SCARS DIVIDE - Scars Divide
Mehr über Scars Divide
- Genre:
- Progressive Metalcore
- ∅-Note:
- 8.00
- Label:
- Tenacity Music
- Release:
- 28.02.2014
- All That We Need
- Three Meters Sixty
- The Venom Of Leviathan
- Whispering Shores
- Their Own Demise
- Salt Ice And Fire
Die nächste Stufe der Evolution
Mein lieber Herr Gesangsverein! Es ist schon etliche Jahre her, dass mich ein Album aus dem mittlerweile sehr weit gefassten Spektrum des Metalcore in solch hohem Maße verwirrt, gefordert und schließlich gepackt hat. SCARS DIVIDE nennt sich das 2013 frisch aus der Taufe gehobene Quintett, das mit seiner selbstbetitelten Debüt-EP den eingestampften Acker vor den Bühnen der metallischen Körnermucke gewaltig umpflügt. Progressive Metalcore, diese hoch gegriffene Selbstbezeichnung ist mir in letzter Zeit öfter untergekommen, doch wenn eine Band diese Schublade wie maßgeschneidert für sich reklamieren kann, dann SCARS DIVIDE.
ARCHITECTS, THE DILLINGER ESCAPE PLAN, KILLSWITCH ENGAGE, EVERY TIME I DIE, DEFTONES nennen die Eidgenossen unter anderem als Einflüsse. Ich würde noch gerne MESHUGGAH und AUGUST BURNS RED ergänzen. Intelligente Arrangements, brutal treibendes Schlagwerk, rollende, tiefe Gitarrenriffs, disharmonische Akkorde, im Kontrast dazu immer wieder melancholische, aufwühlende Leads, sowie wüstes, heiseres Geschrei. Das wären die Markenzeichen der fünf Schweizer, wobei man mit diesen Umschreibungen der eigentlichen Musik des ehrgeizigen Quintetts nicht wirklich näher kommt. Ohne dass die fünf Songs auf "Scars Divide" (zwischendrin gibt's mit 'Whispering Shores' ein kurzes, atmosphärisches Interlude) deutlich zur Überlänge tendieren würden, sind die vier- bis sechsminütigen Kompositionen dermaßen reich an Kontrasten, Abwechslung und schwer fassbaren Arrangements, dass weit mehr als eine Handvoll Durchläufe nötig sind, um überhaupt so etwas wie einen groben Überblick zu erhalten. Dabei geht es derb und aggressiv zu, allerdings nie so unzumutbar wie bei manch labyrinthartiger Klangvergewaltigung von DILLINGER ESCAPE PLAN. Bei aller Komplexität wird "Atmosphäre" bei SCARS DIVIDE auf Fälle groß geschrieben, und so geht ein vertrackter Part in den nächsten über, ohne abstoßend mathematisch oder beliebig zusammen gekleistert zu wirken.
Eine Beschreibung der einzelnen Songs fällt mir auch nach mehr als einem Dutzend Hördurchläufen schwer. Hochklassig sind die fünf Nummern allesamt; ich möchte hier nur zwei Beispiele herausgreifen: Der Opener 'All That We Need' wird von Post-Hardcore-Gitarrengeschrammel und einem hektischen Upbeat angeführt, gleichzeitig werden ganz selbstverständlich und zweckmäßig einige mächtige Breakdowns im Fluss des Songs untergebracht – Highspeed-Headbangen ist angesagt, ehe das eingangs vorgestellte Thema wieder angerissen wird. Was dann folgt ist der nackte Wahnsinn in Form von gegenläufigen Schlagzeug- und Gitarrenrhythmen, bis nach dreieinhalb Minuten ein kakophones Gitarrenlead den mächtig drückenden Schlusspart einleitet. 'Salt Ice And Fire' beginnt im krassen Kontrast dazu besinnlich, verträumt, mit klaren Gitarren und atmosphärischer Trommelarbeit, ehe dissonante Akkorde und dynamisches Halftime-Schlagzeugspiel auch hier den Kessel zum Überkochen bringen. Welch unbeschreibliche Intensität, welch Urgewalt, die hier mit ebenso komplizierten wie einleuchtenden Mitteln zum Vorschein gebracht wird. Und als man sich schon am Ende wähnt, geht die friedliche Stimmung in ein völlig verzwickt-verschobenes Taktschema über – Headbangen für Fortgeschrittene diesmal, mit Aussicht auf Schleudertrauma.
Die anderen Songs spare ich mir, doch seid vergewissert, dass 'The Venom Of Leviathan', 'Their Own Demise' und 'Three Meters Sixty' (eine kleine Geschichtsstunde über die Berliner Mauer) dem ersten und letzten Track des Albums in Nichts nachstehen. Wenn Schreihals Vincent Huther seine bislang recht eindimensionale Vokalarbeit in Zukunft noch abwechslungsreicher gestaltet, und wenn die nächste Veröffentlichung einfach noch um zwei, drei Nummern erweitert wird, erwartet uns, liebe Leserschaft, ein absolutes Highlight in Sachen progressivem, intelligentem, modernem Metalcore. Nehmt euch die Zeit und lasst euch auf "Scars Divide" ein – ihr werdet es nicht bereuen!
- Note:
- 8.00
- Redakteur:
- Timon Krause