München
- Regie:
- Spielberg, Steven
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
- Originaltitel:
- Munich
1 Review(s)
07.02.2007 | 20:37"Ich habe eine Entscheidung getroffen", sagte die israelische Premierministerin Golda Meir zu den Generälen der Armee und dem damaligen Leiter des Geheimdienstes 'Mossad'. Kurz darauf verließ sie entschlossen den Raum. Ihre Entscheidung kurz nach dem 1972 in München stattfindenden Olympia-Massaker, das an israelischen Sportlern verübt wurde, war gleichbedeutend mit einem Todesurteil für die Verantwortlichen und Planern dieser Tragödie.
Der gerade im Kino laufende Film "München" von Steven Spielberg erzählt die Ereignisse nach diesem Attentat. Ob dies nun der Wahrheit entspricht oder eine rein fiktive Story ist, wird wohl letztlich nie ganz aufgeklärt werden. Am Ende meines Berichtes versuche ich ein wenig Licht in diese teils "offenen" Geheimnisse zu bringen, um vielleicht auch Fragen zu beantworten, die der Film offen ließ.
Story
München - Olympische Sommerspiele - 1972
Am 5. September 1972 klettern acht Palästinenser - Mitglieder der Terrororganisation "Schwarzer September" - über den Zaun und gelangen so ins olympische Dorf. Mit Maschinenpistolen bewaffnet, dringen sie in die Unterkünfte der israelischen Sportler ein und nehmen elf Israelis als Geiseln. Zwei der Gefangenen, die Widerstand leisten, werden von den nervösen Terroristen sofort getötet.
Die deutschen Politiker lehnen das Angebot der israelischen Armee ab, eine Sondereinheit zu Hilfe zu schicken. Fatal, denn die BRD hat zurzeit keine eigenen Spezialkräfte, die für eine solche kriminelle Krisensituation ausgebildet sind. Die Geiselnehmer verlangen die Freilassung von 232 Palästinensern, die in Israel inhaftiert sind, sowie die sofortige Freilassung der deutschen RAF-Terroristen Andreas Baader und Ulrike Meinhof. Die Antwort der Israelis erfolgt prompt: Es wird keine Freilassungen geben und ebenfalls keine Verhandlungen.
Doch die deutschen Behörden geben vor, auf die Geiselnehmer einzugehen. Zwei Hubschrauber sollen die Terroristen und ihre Gefangenen zu dem Flughafen Fürstenfeldbruck bringen, von wo aus sie nach Kairo ausgeflogen werden sollen. Hier wird ein Angriff auf die Geiselnehmer gestartet und dieser Angriff endet in einer blutigen Tragödie. Deutsche Scharfschützen, die sich eindeutig in der Unterzahl befinden, eröffnen völlig unkoordiniert das Feuer und töten einige Palästinenser, während die übrigen, in Panik geratenen Geiselnehmer mittels Handgranaten die im Hubschrauber befindlichen Athleten töten. Die restlichen Geisel werden im Laufe des Schusswechsels von den Terroristen ebenfalls kaltblütig umgebracht.
Nach diesem Drama während der Olympischen Spiele entschließt sich die Premierministerin Golda Meir - nach dem Motto "Auge um Auge, Zahn für Zahn" -, die Drahtzieher zu töten. Der junge in Israel geborene und teils dort aufgewachsene Avner (Eric Bana) wird eines frühen Morgens von einem hochrangigen General abgeholt und in das Privathaus von Golda Meier gebracht. Die Premierministerin bittet ihn, eine Mission zu leiten, die in die Geschichte eingehen soll.
Avner war Angehöriger einer militärischen Spezialeinheit und arbeitet jetzt für den 'Mossad'. Aber seine Einsätze rund in Europa sind "nur" von geringer Bedeutung; Botengänge und Begleitschutz für die israelischen Passagierflugzeuge gehören zum Alltag des jungen Mannes. Nun soll er, wie sein zukünftiger Einsatzoffizier Ephraim erzählt, elf Hintermänner des Olympischen Massakers aufspüren und töten. Diese Drahtzieher führen in Europa ein mehr oder minder ruhiges und zumal öffentliches Leben. Avner nimmt den Auftrag an, er verlässt offiziell den Geheimdienst 'Mossad', bricht alle Kontakte ab und wird gebeten, sich mit seinem Team in Europa zu treffen, um genaue Instruktionen zu bekommen. Dieses Kommando, das den Titel "Zorn Gottes" trägt, bekommt die Anweisung, keine Geheimdienstkontakte zu nutzen, sondern sich vielmehr nur auf selbst zu verlassen. Es werden Bankschließfächer eröffnet, um einerseits Nachrichten auszutauschen und andererseits - und das hauptsächlich - Gelder für die Aktion bereitzustellen.
Das Team, bestehend aus Steve (Daniel Craig), der aus Südafrika kommt, dem Deutschen Hans (Hans Zischler), dem ruhigen Carl (Ciarán Hinds) und dem Sprengstoffexperten Robert (Mathieu Kassovitz), versteht sich auf Anhieb. Durch ganz Europa - angefangen in Frankfurt, wo Avner den Kontakt zu seinem Jugendfreund Andreas (Moritz Bleibtreu) sucht, der ebenfalls in terroristischen Kreisen verkehrt - wird sich die Spur der Rache ziehen. Avner, der Andreas mit Geld dazu bewegt, Kontakte zu knüpfen, lernt durch diesen den Franzosen Louis kennen. Louis ist einer der Anführer einer Söldnergruppe, die weder Moral kennen, noch Recht oder Staaten anerkennen - sie interessiert nur das Geld und eben dieses ermöglicht Avner, die ersten Namen zu bekommen.
Der "Zorn Gottes" zieht eine Spur des Gegenterrors durch Europa: Rom, Paris, Zypern, Genf und schließlich auch Beirut - nach und nach werden die Drahtzieher kaltblütig erschossen oder durch verspielte Bomben getötet. Im Laufe der Tötungen kommt aber doch das Gewissen zum Vorschein. Fragen tauchen auf, ob diese Menschen, die oftmals auch Familienväter sind, wirklich "schuldig" sind oder ob das Töten wirklich den Terror besiegen kann?! Selbstzweifel und Anspannung, nicht beantwortete Fragen und die geographische Entfernung zur Heimat lassen die Agenten Fehler machen. Menschliche Fehler, die oftmals auch unschuldigen Menschen schaden und die die eigene Person zerbrechen lassen. Je länger sie sich mit dem Töten beschäftigen, um so brutaler und kälter wird ihr Leben. Und plötzlich stellen sie fest, dass auch andere Organisationen anscheinend von ihnen wissen, denn jetzt werden auch sie zur gejagten Beute ...
Meinung
Steven Spielberg, der hier Regie führte, gehört sicherlich zu den bekanntesten seines Berufsstandes auf der Welt. In Filmen wie "Der Soldat James Ryan" oder "Schindlers Liste" zeigte er, dass er sich neben dem Unterhaltungskino auch ernsten Themen annehmen kann. Im Film "München" werden großartig Originalbilder in Szene gesetzt, gerade wenn das Attentat in München Stück für Stück in Rückblenden erzählt wird. Wie oft überlässt Spielberg nichts wirklich dem Zufall.
Die Vergangenheit im wirklichen Stil der 70-er Jahre erwacht authentisch zum Leben. Nicht nur visuell, sondern auch darstellerisch ist der Film bewundernswert. Besonders gut gefallen hat mir der "Papa", der Anführer der französischen Söldnertruppe, aber auch Eric Bana entwickelt sich brillant im Laufe des Filmes weiter.
Was ist der Film jetzt eigentlich? Ein Politthriller mit einem brisanten Thema? Eine Aufarbeitung der damaligen Ereignisse? Eine Erklärung von der Spirale der Gewalt? Er ist von allem etwas! "München" zeigt eine Spirale der Gewalt, die kein Ende zu nehmen scheint, denn danach ist alles nur noch schlimmer geworden und es gibt nur noch mehr Leid und Tod - auf beiden Seiten. Hier geht es nicht um Schuld oder Unschuld; die Terroristen werden nicht als böse und kaltblütig dargestellt - nein, Spielberg zeigt sie in alltäglichen Situationen, z.B. in Gesprächen mit Frau und Kind vertieft. Der Regisseur zeigt, wie schnell man sich zwischen den Fronten bewegen kann, wie man durch die Dynamik von Schuld und Sühne oder durch das "Schwert" sowohl körperlich, als auch seelisch zerbrechen kann - eine wahre Kettenreaktion.
In "München" wird dem Zuschauer aber auch keine Möglichkeit gegeben, einen Weg aus diesem Teufelskreis zu finden. Spielberg geht sehr sensibel mit dem Thema um, seine Darsteller rechtfertigen ihre Tötungen, egal ob nun Israeli oder Palästinenser, aber sie verschönern sie nicht. Wie hoch darf die Zahl von unschuldigen Opfern sein?
Einzig und allein die Brutalität bei manchen Tötungen sind etwas zu überzeichnet, aber dramaturgisch wichtig im Nachhinein. Die Filmmusik von John Williams ist besser als gedacht, besonders am Anfang und am Ende begeistert sie durch düsteren, hebräischen Gesang und einer doch sanften Melodie.
"Die Moral der Rache" lautete vor einer Woche der Titel des "Spiegels". Und nach dem Film oder schon beim Lesen des Buches "Schwarzer September" von George Jonas, der die Vorlage zum Film "München" war, überdachte ich die Handlungen und den Entschluss zum legitimierten Töten durch den Staat. Ist das Töten von Terroristen gerechtfertigt? Schafft man sich dadurch nicht nur noch mehr Märtyrer, nicht noch mehr Haß und Gewalt und Rache? Welchen Stellenwert wie Moral, Ethik und Recht hatten die Attentäter vom 5. September? Es sei zu bedenken, dass sie "staatenlos" sind, kein Fleckchen Erde auf diesen Planeten haben, den sie wahrlich als Heimat bezeichnen könnten. Ist dies eine Erklärung? Vielleicht zumindest der Ansatz einer Erklärung? Aber andersherum gedacht: Dürfen genau diese "Attentäter" Moral, Ethik und Recht erwarten, wenn sie unschuldige Sportler gerade während der Olympiade töten - während eines Ereignisses, das Völker verbinden soll? Darf ein Staat zum Wohle des Volkes töten?
Und wieder eine andere Sichtweise: Israel - ein kleiner Fleck auf der Landkarte, eingekesselt von feindlichen, arabischen Staaten, die neidvoll auf das kleine Land einprügeln, sowohl verbal als auch mit Hilfe von organisierter Gewalt! Darf diese kleine Minderheit von Menschen, die Jahrhunderte, ja teils Jahrtausende gejagt, gehasst und getötet wurde und die nun endlich einen Platz des Friedens für sich gefunden hat, sich nicht wehren? Jeder von uns macht sich hier selbst ein Bild, letztlich kann man vielleicht nur mitreden wenn man in diesen Ländern aufgewachsen ist und vielleicht heimatlos war oder ist?!
Spielberg zeigte den Film als erstes den Angehörigen der getöteten Sportler. Viele Kommentare seitens derer blieben aus. Kein Pro, kein Contra. Und wozu auch, macht es die Toten wieder lebendig?
Fazit
Der Film "München" ist in jedem Fall sehenswert, auch wenn es eine Menge an Kritikpunkten für den einen oder anderen geben mag. Al Beispiel sei hier die zu eintönige Story erwähnt, bei der Racheakt auf Racheakt folgt. Einige Kritikpunkte sind sicherlich begründet, aber Spielberg liefert mit "München" einen sehr, sehr guten Film ab. Dem Zuschauer ist es selbst überlassen, ob er einfach nur einen unterhaltsamen Kinoabend haben möchte oder ob sich durch den Film zum Nachdenken verleiten lässt. "München" bietet beides an.
Historisches
Es wird immer etwas Mystisches bleiben, sodass sich eine Legende entwickeln kann. Steven Spielberg sagte in einem Interview, das er sich mit dem Hauptdarsteller "Avner" getroffen habe und dieser ihm und dem Autor des Buches die Wahrheit gesagt habe! Die Wahrheit? Die ganze Wahrheit? Ich denke, die Wahrheit werden wir niemals erfahren. Fakt ist, dass es wirklich diesen legitimierten Mordbefehl von Golda Meier gab. Avner und sein Team waren nur eins von vielen Teams, die in Europa im Untergrund operiert haben. Alle Teams arbeiteten nicht legal, so wie wir es kennen und annehmen. Offiziell durfte es nie zu unschuldigen Opfern kommen - aber es gab nicht nur eins.
In Geheimdienstkreisen gab es zur Zeit des kalten Krieges kein "schwarz" oder "weiß", es gab eine Menge an Organisatoren und Spitzel, die für beide oder gleich mehrere Seiten arbeiteten. Ähnlich wie im Film "München" interessierte die Söldnergruppe aus Frankreich nur das Geld und nicht die Ideologie eines Staates. Auch das mussten die Agenten des 'Mossad' am Ende schmerzlich erfahren, denn jeder Geheimdienst hat seine eigenen Interessen! Am Ende des Filmes wird dem Zuschauer gezeigt, dass auch die Agenten des 'Mossad' getötet werden. Nur durch wen, das bleibt offen! Auch im Buch werden keine Theorien angesprochen. Täter könnten hier Agenten der CIA sein oder des KGB, die inoffiziell die Palästinenser unterstützte. Selbst der 'Mossad' als Auftraggeber könnte seine ganz eigenen Interessen haben, sich seiner Agenten zu entledigen.
Israel hat zwar gezeigt, dass sie Willens sind und die Macht haben, zurückzuschlagen, aber durch die israelischen Killerkommandos sind Terroristen wie Carlos (der Schakal) entstanden, und unzählige Bombenattentate haben ihre Opfer unter den Zivilisten gefunden. Avner wird am Ende des Filmes als ein gebrochener und verängstigter Mann dargestellt, der mit dem Geheimdienst nichts mehr zu tun haben will, der sich abwendet vom Töten und dem nicht gedankt wird. Für ihn zählt nur seine Familie, ja er möchte sogar nicht nach Israel zurück. War es das wert?
- Redakteur:
- Michael Sterzik