser werden sich ohnehin noch wochenlang an "Rammstein" abarbeiten. Das siebte Album hat die Band also nach sich selbst benannt und wenn man dem Duktus der elf neuen Songs folgt, ist die Wahl des Titels nur konsequent: RAMMSTEIN verortet sich selbst musikalisch sowie inhaltlich stets überall und nirgendwo. Die Anziehungskraft des Widersprüchlichen ist bei "Rammstein" erneut zum Leitmotiv geworden, so wie es im Prinzip seit dem Debüt "Herzeleid" der Fall ist. Zum Gefallen der Fans hat sich die Band das musikalische Korsett gerade so eng geschnürt, dass von Release zu Release ein paar andere Tupfer auf die Leinwand gesetzt werden, der Hintergrund aber bleibt unifarben. Tanzmetall eben, der heuer gewohnt massenkompatibel und trotz aller Derbheit irgendwie auch radiokompatibel daherkommt.
Die stählernen Riffs aus den Handgelenken von Richard Kruspe und Paul Landers können Neider und Kritiker kalkuliert nennen - Fans werden sich sofort heimisch fühlen. Die naiv hineingetröpfelten Keyboard-Leads werden mit ähnlicher Wirkung immer wieder eingestreut wie die Breitbandgitarren in den vielen Refrains, in denen Till Lindemann sich im Paarreim durch die deutsche Sprache kämpft. Mutig oder avantgardistisch klingt RAMMSTEIN ohnehin seit Anfang der 2000er nicht mehr. Mit dem immer elegischer werdenden Klargesang auf "Reise, Reise" und französischen Texten war man also durchaus schon experimentierfreudiger unterwegs. "Rammstein" hat mit dem Wutausbruch von 'Puppe' zwar so einen eruptiven Moment, wie er der Band ausgezeichnet steht, doch bleibt er auch der einzige seiner Art.
Was man bei RAMMSTEIN neben musikalischen Experimenten so gut wie nicht findet, ist eine Anbiederung an den Zeitgeist der Popmusik. Zwar hat 'Ausländer' einen dezenten DIE ANTWOORD-Charme und 'Weit Weg' klingt wie ein pervertierter Schlagersong, doch ansonsten bleibt auf "Rammstein" alles beim Alten. Am ehesten sticht da noch 'Hallomann' hervor, das einen nicht mehr ganz so dezenten Alternative-Charme versprüht, den man nicht oft bei RAMMSTEIN hört.
Bei aller vermeintlicher Oberflächlichkeit und tanzbaren Grooves muss festgehalten werden, dass "Rammstein" ein Album zum Abfeiern und Nachdenken gleichermaßen ist. Der eingangs erwähnte Widerspruch muss von jedem Einzelnen aufgelöst werden. Einer kollektiven Deutung entzieht sich das Sechsergespann erneut souverän. Summiert man also die poetische Gesellschaftskritik ('Radio'), die Verarbeitung sensibler Themen ('Hallomann') und die gewohnte sexuell aufgeladene Provokation ('Sex'), zeigt sich: Deutschland hat RAMMSTEIN verdient. Ob es will oder nicht.
Anspieltipps: Puppe, Deutschland
- Note:
- 7.50
- Redakteur:
- Nils Macher