SEELENSCHNITT - 4571-12571
Mehr über Seelenschnitt
- Genre:
- Black Metal
- Label:
- Eigenpressung
- Release:
- 29.07.2010
- 4571
- 10571
- 12571
Überambitioniert wirkendes Werk zwischen Black Metal und Ambient.
Für seinen zweiten musikalischen Monolog unter dem Projektnamen SEELENSCHNITT hat sich der gute Herr Samael augenscheinlich viel Mühe gegeben. Zumindest ist der selbst produzierten CD-R ein hübsches dickes Büchlein mit melancholisch sinnierenden Texten beigefügt, dessen in Blau- und Violetttönen gehaltene Bebilderung den Eindruck depressiver Sinnkrisen noch verstärken mag. Während das gut sechsminütige Intro mit monoton dahin wabernden Ambient-Klängen und dezenten Horror-Soundtrack-Effekten erklingt, huscht der Blick des Rezensenten über den erläuternden Text zum ersten Liede, und findet darin Passagen wieder, welche dereinst am vierten Tage des Monats Mai im Jahre 1771 des Herrn Goethes junger Werther seinem Freunde Wilhelm schrieb.
Ist die sphärische Marter einmal verklungen, so erhebt Samael Stimme und Instrumente zum schwarzmetallischen Schlage ... ins Wasser! Die Botschaft las ich wohl, die auf dem Infoblatte stand, dass es sich bei der Musik auf dieser EP um atmosphärischen, düsteren Black Metal mit einer entsprechenden Produktion handle, doch bei aller Liebe zu derlei Klängen, frage ich mich letztlich doch, wer in all dem dröhnenden Hall Gitarren, Riffs, Gesang oder gar Lieder wiederfinden mag. Die Produktion ist komplett verhallt, als sänge ein Waldkauz durch eine Blechdose in den Nebel, die Gitarre wird von undefinierbaren Sphärenklängen erdrückt und der Gesang ist vollständig unverständlich. Das mag dem sprachlichen Feingeiste ein Segen sein, denn bei all dem scheinbar beabsichtigten Pathos und aller schwelgerischer Schwülstigkeit der Lyrik, kann der Gebrauch von Wort und Sprache euphemistisch allenfalls als "kreativ" bezeichnet werden. Natürlich, der Künstler mag mich mangelnder Neigung zum Sturm und Drang, oder gar des Unverständnisses ob der höheren Poesie seines Schaffens bezichtigen, doch was hilft das alles, wenn sich die hier vorgelegten Texte für mich eher wie ein kabarettistischer Gegenentwurf zur viel beschworenen Germanistenthese lesen, dass der Genitiv dem Dativ sein Tod sei. Oder was fällt euch zu Zeilen wie "Benommen schwebe ich entgegen deines Reichs und niemals mehr alleine sein" ein? Genau: Der Dativ strebt des Genitivs entgegen.
Gerne würde ich euch mehr über die Musik erzählen, doch ist der nicht enden wollende Zwölfminüter '4571' zum Ende gekommen, so schließt sich mit '10571' ein gar noch längeres Stück an, welches schwarz durch zahllose Serpentinen meandert, ohne Spannung aufkommen zu lassen. Der Gesang ist über alle Maßen mit Hall zugekleistert, dass eine emotionale Regung des Sängers niemals den Weg bis zum Hörer finden könnte, selbst wenn sie denn vor den Schleifen durch die Effektgeräte vorhanden gewesen sein sollte. Die im Verhältnis zu den metallischen Rudimenten viel zu lauten Ambient-Einlagen machen die Sache nicht besser. Nein, bei allem Reiz, den ein solches konzeptionelles Unterfangen im schwarzmetallischen Gewande haben könnte, wenn es gut umgesetzt wird: Hier will ich nicht mehr mit und hier kann ich nicht mehr mit. Ob die Fehler beim Künstler oder beim Kritiker liegen, das möge jeder selbst entscheiden, nachdem er die Hörproben genossen hat.
- Redakteur:
- Rüdiger Stehle