Murderball
- Regie:
- Henry Alex Rubin, Dana Adam Shapiro
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Dokumentarfilm
- Land:
- USA
1 Review(s)
06.03.2007 | 11:49Hintergrund
"Murderball" ist eine Mannschaftssportart für querschnittsgelähmte Athleten. Es stehen sich zwei Teams, bestehend aus je vier Spielern, auf einem Basketballfeld gegenüber, mit dem Ziel, den Ball in die Endzone des gegnerischen Teams zu bringen. Die Spieler dürfen sich frei bewegen und ihre stark modifizierten Rollstühle gegeneinander einsetzen. Direkter Körperkontakt ist jedoch untersagt. Der Ball muss alle zehn Sekunden geprellt oder gepasst werden, um ein freies Spiel zu ermöglichen. Der Spielablauf erinnert an klassisches Rugby, wobei hier alle Beteiligten im Rollstuhl sitzen. Um die Sportart besser bewerben zu können, wurde der martialische Name "Murderball" in „Quad Rugby“ (Amerika), bzw. „Rollstuhlrugby“ (international) geändert.
Handlung
"Murderball" ist eine harte, zuweilen brutale Sportart, die größte Fitness und Ausdauer verlangt. Ihre Besonderheit besteht darin, dass alle Sportler im Rollstuhl sitzen. Verkehrsunfälle, gewaltsame Überfälle oder auch Krankheiten zwangen die Athleten in den Rollstuhl. Doch anstatt aufzugeben, entschlossen sie sich dazu, ihr Schicksal zu akzeptieren und buchstäblich das Beste daraus zu machen.
Die 'Oscar' nominierte Dokumentation beschreibt den harten Weg der Sportler von den Weltmeisterschaften 2002 zu den Paralympischen Spielen 2004 in Athen. Im Fokus stehen dabei die rivalisierenden Teams aus den USA und Kanada, mitsamt ihren Beteiligten. Brisanterweise ist der ehemalige US Vorzeigeprofi Joe Soares mittlerweile Nationaltrainer Kanadas ...
Kritik
Bevor jemand auf die Idee kommt, Mitleid zu haben, sage ich hier klar und deutlich, dass es sich um einen ernsten Sportfilm handelt, der am allerwenigsten Mitleid erwecken will! "Murderball" ist eine sehr aufgeklärte und intensive Dokumentation, die von Anfang an mit Vorurteilen aufräumt. Dabei stehen zu gleichen Teilen der harte Sport und die hinter ihm stehenden Schicksale im Mittelpunkt. Schnell erfährt man die Regeln und Besonderheiten dieser Sportart, wird mit den "Mad Max" artigen Rollstühlen vertraut gemacht und bekommt einen Einblick in das alltäglichen Leben der Sportler.
Geradezu demonstrativ beginnt der Film mit dem Team USA mit Captain Mark Zupan in der Umkleidekabine - eigenständige Menschen, die selbstbestimmt dem nachgehen, was ihnen Freude bereitet. Keine helfenden Hände, keine Pfleger, keine Zivis. Die Regisseure Henry Alex Rubin und Dana Adam Shapiro nehmen den Zuschauer an die Hand und machen ihn recht zügig mit den Protagonisten vertraut. Nach und nach erzählen Zupan und Co. über die Umstände ihrer Behinderung, über den Alltag im Rollstuhl und über die herablassenden oder mitleidsvollen Blicke ihrer Umwelt. Spätestens nach zehn Minuten ist klar, dass die Rugby Spieler auf festeren Füßen im Leben stehen, als so manch ein „gesunder“ Mensch!
Den zu Teilen tragischen Schicksalen stehen dann die wilden, harten und rauen Spielszenen gegenüber. Es kracht, es knallt, Rollstühle kippen und Checks kommen von allen Seiten. Im Zentrum der Spiele geht es um die klassische Auseinandersetzung der Amerikaner gegen ihre nördlichen Nachbarn aus Kanada. Joe Soares steht sinnbildlich für diesen Konflikt. Einst der strahlende Held des amerikanischen „Quad Rugby“-Teams, trainiert er jetzt nach internen Streitereien die kanadische Mannschaft.
Auch hier nimmt sich die Dokumentation Zeit die Beteiligten und Betroffenen ausgiebig vorzustellen und zu Wort kommen zu lassen. So erfährt man, dass Soares schon im Kindesalter durch Polio an den Rollstuhl gefesselt wurde und nach dem Tod seiner Mutter durch den Sport zu neuem Lebensmut gefunden hat.
Die Doku-Macher haben aber auch den Mut, das Schicksal des jungen Motorcross Fahrers Keith zu zeigen. Keith ist seit einem Motorradsturz vom Hals abwärts gelähmt und wird wohl nie mehr laufen können. In eindrucksvollen Bildern wird sein Kampf zurück ins Leben dokumentiert, mit allen Tiefen und all der Tragik. Es wird allgemein gesagt, dass die ersten beiden Jahre im Rollstuhl den Grundstein für das weitere Leben legen - Keith ist zum Zeitpunkt der Doku gerade einmal vier Monate in Reha! Den bewegendsten Moment stellt dann Keiths Heimkehr dar. Mit großer Wehmut sieht er sein altes Bike wieder, mit Schmerz sieht er sein behindertengerecht umgebautes Zimmer. In diesen Momenten zeigt sich das ganze mit der Lähmung eingehende Leid ...
... nur, um Minuten später wieder den Lebensmut und die Freude der Athleten einzufangen. Keiner von ihnen würde sein Schicksal ändern wenn er könnte, keiner verkümmert auf Grund seiner Behinderung. Spätestens die Bilder einer Poolparty mit einem ins Wasser „springenden“ Mark Zupan strahlen eine Lebensfreude aus, wie sie viele von uns bei einem Rollstuhlfahrer nicht für möglich halten würden. Doch damit nicht genug. Auch delikate Angelegenheiten werden angesprochen. Sind Querschnittsgelähmte in der Lage, sexuell aktiv zu werden und wenn ja, wie (für alle Neugierigen: ja, es geht!)? Es ist diese Offenheit und Selbstverständlichkeit, die "Murderball" so gelungen macht. Ehrlich, direkt und frontal wird hier mit einem Tabuthema unserer Gesellschaft umgegangen. Eine sehenswerte Dokumentation, die ihre Auszeichnungen mehr als verdient hat!
Die DVD
Das Bild (1.78:1) ist Doku-typisch verrauscht und in keinem Punkt wirklich sehenswert. Unschärfen, blasse Farben und ein mäßiger Kontrast trüben immer das Bild, wobei man sagen muss, dass dies der technische Standart ist. Häufig werden VHS-Aufnahmen rein geschnitten, deren Qualität stellvertretend für das Gesamtergebnis ist. Dabei muss jedoch festgestellt werden, dass die Bildtechnik der unwesentlichste Punkt dieser Produktion ist und dass das Gebotene durchaus annehmbar ist!
Der Ton (Deutsch, Englisch je DD2.0 & DD5.1) zeigt sich da schon von einer besseren Seite. Logischerweise ist das Geschehen sehr frontlastig und genrebedingt darf kein Raumklangfeuerwerk erwartet werden. Dennoch kommt während der Spiele der metallische Soundtrack eindrucksvoll aus allen fünf Lautsprechern, wobei auch der Sub die Muskeln spielen lassen darf. In der Abmischung unterscheiden sich die beiden 5.1 Spuren überhaupt nicht voneinander, was auch auf die überflüssigen 2.0 Spuren zutrifft. Die Wahl liegt frei beim Zuschauer.
Kommen wir nun zum Highlight der Epix-Scheibe: den Extras. Insgesamt befindet sich eine gute Stunde Bonus auf der DVD, um die Filmdauer mehr, wenn man die Audiokommentare mit ein rechnet. Neben einem interessanten "Behind the Game"-Feature mit vielen Interviews, kommt auch der Antagonist der Doku, Joe Soares, in einem FAQ-Interview zu Wort. Zehn Minuten sehr gute unveröffentlichte Szenen und Bilder von der Premiere gesellen sich zum Originaltrailer. Zudem gibt es noch Texttafeln zu den Doku-Machern und den Sportlern. Den Knüller stellt aber das "Jackass"-Special dar. Johnny Knoxville und Steve-O besuchen die Sportler, um mit ihnen ihre Spielchen zu treiben - derb, da in klassischer "Jackass"-Manier, aber durchaus unterhaltsam und kurzweilig. Außerdem kommt es zu sehr ehrlichen und offenen Gesprächen zwischen den Paraplegiekern und der "Jackass"-Crew. Überaus sehenswert!
Fazit
"Murderball" zeigt packend und eindringlich, dass das Leben mit einer Querschnittslähmung nicht vorbei ist. In 82 Minuten wird eine interessante und spannende Sportart vorgestellt und mit Klischees und Vorurteilen über Behinderte aufgeräumt. In einer sehr menschlichen und direkten Art zeigen die Doku-Macher Henry Alex Rubin und Dana Adam Shapiro das Leben der Sportler, die wesentlich besser klarkommen, als Otto Normalbürger glauben mag. Nicht nur für Zivis und Krankenpfleger geeignet!
- Redakteur:
- Martin Przegendza