Christopher Columbus - Mini TV-Serie
- Regie:
- Lattuada, Alberto
- Jahr:
- 1985
- Genre:
- Historienfilm
- Land:
- Italien / USA
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23.04.2007 | 14:42An manche TV-Ereignisse erinnert man sich zwar vielleicht nur noch vage, aber dennoch gern, auch wenn sie keinen allzu großen Kultstatus genießen. Mit "Christopher Columbus" produzierte der italienische Sender RAI u.a. in Zusammenarbeit mit dem Münchener Bavaria Attelier eine Miniserie über den berühmten Entdecker. Weihnachten 1985 ging der (in Deutschland etwas gestutzte) Fernsehfilm hierzulande erstmals über den Äther und sorgte bei der ARD für passable Einschaltquoten, ein richtiger Gassenfeger wurde der Dreiteiler indes nicht. Koch Media brachte das gute Stück nun erstmals vollständig auf zwei DVDs im Pappschuber heraus.
Zur Story
Wenigstens die Grundzüge dürften schon aus dem schulischen Geschichtsunterricht bekannt sein. Eine kleine Auffrischung tut aber sicher nicht weh. Cristofero Colombo ist, wie der Name bereits vermuten lässt, mitnichten Portugiese, sondern Italiener. Der seefahrende Kartograph aus Genua arbeitet nur in Lissabon. Zusammen mit seinem Bruder Bartolomeo führt er ein florierendes Geschäft mit Seekarten, welche als die präzisesten der Zeit gelten. Doch den guten Chris zieht es seit seiner Zeit als Schiffsjunge mehr hin zur See als zum Zeichenstift. Er ist ein höchst passionierter sowie fähiger Kapitän. Und neugierig noch dazu. Ist der "grande oceano" tatsächlich unbezwingbar? Seine Berechnungen und Studien belegen etwas anderes. Er möchte es Marco Polo gleich tun und Asien für Europa erschließen - allerdings auf dem Seeweg, zum Ruhme des portugiesischen Königs und der katholischen Kirche. Doch beide Institutionen lassen ihn formvollendet abblitzen.
Der König hat andere Sorgen aufgrund von Zwistigkeiten, die Europa dieser Zeit ständig schütteln. Sprich: Die Staatskasse ist klamm. Für riskante Forschungstrips mit ungewissem Ausgang macht er nichts locker. Die Kirche plagen dogmatische Bauchschmerzen und sie ist prinzipiell gegen alles, was auch nur entfernt nach Wissenschaft riecht und klerikale Lehrsätze in Frage stellt. Kolumbus' geschickte Argumentation bezüglich jeder Menge zu findender Reichtümer für die Krone und massenhaft zu bekehrender Neu-Christen für den Klerus zieht irgendwie nicht wie gewünscht. Verschnupft zieht er nach Spanien, wo seine revolutionären Ideen überraschenderweise beim dortigen Königshaus Gehör finden. Dem spanischen Hof steht der Sinn in erster Linie nach lukrativen Kaffeefahrten dem Wortsinne nach. Mit dem Ertrag aus Gewürzen und Gold aus Indien würde man die Seeherrschaft Portugals sicher bald kippen können. Der allgegenwärtige Kosten-Nutzen-Faktor lauert also überall. Lediglich Königin Isabella liegt mehr die Bekehrung von vermeintlichen Heiden am Herzen.
Sie fördert den pfiffigen und hartnäckigen Italiener auch gönnerhaft und nach Kräften, kann aber bei aller Fürsprache nicht verhindern, dass sich der Start einer Expedition noch weiter hinzieht. Nicht zuletzt wegen seiner hohen Forderungen. Hartnäckigkeit zahlt sich aus. Der nun frisch gebackene Admiral kann der spanischen Krone wenigstens drei nicht mehr ganz taufrische Karavellen aus den Rippen leiern. Bei erfolgreicher Mission darf sich Kolumbus Vizekönig schimpfen und - neben dem Ruhm - logischerweise auch noch eine ordentliche Gewinnbeteiligung einstreichen. Und tatsächlich: Allen Unken, Neidhammeln und Angsthasen zum Trotz, sichtet die kleine Flotte nach beschwerlicher Tour über den atlantischen Teich kurz nach einer Beinahe-Meuterei neues Land. Da sich der amerikanische Kontinent ebenso kurz entschlossen wie rotzfrech in den Weg des Entdeckers geworfen hat, wird's nix mit Indien. Macht ja nichts, kann passieren - merkt ohnehin keiner. San Salvador ist ja auch schön. Naja, bis Dezember 1492 jedenfalls.
Eindrücke
Allein die Besetzungsliste liest sich selbst heute noch beachtlich. Obwohl Gabriel Byrne ("Stigmata") damals sicher noch ziemlich am Anfang seiner Karriere stand. Der Schauspieler, der zuweilen in Aussehen und Minenspiel frappante Ähnlichkeit mit Al Pacino ("Der Pate") aufweist, ist eine gute Wahl für die Darstellung des sicher manchmal nicht ganz leichten Charakters des Kolumbus' gewesen. Über Grande Dame und Ikone Faye Dunaway muss man eigentlich keine Worte verlieren, ebenso wenig über Max von Sydow ("Flash Gordon"), Oliver Reed ("Gladiator") sowie Nicol Williamson ("Spawn"). Das wären dann auch die international bekanntesten aus der Schauspielriege, der Rest besteht aus hauptsächlich italienischen No-Names, die aus diesem Engagement nachweislich kein Kapital schlagen konnten, obwohl ihre Leistungen so schlecht nicht sind.
Das Drehbuch stützt sich hauptsächlich auf die Erinnerungen und Aufzeichnungen von Kolumbus' ältestem Sohn Diego und natürlich auf seine eigenen, überlieferten Logbücher. Inwiefern die beiden objektiv waren, lässt sich heute nur noch schwer belegen. So wird Königin Isabella und dem Entdecker gerne ein intimes Techtelmechtel unterstellt, was auch der Grund für ihren feurigen Eifer, ihn zu unterstützen, erklären würde. Allerdings ist das nicht bewiesen und anders als in den meisten anderen Verfilmungen schlachtet Alberto Lattuada dieses Thema nicht plakativ romantisch aus, sondern stellt die Verbindung der beiden als tiefe Seelenverwandschaft, nicht als Liebesbeziehung, dar. Wiewohl der Zuschauer in das geschickte Schauspiel von Dunaway und Byrne dort auch getrost mehr hinein interpretieren kann. Vermutlich ist das vom Regisseur auch vollkommen beabsichtigt.
Im Prinzip könnte man nach Ende der ersten DVD Schluss machen. Kolumbus hat trotz aller Widerstände "Hispaniola" erreicht. Friede, Freude, Eierkuchen. Das Drehbuch verschließt sich aber auch nicht der nun zwangsläufig folgenden Kehrseite der Medaille, welche die Entdeckung Amerikas mit sich brachte. Dieser kritisch betrachtete Abschnitt der Herrschaft der Europäer über die "Wilden", und Kolumbus' nicht geringe Rolle daran, folgt auf DVD Zwei. Dieser Part ist auch ein wenig actionreicher und demnach erscheint der Abschnitt des Niedergangs von Kolumbus und seinem vermeintlichen Paradies - obwohl genau so lang - kurzweiliger. Besonders die ganze Vorgeschichte bis zur Entdeckung zieht sich bis dahin nämlich zäh wie Kaugummi. Ein Effekt, den die neue Version mit ihren (wieder) eingefügten, bis dato in Deutschland nicht gezeigten Szenen, des ehemaligen Dreiteilers noch verstärkt.
Ausstattungsseitig macht die Produktion einiges her. Gedreht wurde zum Teil an den Originalschauplätzen in Südamerika und auch die Kostümierung ist mehr als üppig geraten. Teilweise sogar zu überkandidelt und bunt, respektive zu geschniegelt, vom Realismus eines "Used-Look" wollte man damals nichts wissen, zumindest nicht im anspruchsvolleren Historiengenre. Da musste alles schön adrett und fast schon klinisch sauber sein. So waren sie halt, die grellen Achtziger. Solcherlei Inszenierung nimmt einem der moderne Zuschauer irgendwie nicht mehr ab, denn Rüstungen, Kleidung und Gebäude dürfen - ja müssen - ruhig die eine oder andere Macke haben, sowie die Schauspieler auch einmal derangiert-verschwitzt aus Wäsche und Dschungel gucken. Die Tricktechnik ist ebenso altbacken. Besonders den Schiffen sieht man eklatant an, dass es Modelle sind. Von computeranimierter Illusion war man bei TV-Produktionen zu dieser Zeit selbstverständlich noch Lichtjahre entfernt.
DVD und Bonusmaterial
Das Doppel im schön hergerichteten Pappcover kommt gänzlich ohne Bonusmaterial daher, lediglich einige spärliche Informationen zur damaligen Erstausstrahlung in Deutschland und Österreich finden sich als Text im Inlett. Über Sprach- und Kapitelauswahl, sozusagen als minimaler Standard, verfügt das Release jedoch wenigstens. Die Bild- und Tonqualität ist akzeptabel, auf aufwändiges Remastering des Materials wurde aber offensichtlich verzichtet. Das Format präsentiert sich demnach in damals zeitgemäßem 4:3 TV-Vollbild, wobei Auflösung, Körnung und Farbtreue in Ordnung gehen. Am Ton hat man ein wenig gefeilt und immerhin DD2.0 Stereo herausholen können - das Original dürfte vermutlich noch in Mono vorgelegen haben. Akustisch störend machen sich jedoch die eingefügten Szenen bemerkbar, denn der dumpfe (englische) O-Ton wurde nicht synchronisiert, sondern nur untertitelt.
Fazit
Die Produktion dürfte trotz ihres Alters historisch immer noch sehr akkurat sein und hat somit fast schon Doku-Charakter. Das kann man als dickes Plus auf der Haben-Seite verbuchen. Ebenso schauspielerische Leistung und selbst die Ausstattung - obwohl aus heutiger Sicht ein wenig kitschig und bei weitem nicht perfekt - machen aus dem Klassiker ein sehenswertes Lehrstück über Aufstieg und Fall des berühmten Entdeckers. Allerdings muss man viel geduldiges Sitzfleisch mitbringen, denn die Viereinhalb Stunden plätschern eher gemächlich dahin. Für Action-Fans ist die derzeit ca. 20 Euro teure Box also nichts. Für Bonusmaterial-Fetischisten ebenso wenig, es gibt nämlich keines. Schade, das hätte die leider zu unrecht unterbewertete Miniserie abgerundet und einen Tick attraktiver gemacht.
Die DVD-Daten auf einen Blick:
OT:"Christopher Columbus"
USA/Italien 1985
Genre: Historienfilm
Laufzeit insgesamt 279 Min. auf 2 DVDs
Bonusmaterial: Keins
Koch Media, Doppel-DVD 2007, FSK 12
EAN: 4020 62898 6063
Bildformat: 4:3 TV-Vollbild (1,33:1)
Soundformat: DD2.0 (Deutsch und Englisch)
Produktion: RAI, Antenne2, Bavaria Atelier, Lorimar
Drehbuch: Adriano Bolzoni, Laurence Heath, Alberto Lattuada, Tullio Pinelli
Regie: Alberto Lattuada
Musik: Riz Ortolani
Kamera: Lorenzo Battaglia, Franco di Giacomo
Darsteller u.a.: Gabriel Byrne (Kolumbus), Faye Dunaway (Königin Isabella), Oliver Reed (Pinzon), Max von Sydow (König Johann), Rossano Brazzi (De Vilhegas), Virna Lisi (Dona Moniz Perestrella), Raf Vallone (Vinzinho), Nicol Williamson (König Ferdinand)
- Redakteur:
- Jürgen Pern