Good German, The
- Regie:
- Steven Soderbergh
- Jahr:
- 2006
- Genre:
- Drama
- Land:
- USA
1 Review(s)
08.03.2007 | 13:18Spannender "Nachkriegsfilm": Göttinnen und Narren
Nach Kriegsende 1945 kommt der amerikanische Kriegskorrespondent Jake Geismar (Clooney) zurück ins zerstörte Berlin, wo er die Deutsche Lena Brandt (Blanchett) wiedertrifft, die er einst geliebt hat. Als der US-Militärfahrer und Schwarzmarktschieber Tully (Maguire) ermordet aufgefunden wird, bekunden die Besatzungsbehörden der Aliierten auffallend wenig Interesse an der Aufklärung des Falls ... Jake wird hellhörig. Was er aber nicht wahrhaben will: Die Spuren führen unweigerlich zu Lena ...
Filminfos
O-Titel: The Good German (USA 2006)
Dt. Vertrieb: Warner
Deutscher Filmstart: 1. März 2007
FSK: ab 12
Länge: ca. 105 oder 108 Min., je nach Quelle
Regisseur/Kamera/Schnitt/Produktion: Steven Soderbergh
Drehbuch: Paul Attanasio nach dem Roman "In den Ruinen von Berlin” von Joseph Kanon
Musik: Thomas Newman
Darsteller: George Clooney (Jake Geismar), Tobey Maguire (Tully), Cate Blachett (Lena Brand), Christian Oliver, Beau Bridges, Dominic Comperatore u. a.
http://thegoodgerman.warnerbros.com/
http://wwws.warnerbros.de/thegoodgerman/
Handlung
Der amerikanische Kriegskorrespondent Captain Jake Geismar (Clooney) kehrt im Juli 1945 zurück in das zerstörte Berlin. Im Auftrag einer US-Zeitschrift soll er über die Konferenz von Potsdam berichten, auf der Churchill, Roosevelt und Stalin die Welt neu ordnen werden. Ein von der US-Militärverwaltung geschickter Fahrer namens Patrick Tully (Maguire) klaut ihm gleich als Erstes die Brieftasche, in welcher der Ausweis steckt, mit dem sich Geismar hätte in Potsdam Zutritt zur Konferenz verschaffen können. Dumm gelaufen, Jake.
Langfinger Tully ist ein Überlebenstyp, glaubt er. Denn auch als Schieber von Whisky und anderen amerikanischen Wohltaten tut er sich hervor. Seine Kontakte zum russischen Sicherheitschef Sikorski sind bestens. Auch mit seinem Sexleben stimmt alles, denn er kann sich der Dienste von Lena Brandt (Blanchett) sicher sein. Die frühere Geliebte von Jake Geismar will unbedingt aus Berlin raus. Aber was Tully nicht weiß und ihm schließlich zum Verhängnis wird: Sie will die besetzte Stadt nicht allein verlassen, sondern ihren Mann mitnehmen ...
Und so kommt es, dass nicht nur Tully, sondern auch Geismar ein Opfer von Finsterlingen werden, die einen Typen namens Emil Brandt (Christian Oliver) suchen. Wer sind diese Typen und wieso ist dieser Brandt für sie so wichtig? Tully kommt der Wahrheit etwas zu nahe und endet in der Spree, nur wenige Meter von Schloss Cecilienhof entfernt (es gehörte Kaiser Wilhelm Zwo), in dem die Konferenz stattfinden soll. Er hat das Brandt-heiße Geheimnis an Sikorski verkauft, ist aber nicht weit gekommen. Die Banknoten in seinem Geldgürtel sind von bester Qualität und sagen Geismar, der Zeuge des Leichenfundes wird, einiges über ihre Herkunft aus. Die Amerikaner stecken mit drin.
Doch welches Spiel spielt Lena Brandt? Und vor allem: mit wem? Wie hoch ist der Einsatz? Dies schließlich herauszufinden, wird Geismar noch einige Blessuren eintragen - und ihm das Herz brechen. Denn diese Geschichte endet zwar wie "Casablanca" ebenfalls auf einem Flughafen, und ein Paar von Liebenden muss sich trennen, doch die Dame, die in die Freiheit fliegt, ist keineswegs das, wofür Jake sie gehalten hat. Er sollte sich die Frage stellen, wie man als Deutsche in Zeiten des braunen Terrors überleben kann - und was der Preis dafür sein mag ...
Mein Eindruck
Der Filmtitel "The Good German" wird mit voller Absicht auch in deutschen Kinos beibehalten, weil er nämlich kaschiert, was sich als Überraschung des Streifens herausstellen soll: Mit "German" ist nicht nur wie erwartet ein Mann gemeint, sondern auch eine Frau, und zwar eine ganz bestimmte: Lena Brandt. Cate Blanchett spielt sie wie eine zweite Zarah Leander, aber ohne jeglichen Hochmut. Wenn Lena sich für Tully prostituieren muss und in einer Varieté-Bar anschafft, ist Stolz eine Empfindung, die etwas unangebracht ist. "The Good German" - das ist der Diener vieler Herren, und im Juli 1945 bedeutet das: Amis, Russen, Briten, Franzosen, aber auch deutsche Überreste der ehemalige Machtstrukturen, auf die die Besatzer meinen, nicht verzichten zu können.
In dieser Hinsicht ist der Film mit "Der dritte Mann" zu vergleichen, der in der international besetzten Stadt Wien spielt, doch die Story ist ungleich vertrackter und das Geheimnis, das gelüftet werden muss, weitaus explosiver. Wo es im "Dritten Mann" bloß um gepanschtes Penicillin geht, dreht sich diesmal alles um jene Technik, die die Amis unbedingt den Deutschen abjagen wollen, bevor sie den Russen in die Hände fällt: Raketenbau. Und wenn man sie nicht kriegen kann, soll sie auch kein anderer haben. Das macht es für jeden Good German besonders schwierig zu überleben.
Hintergrund - ACHTUNG, SPOILER!
Bekanntlich wurden die "Vergeltungswaffen" V-1, eine lenkbare Bombe, und V-2, eine richtige Rakete, in Peenemünde an der Ostseeküste entwickelt und gebaut. Dies geschah unter Leitung von Ingenieuren wie Wernher von Braun, der später in Amerika das Konzept der ersten Mondrakete Saturn V entwickelte und umsetzte. Seine Marsrakete wurde leider nie gebaut. Wie auch immer: Peenemünde wurde zerbombt. Um auszuweichen, verlegten die Nazis die ganze Produktion unter die Erde, und zwar in den Harz. Dort errichteten sie mit zahllosen Zwangsarbeitern in "Dora Mittelbau" bei Nordhausen eine neue Produktionsstätte. Wie ein KZ war auch Dora als Vernichtungslager konzipiert: Vernichtung durch Arbeit.
Emil Brandt war die Nummer zwei hier und führte entsprechend penibel Buch über alle Produktionsdaten, so auch über die verwendeten "Sklaven" und ihre dürftigen Rationen. Diese Bücher stellen neben dem Mann an sich einen zusätzlichen Wert für die Alliierten dar. Der Reporter Jake Geismar erhält die brisanten Bücher von Lena Brandt, weil ihr der Boden allmählich zu heiß wird - das hat sie Tullys überentwickeltem Geschäftssinn zu verdanken. Mit dem Codewort "DORA" kann Geismar zunächst nichts anfangen, denn von dem Raketenprogramm der Nazis wissen nur sehr wenige Menschen. (An diesem Punkt wird "The Good German" zum Pendant des m. E. verkannten Films "Das Haus in der Carroll Street", wo FBI-Agenten [Jeff Daniels mit Kelly McGillis] das Einschmuggeln von deutschen Nazi-Raketeningenieuren aufdecken und zu verhindern wissen.)
Bislang hat Emil Brandt für tot gegolten, irgendwo verschollen in den Wirren des Zusammenbruchs und der Vertreibungen. Doch so wie sich Heinrich Himmler, die Nr. 2 des Nazi-Apparats, in den Gefangenenkolonnen versteckte, so hat vielleicht auch Brandt überlebt, können sich die Alliierten vorstellen. Und als Lena Brandt den amerikanischen Sicherheitschef, Sikorskis Gegenpart, um eine Fahrkarte in den Westen bittet, da tut sie dies nicht nur für sich, sondern auch für ihren Mann. Er vegetiert in den Katakomben der U-Bahnschächte und wird von ihr mit Lebensmitteln versorgt. Der Ami ist entzückt, ihr helfen zu dürfen, logisch.
Bald ist der große Tag gekommen: die alliierte Militärparade. In deren Schutz suchen die Brandts die Freiheit, die man ihnen versprochen hat. Doch nur einem von diesen Good Germans ist es gestattet, diesen Tag zu überleben. Ob Jake Geismar ihnen helfen kann?
In einem packenden Höhepunkt, der mich an Rossellini erinnerte, entscheidet sich das Schicksal dieses Ehepaars. Auch bei einem von Hitchcocks Spionagefilmen meine ich diese Art von Showdown bereits einmal gesehen zu haben. Das macht aber nichts: Wer unbefangen und unbelastet in diesen schönen Film geht, wird die Spannung fast unerträglich hoch finden.
ENDE SPOILER
~ Der Stil ~
Der Streifen ist im Stil der vierziger Jahre gedreht, und zwar mit den originalen Kameralinsen, also ohne Zoom***. Deshalb ist das Bild zum einen schwarzweiß (es gab ja auch damals schon Farbfilm), zum anderen aber auch von einer unvertrauten, verfremdenden Tiefenschärfe. Diese Schärfe ist keineswegs tief, wie die Bezeichnung suggeriert, sondern sehr flach. Sie hebt die Aktion, die im Vordergrund passiert, hervor und lässt dafür den Hintergrund fast wie eine Pappkulisse erscheinen. Der Eindruck, den manche Kritiker deshalb von der Aktion haben, ist der einer Theateraufführung (die Kulissen wurden alle in den Warner Studios gebaut). Ist diese Irreführung Absicht des Regisseurs oder nur seiner Treue zum alten Stil zu verdanken?
Diese geringe Tiefenschärfe scheint es auch erleichtert zu haben, altes Dokumentarfilmmaterial als Bluescreen-Hintergrund einzublenden. Wenn Tully am Anfang Geismar durch das zerbombte Berlin kutschiert, so erscheinen links und rechts die Ruinen als integraler Bestandteil des Bildes. Der Übergang zwischen alt und neu ist schier unmerklich, weil beide die gleiche schwache Tiefenschärfe aufweisen - und Schwarzweiß natürlich ebenfalls. Würde man sich den Streifen ein halbes Dutzend Mal ansehen, würde man ihn für authentisches 40er-Jahre-Material halten. Soderbergh würde das freuen.
~ Die Schauspieler und das Licht ~
Diese Optik lässt wie gesagt die Akteure wie auf einer Bühne erscheinen***. Die Räume sind eng und klaustrophobisch, die Schauspieler hingegen überdimensional. Details wie etwa ein verlorener Schuh müssen in einem Close-up gezeigt werden, um überhaupt sichtbar zu werden. Wenn sich Cate Blanchett eine ihrer Zigaretten ansteckt, von denen sie im Film mindestens ein Dutzend qualmt, so erscheint auch dies wie die Handlung einer Göttin, so überdimensional und leinwandfüllend wurde sie aufgenommen.
Dabei umschmeichelt das warme Licht die markanten Konturen ihres Gesichts, als liebkose es sie. Dies ist ein ganz anderes Licht*** als jenes, das man in "Der dritte Mann" zu sehen bekommt. Dort herrschen eine feine Körnung des Filmmaterials vor und eine harte Ausleuchtung - es ist eine Männerwelt, in der die Ex-Geliebte von Harry Lime wie ein Fremdkörper behandelt wird (der sie tatsächlich ist).
Doch in "The Good German" ist Lena Brandt kein Fremdkörper, sondern heimisch: Fremdkörper ist vielmehr der amerikanische Besucher, ihr Ex: Jake Geismar. Während er von allen, aber auch wirklich allen Seiten Prügel bezieht, steht sie da in ihrer Bude, als gehöre sie hierher. Und es sind erst Männer wie Geismar, die sie in Gefahr bringen und daraus vertreiben. Wenigstens bringt er sie in ein neues Versteck. Doch eine Liebesnacht gewährt sie ihm nicht, und er wagt auch nicht weiter in sie zu "dringen", denn da ist etwas in und an ihr, das tiefe Wasser signalisiert: Was hat sie im Dritten Reich getan, damit man ihr, einer Jüdin, das Überleben erlaubte?
Diese Wahrheit ist für Geismar so erschütternd, dass er sie am Flughafen ohne ein weiteres Wort ziehen lässt. Was an einem German good ist, bestimmen jeweils die Umstände, und wenn diese sich ändern, muss das, was früher good war, nunmehr als evil gelten. Das gilt für Lena ebenso wie für ihren Mann Emil, der sich auch als guter Deutscher versteht und immer seinen Dienst in "Dora Mittelbau" versah, wie man es ihm befahl.
Es gibt eine Stelle im letzten Drittel, an dem ich Clooneys Auftritt vermisst habe, weil die Handlung auf einem anderen Gleis verläuft: auf dem von Blanchett. Erst als die beiden wieder zusammen auftreten, beginnt das dramatische Finale, dem sich ein beinahe spannungsloser Epilog anschließt. Erst der Epilog lüftet Lenas Geheimnis. Deshalb gilt der Tipp: bitte bis zum Schluss sitzen bleiben!
~ Man spricht deutsh ~
Clooney und Blanchett sprechen im Original, das ich gesehen habe, deutsch. Wie zu lesen war, radebrechte Clooney beim Dreh so schauderhaft, dass ihm Regisseur Mike Nichols bei der Nachsynchronisation helfen musste. Blanchett*** scheint keine Hilfe nötig gehabt zu haben. Dass Geismar deutsch sprechen kann, hilft ihm, durch die Auskünfte eines Jungen an der Spree (oder war’s die Havel?) den wahren Todesort von Tully herauszufinden - und wer für dessen Tod verantwortlich ist. (Wenn's die Russen also nicht waren, bleiben nur noch wenige Kandidaten übrig ...) Es erschiene auch etwas unangebracht, wenn ein langjähriger Berlinkorrespondent wie Geismar kein Deutsch könnte. Leider ist Clooneys Deutsch auch nach der Synchro immer noch schauderhaft.
Unterm Strich
Ich verstehe Soderbergh als Dekonstruktivisten, der es sich zum Anliegen gemacht hat, überkommene Vorstellungen zu unterminieren und zu revidieren. Das gilt mit "The Good German" auch für das amerikanische Patriotenkino der vierziger Jahre. Ein typischer Vertreter dafür war offenbar Michael Curtiz, denn dessen Filme, z. B. "Casablanca", mussten die Schauspieler anstelle von Proben ansehen, um "richtig" agieren zu können.
Doch die damaligen Filme unterlagen der Zensur durch ein Gesetz und durften niemals Sex zeigen oder schmutzige Wörter benutzen. Beides kommt natürlich in Soderberghs 40er-Jahre-Persiflage vor und führt uns vor Augen, was von den Amis damals alles ausgeblendet wurde. So können wir die alten Streifen mit neuem Blick sehen: als verlogene Machwerke der Propaganda. Bei Lieblingen wie "Casablanca" ist dies ein besonders schmerzhaftes Erlebnis.
~ Vorbilder ~
Mir hat der Film sehr gut gefallen. Wer über entsprechend cineastische Vorbildung verfügt, kann sich nicht nur an der vertrackten und superspannenden Handlung erfreuen, sondern auch noch etliche Vorbilder aufspüren, so etwa die genannten 40er-Jahre-Klassiker, Rossellini, Hitchcock - und "Der Dritte Mann" sowieso. Die alte Optik geht mit der modern erzählten Story eine Allianz ein, die zur Revision der eigenen Wahrnehmung dieser Stoffe beiträgt. Und das ist zweifellos ein weiterer positiver Aspekt, der zu den anderen Pluspunkten hinzuzuzählen ist (siehe "Mein Eindruck"). Dieses Verdienst des Films wird man aber wohl erst in fünf bis zehn Jahren gesondert herausstellen.
***: WISSENSWERTES aus der International Movie Database:
* Steven Soderbergh verbannte den Einsatz der modernen Hochleistungs-Zoom-Linsen und kehrte zurück zu den in der Vergangenheit verwendeten Linsen mit fixer Brennweite. Nur weißglühende Lampen wurden verwendet, die ein hartes, unnatürliches Licht spendeten. Es gab zudem keine drahtlosen Ansteckmikros, die das leiseste Flüstern am Set aufgenommen hätten, sondern der Ton wurde auf die althergebrachte Weise mit einem Galgenmikrofon aufgefangen, welches ein Helfer über den Kopf des Schauspielers hielt. Dies wiederum zwang den Schauspieler dazu, in lautem, deutlich vernehmbarem Englisch zu sprechen.
* Der Film wurde also so aufgenommen, als wäre er im Jahr 1945 gedreht worden. Nur das Warner Studiogelände, Kulissen und lokale Los-Angeles-Drehorte wurden benutzt. Die Schauspieler waren angewiesen, in der Manier einer Bühnendarstellung zu agieren. Das einzige Zugeständnis an die Gegenwart (oder damalige Realität) war die Berücksichtigung von (partieller) Nacktheit, Gewalt und Fluchen. All das hätte der 1945 geltende Production Code untersagt.
* Cate Blanchett studierte Marlene Dietrich und Ingrid Bergman, um eine deutsche Figur spielen zu können. Ingrid Bergman war jedoch Schwedin, wie man weiß.
* Damit der Film im Bildverhältnis 1,66:1 gezeigt werden kann, das die modernen Kinos aufgrund ihrer technischen Ausrüstung nicht anzeigen können, liegt der "druckfertige" Film (die "prints") im Verhältnis 1,85:1 vor, wobei an den Seiten schwarze Balken zu sehen sind.
* Der Komponist David Holmes nahm eine komplette Filmmusik auf, doch diese wurde abgelehnt.
- Redakteur:
- Michael Matzer