Stage Beauty
- Regie:
- Richard Eyre
- Jahr:
- 2004
- Genre:
- Historienfilm
- Land:
- Großbritannien
1 Review(s)
24.03.2007 | 11:08Historienfilme widmen sich mit Vorliebe Ereignissen, die einen Wendepunkt in der Menschheitsgeschichte markieren. Dass die Filmschaffenden bei der Umsetzung nicht selten von der historischen Wirklichkeit abweichen, dürfte weniger an fehlender Recherche liegen, sondern vielmehr an der Vorgabe, ein möglichst breites Publikum ansprechen zu müssen. Zugunsten der Dramaturgie werden kleinere und größere geschichtliche Veränderungen vorgenommen. Das Resultat lässt dementsprechend häufig zu wünschen übrig. Insbesondere dann, wenn es suggeriert, ein authentisches Bild der jeweils dargestellten Epoche zu vermitteln.
Diesen Vorwurf muss sich auch das Historiendrama ”Stage Beauty” gefallen lassen. Der Schauspieler Ned Kynaston (Billy Crudup) ist das Aushängeschild der Londoner Theaterszene um 1660. Frenetisch bejubelt vom Publikum, bewundert und beneidet von seinen Kollegen. Seine Darbietung der Desdemona aus ”Othello” ist so wunderbar pathetisch und affektiert, dass er sich zunehmend mit seiner Paraderolle identifiziert und sie in sein Privatleben installiert. Gekonnt mimt er die launische Diva, die nicht davor zurückschreckt, ihre Umwelt mit einer Mischung aus Vulgarität und Narzissmus zu brüskieren.
Kynastons Karriere endet jedoch abrupt, als König Charles II. das Auftrittsverbot für Frauen aufhebt. Nachdem er schmerzlich einsehen musste, dass er nicht dazu in der Lage ist, männliche Charaktere zu spielen, kehrt er verbittert der Bühne den Rücken zu. Stattdessen ist nun seine frühere Assistentin Maria (Claire Danes) der umfeierte Star am Theaterhimmel, deren mutiges Vorsprechen beim König den (Reform-)Stein ins Rollen brachte. Maria, die heimliche Gefühle für Kynaston hegt, erklärt sich mit der Weltflucht ihres einstigen Idols jedoch keineswegs einverstanden und versucht alles, ihn fürs Theater zurück zu gewinnen.
Regisseur Richard Eyre projiziert die Identitätskrise eines Mannes auf die historische Entwicklung des Theaters. Kynaston ist Teil eines Systems, das den Menschen nicht nur in künstlerischer Hinsicht klare Grenzen setzt. Wer sich nicht an die Vorgaben hält, muss mit sozialer Ausgrenzung rechnen. Der gesellschaftliche Wandel erfolgt durch Charles II. Dieser bricht mit dem starren Regelwerk und gibt den Menschen Gelegenheit dazu, sich (teilweise) selbst zu bestimmen. Doch nicht alle sind gewillt, die neu entdeckte Freiheit anzunehmen. So auch Kynaston, dessen Ich-Konstruktion kurzerhand und ersatzlos ausgelöscht wird. Hilflos steht der Schauspieler dem Fortschritt gegenüber, wurde er doch nur dazu ausgebildet, eine bestimmte Identität zu imitieren, und nicht, sich seine eigene Identität aufzubauen.
”Stage Beauty” lebt zweifelsohne von seinen ganz vorzüglichen Darstellern. Neben Claire Danes und Billy Crudup weiß vor allem Rupert Everett als exzentrischer König Charles II. zu gefallen. Wie kaum ein anderer Schauspieler schafft er es, seinen Figuren zugleich tragische und komische Facetten abzugewinnen. Ebenfalls Lob verdient die Regierarbeit. Richard Eyre bewegt sich geschickt zwischen dunkel-dreckigen Gassen und prunkvollen Festsälen und lässt den Zuschauer unvermittelt am Geschehen teilhaben.
Diesen positiven Aspekten gegenüber stehen allerdings einige inhaltliche Schwächen. Dass aufgrund historischer Ungenauigkeiten ein etwas tendenziöses Bild von den damaligen Zuständen gezeichnet wird, ist in gewisser Weise noch verschmerzbar. (König Charles II. war zwar nach seiner Wiederkehr aus dem Exil dafür verantwortlich, dass das knapp zwanzig Jahre anhaltende Theaterverbot aufgehoben wurde, die ersten weiblichen Schauspieler standen allerdings schon Anfang des 16. Jahrhunderts auf der Bühne. Somit fand die eigentliche Revolution bereits rund 150 Jahre früher statt.) Dass Kynastons Identitätskrise zum Ende hin kaum noch ins Gewicht fällt und durch die kitschigste aller Möglichkeiten überwunden wird, wiegt hingegen schon schwerer. Hier wurde definitiv Potential verschenkt.
Was Bild (2,35:1) und Ton (Deutsch Dolby Digital 5.1 / Englisch Dolby Digital 5.1) betrifft, so gibt es nichts zu beanstanden. Ersteres hat satte Farben, zweiter ist gut ausbalanciert. An Extras befinden sich mehrere Interviews, eine B-Roll sowie eine Trailershow auf der DVD. Das Making-Of hat es allem Anschein nach nicht auf den Silberling geschafft, obwohl es auf der Hülle beworben wird. Letztlich ist ”Stage Beauty” unter Vorbehalt zu empfehlen. Unterhaltungswert ist reichlich vorhanden. Getrübt wird das Filmvergnügen jedoch durch die inkonsequente Umsetzung des eigentlichen Konfliktes.
- Redakteur:
- Marco Pütz