Kardinal, Der
- Regie:
- Preminger, Otto
- Jahr:
- 1963
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
1 Review(s)
02.03.2007 | 12:21Story
Zum Ende des ersten Weltkriegs erhält der aus ärmlichen Verhältnissen stammende Stephen Fermoyle die Priesterweihe und erfüllt sich so einen lang gehegten Traum. Doch schon nach wenigen Monaten als Priester muss er schmerzlich feststellen, welche Verpflichtungen mit dieser Aufgabe verbunden sind und dass es nicht immer leicht ist, den Anforderungen der Gläubigen gerecht zu werden. Bereits im Kreise seiner Familie wird er vor eine harte Entscheidung gestellt; seine Schwester hat sich in einen Juden verliebt und möchte ihn möglichst bald heiraten, doch aufgrund der unterschiedlichen Konfessionen kann Stephen ihnen diesen Wunsch nicht gewähren. Schließlich lässt sich der angehende Gatte darauf ein, sich zum Christentum bekehren zu lassen und beim Priester in Unterricht zu gehen. Der jedoch verstrickt sich bei seinen Ausführungen in ständige Widersprüche, woraufhin die Beziehung endgültig auseinander bricht. Als seine Schwester Monate später dann schließlich schwanger im Krankenhaus liegt und ihr Kind nur dann auf die Welt bringen kann, wenn sie dabei ihr eigenes Leben lässt, trifft Stephen eine weitere folgenschwere Entscheidung: Er nimmt das Leben des Kindes für das seiner Schwester.
Die ständigen Gewissensbisse machen dem jungen Priester permanent zu schaffen; am Höhepunkt seiner bisherigen Laufbahn, die ihn an der Seite des Kardinals bis in den Vatikan geführt hat, bittet er um die Enthebung seiner Pflichten. Er wird beurlaubt, um seine Entscheidung zu überdenken, und reist fortan als Lehrer durch Europa. In Wien lernt er die junge Studentin Annemarie kennen und entdeckt sofort seine Gefühle für das kesse Mädchen. Doch seine Berufung erscheint ihm letztendlich wichtiger. Er reist zurück in den Vatikan, wird zum Bischof erhoben und schließlich nach Österreich zurückbeordert, um dort die Verbindungen zwischen der Kirche und dem totalitärem Regime Hitlers zu hinterfragen. Mehr als zehn Jahre später trifft er dort erneut auf Annemarie und erlebt an ihrer Seite ein politisches Ränkespiel von historischem Ausmaß.
Meine Meinung
“Der Kardinal“ ist in mehrfacher Hinsicht eines der wichtigsten Monumental-Epen aus Amerikas beliebter Filmschmiede Hollywood. Der Streifen aus dem Jahre 1963, der unter anderem mit dem Golden Globe ausgezeichnet und für sechs Oscars nominiert wurde, war einst das Debüt für Romy Schneider auf dem amerikanischen Markt, zugleich eines der gesellschaftskritischsten, mutigsten und bewegendsten Werke seiner Zeit und wurde gerade deshalb auch recht zwiespältig betrachtet. Weil es sich allerdings nur in zweiter Linie um einen Liebesfilm handelte, bekam der Streifen nie die verdiente Aufmerksamkeit und wurde trotz der mehrfachen Auszeichnung vergleichbaren Werken wie “Doktor Schiwago“ gegenüber immer nachteilig behandelt. Unbequeme Kost ist eben schon seit jeher nicht jedermanns Sache.
Knapp viereinhalb Dekaden nach dem offiziellen Debüt ist der Film nun endlich wieder erhältlich und eröffnet vielen Skeptikern nun mit etwas Weitblick eine zweite Chance, dieses mitreißende Drama mit anderen Augen zu betrachten. Otto Preminger holt in diesem Meisterwerk zum Rundumschlag gegen sämtliche gesellschaftliche Missstände aus und beschäftigt sich abseits der im Mittelpunkt stehenden Entwicklung von Priester Stephen Fermoyle mit Problematiken wie Rassenhass, Korruption und Machtmissbrauch. Gleichzeitig lässt er jedoch auch über den Protagonisten die Rolle der Kirche in einem zwieträchtigen Licht erscheinen und weist am Beispiel des Schicksals von Fermoyles Schwester auf Scheinmoralitäten und Ungereimtheiten zwischen dem Weg der Kirche und der Realität hin. Dabei ist natürlich auch die Zeit, in der “Der Kardinal“ spielt, mit in Betracht zu ziehen, doch es scheint aus heutiger Sicht kaum verständlich, dass ein Pärchen zweier unterschiedlicher Konfessionen grundsätzlich keine Chance hat – nicht einmal dann, wenn der eigene Bruder der Frau dem Klerus angehört und in der Rolle des nahen Verwandten ebenfalls davon überzeugt wäre, dass die Liebe stärker ist als alle Vorschriften. Doch in der Position des Priesters muss Stephen alle Ansichten dem Glaubensbild der Kirche anpassen und darf in seinem Bestreben, an der Seite des Vatikans Karriere zu machen, nicht wankemütig werden.
Eines Tages kommt jedoch der Punkt, an dem Stephen sein Handeln hinterfragt. Zu viele Ungerechtigkeiten und persönliche Schicksalsschläge hat er als Priester bereits hinnehmen müssen, als dass er seinen Weg noch ohne Zweifel weitergehen könnte, und so befreit er sich für unbestimmte Zeit von seinen Pflichten, um die andere Seite des Lebens kennen zu lernen. Obwohl er sich in dieser Zeit in die hübsche, von Romy Schneider verkörperte Annemarie verliebt, kann er sich letztendlich doch noch für seine Berufung entscheiden. Er geht seinen Weg an der Seite Gottes und erlebt im Vatikan einen rasanten Aufstieg. Aber er bleibt seinen Prinzipien standhaft und hat aus seinen Erfahrungen gelernt.
Als er wieder einmal feststellt, dass die Doktrin seiner Vorgesetzten nicht mit seinen eigenen Ansichten im Einklang steht, handelt er aus eigener Überzeugung und riskiert damit seine Beförderung zum Bischof. Er reist einem farbigen Priester nach Georgia hinterher, um die Rassenprobleme in seiner Gemeinde zu bekämpfen und gegen die Anschläge des Ku-Klux-Klans vorzugehen. Obwohl er einer grausamen Folter unterliegt, kann er für den dunkelhäutigen Priester ein Stück Gerechtigkeit erwirken und damit die vom Vatikan zugesicherte Hilfe leisten. Wäre es nach seinen Obersten gegangen, wäre der Mann seinem Schicksal überlassen gewesen und womöglich eines Tages an den Feindseligkeiten der Faschisten zugrunde gegangen.
Seinen letzten wichtigen Kampf trägt Stephen schließlich gegen das Hitler-Regime aus. Er trägt die Zweifel des Vatikans an den Kardinal von Wien heran und muss verdutzt zusehen, wie die Nazis die Kontrolle der Kirche untergraben und unter anderem auch am Kirchenoberhaupt der österreichischen Hauptstadt ihren Einfluss geltend machen. Wieder einmal ist der amerikanische Priester, der mittlerweile die Bischofsweihe empfangen hat, mit einer Reihe von Ungerechtigkeiten konfrontiert, denen er machtlos gegenübersteht. Doch er beharrt auf seinem Glauben an das Gute im Menschen und die Gerechtigkeit Gottes, wird aber ein weiteres Mal enttäuscht. Und auch er erfährt wieder von einer persönlichen Enttäuschung. Erneut trifft er auf Annemarie, die zusehen muss, wie ihr Mann auf der Flucht vor der Gestapo Selbstmord begeht, und erfährt von ihr, dass sie nie einen anderen Menschen als Stephen geliebt hat. Für den Geistlichen ein weiterer Grund, an seinem Schicksal zu zerbrechen – aber er bleibt trotzdessen standhaft.
Das Charakterportrait des Hauptdarstellers ist dem Regisseur absolut fabelhaft gelungen. Stephen ist Pfarrer, jedermanns Liebling, Märtyrer und schlussendlich doch nur ein gewöhnlicher, einfacher Mann, der für Demokratie in allen Lebensbereichen eintritt. Er kämpft gegen humane Ungerechtigkeiten und gibt trotz ständiger Rückschläge in seinem Bestreben, die Welt nach seinen Möglichkeiten zu verbessern, niemals auf. Natürlich ist dies thematisch ein nahezu perfekter Nährboden für Klischees jeglicher Art, doch genau diese sollten Preminger bei der Darstellung von Father Fermoyle niemals beschäftigen. Geschickt hat er sich um jegliches Kalkül herum gewunden und eine wirklich einzigartige Studie eines faszinierenden, von Tom Tryon so authentisch gespielten Geistlichen kreiert, die nicht nur in historischer Hinsicht absolut wertvoll ist, sondern auch auf der emotionalen Ebene bewegt und an den gegebenen Stellen zu Tränen rührt. Wenn bei Filmen wie “Doktor Schiwago“ oder “Der englische Patient“ von Meisterwerken gesprochen wird, dann ist dieser Begriff hier erst recht angebracht. “Der Kardinal“ ist zweifelsohne einer der besten und am meisten unterschätzten Monumentalfilme seiner Zeit und für Zuschauer jeglicher Coleur dringend zu empfehlen.
Leider kann die Aufarbeitung der DVD dem superben Gesamteindruck nicht gänzlich gerecht werden. Die Synchronisation ist über weite Strecken eine ziemliche Katastrophe. Phasenweise snd sogar Lippenbewegungen zu sehen, ohne dass die zugehörige Stimme zu hören ist. Davon abgesehen ist der Sound ganz in Ordnung, wenngleich man dies auch im Hinblick auf die Entstehungszeit relativieren muss. Das Bild ist ebenfalls nur suboptimal und verfügt über einige undeutliche Kontraste. Zudem sind viele Passagen durch eine dezente Blässe gezeichnet, die den Spielfilmgenuss ein wenig trüben. Wie so oft sind aber auch dies nur einige unangenehme Nebeneffekte, die nichts an der Tatsache ändern, dass der Streifen ein wahrlich geniales und vollkommen zu Recht preisgekröntes Erlebnis ist.
- Redakteur:
- Björn Backes