TOOL - Fear Inoculum
Mehr über Tool
- Genre:
- TOOL
- Label:
- Sony Music
- Release:
- 30.08.2019
- Fear Inoculum
- Pneuma
- Invincible
- Descending
- Culling Voices
- Chocolate Chip Trip
- 7empest
Ein erster Eindruck des sehnsüchtig erwarteten Werkes.
Es dürfte kaum ein Album geben, dem in diesem Jahr ähnlich entgegen gefiebert wird, wie dem neuen TOOL-Werk "Fear Inocolum". Das liegt natürlich an der Klasse der Vorgänger, aber auch an der 13-jährigen Pause, der starken Arena-Tour im Sommer und den spärlich tröpfelnden Informationen, die vorher gestreut wurden. Auch die schreibende Zunft hat da dieses Mal keinen großen Bonus, denn um Leaks zu vermeiden, gibt es keine Vorabbemusterung wie es sonst häufig üblich ist. Nein, stattdessen wurden einige, wenige Schreiber zu zwei Listening Sessions eingeladen. Eine im Juli und eine just diese Woche, wenige Tage vor Veröffentlichung, bei der ich auch anwesend sein durfte. Bei all diesen Vorsichtsmaßnahmen ist es schon ein wenig ironisch, dass ausgerechnet ein Mitarbeiter des Einzelhandels dieser Tage für das Leck verantwortlich gewesen sein soll.
Anyway, da ich "Fear Inoculum" exakt ein Mal gehört habe, ist dies natürlich keine wirkliche Rezension, sondern mehr eine Beschreibung erster Eindrücke. Im Grundton hoffentlich eher sachlich-beschreibend als subjektiv-wertend. Es dürfte auch allen klar sein, dass ein TOOL-Album nicht mit einem Durchlauf zu fassen ist. Davon abgesehen - so zumindest mein Empfinden - sind TOOL-Alben immer sehr emotional. Trotz aller Komplexität funktioniert die Band bei mir mehr über die Elemente Atmosphäre und Intensität, was sich besser aufsaugen lässt, wenn man nicht während des Hörens mit Notizen beschäftigt ist.
Okay, kommen wir also auf die Musik zu sprechen. Wie bereits kommuniziert, beinhaltet die CD-Version sieben Songs, welche es auf eine Gesamtspielzeit von etwas über 79 Minuten bringen. Mit den drei Interludien, die dem Download beiliegen, sind es dann ca. 85 Minuten, diese habe ich aber nicht zu Hören bekommen. Bis auf das bereits von der Tour bekannte Instrumental 'Chocolate Chip Trip' überschreiten alle Songs die Zehn-Minuten-Marke. Schon das dürfte klar machen, dass man einen Club-Hit wie 'Stinkfist', 'Sober', 'Parabola' oder 'Schism' dieses Mal nicht erwarten darf.
Dennoch bleibt festzuhalten, dass "Fear Inoculum" ein TOOL-Album durch und durch ist. Beim Hören des Albums fühle ich mich häufiger an 'Disposition/Reflection' von "Lateralus" erinnert. Das liegt vor allem an Danny Carey und seinem unvergleichlichen Schlagzeugspiel, aber auch an der Produktion, welche die Instrumente ähnlich eng aneinanderrückt wie bei dem 2001er-Album. Überhaupt ist Danny Carey für mich absolut der "MVP" auf "Fear Inoculum", ohne ihn wäre das Album nicht vorstellbar. Ähnliches kann man über Adam Jones an den Saiten sagen, der mit vielen Riffs und Soli glänzt, dabei sogar ab und zu das Spotlight auf sich zieht. Vor allem bei 'Descending' kredenzt er mit seinem mystisch-intensiven Spiel gleich diverse Höhepunkte.
Auf die Songs im Einzelnen werde ich hier jetzt gar nicht so sehr eingehen. Auffällig ist, dass der Gesangsanteil von Keenan sich ziemlich reduziert hat. Häufig sind die Nummern zur Hälfte und stellenweise mehr instrumental. Ein Umstand, der dem Album aber nicht schadet. Im Gegenteil, nach diesem ersten Durchlauf könnte das Werk für mich auch komplett instrumental sein. Zudem bleiben auch echte Ausbrüche hier Mangelware, Härtegrade wie beim Übergang von 'Parabol' zu 'Parabola' oder dem Ende von 'The Third Eye' erreicht man meiner Meinung nach dieses Mal nicht.
Und doch ist "Fear Inocolum" nicht nur düster, atmosphärisch und extrem intensiv, sondern auch sehr dynamisch. Wie die Songs aufgebaut sind, wie flüssig die Breaks sitzen und wie schlüssig alles auskomponiert wurde, ist schon ganz große Kunst. Als Beispiel sei hier das über 12-minütige 'Invincible' genannt, das mit einer simplen Gitarrenmelodie und interessanten Percussions startet, bevor Keenan einsetzt. Es gibt signifikante Steigerungen und insgesamt wohl die meiste Vokalarbeit, wobei auch die Lyrics schon bei ersten Mal durchaus hängen bleiben. Gerade der 'Warrior struggling to remain relevant - Warrior struggling to remain consquential'-Teil brennt sich schnell ein. Dass es dann noch ein Break gibt, nach dem es dann beinahe doomig-psychedelisch zugeht, zeigt den Abwechslungsreichtum der Nummer und auch des Albums.
Ich denke, nach diesem einen Durchgang ein paar Dinge mit relativ hoher Gewissheit sagen zu können: Fans werden das Album lieben können. Man kann sich treiben lassen, man kann analysieren, nur tanzen dürfte schwierig werden. Außerdem ist Keenans Anteil am Gelingen des Albums quantitativ relativ klein, der von Carey und Jones dafür umso größer. Allerdings könnte ich persönlich ohne das Instrumental 'Chocolate Chip Trip' leben. Es ist so beeindruckend wie wohl ab dem zweiten, dritten oder vierten Spin überflüssig. Zumindest, wenn man kein Schlagwerker ist.
Die einzige Frage, die sich Fans wohl stellen müssen, ist, ob 79 Minuten toller Musik die hohen Preise, die für die Box von "Fear Inoculum" aufgerufen werden, wert sind und sie diese bezahlen wollen und können? Überhaupt bin ich hier entweder mit der Preis- oder mit der Informationspolitik nicht wirklich glücklich. Sollte es tatsächlich nur diese Box als CD-Variante zu Preisen jenseits der 60-Euro-Marke geben, ist das für mich schon auch ein bisschen ein Affront an die Menschen, die sich ein Album in der Preiskategorie nicht leisten können. Wenn dies nicht der Fall ist und zur Veröffentlichung oder etwas später noch "normale" Versionen auf CD und Vinyl erscheinen, ist eben die Kommunikationspolitik zu kritisieren, die in dem Fall darauf - bewusst oder unbewusst - abzielt, die Fans zum Kauf der teuren Box zu verleiten, um sie dann ggf. später mit der einfachen Version zu bestrafen. Klar, man wird nicht zum Kauf gezwungen und man kann ja auch nur das Album streamen, aber es gibt immer noch genug Fans, die das eben nicht wollen, sondern ein physisches Produkt bevorzugen.
Eine Note gibt es jetzt natürlich noch nicht, aber enttäuscht werdet ihr von dem musikalischen Inhalt sicher nicht. Über den Rest müsst ihr dann selbst entscheiden oder habt es mit einer Vorbestellung bereits getan.
- Redakteur:
- Peter Kubaschk