Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein
- Regie:
- Paul Martin
- Jahr:
- 1953
- Genre:
- Melodrama
- Land:
- Deutschland
1 Review(s)
22.06.2007 | 16:55Story
Die junge Sekretärin Nora Krüger ist überrascht, als ihr Vorgesetzter, der Kunsthändler Herbert Thormann, ihr aus heiterem Himmel einen Heiratsantrag macht. Noch erstaunt von dieser Begebenheit trifft sie am selben Tag auf den Soldaten Hans Westhoff, der für einen kurzzeitigen Wehrurlaub in seine Heimat zurückgekehrt ist. Nora verliebt sich in Westhoff, muss ihn aber nach einem kurzen Techtelmechtel wieder ziehen lassen, weil der Krieg im entscheidenden Stadium ist.
Der Soldat reist nach Italien, kehrt jedoch vorerst nicht mehr zurück. Nach einigen Wochen erscheint die Meldung von seinem Tod während eines schweren Angriffes. In Wirklichkeit ist er jedoch desertiert und wartet außerhalb des Krisengebiets auf das bevorstehende Kriegsende.
Im Sommer 1945 reist Nora ebenfalls nach Italien und folgt Thormann, der geschäftlich dort zu tun hat. Über mehrere Umwege führt ihr Weg zu Westhoff, der jedoch mittlerweile von der Polizei gesucht wird. Als unschuldiges Opfer eines Überfalls blieb sein Personalausweis zurück und wurde am Tatort als Beweismittel gefunden. Hans ist auf der Flucht und erhofft sich ausgerechnet von den Gaunern einen Weg aus der Misere. Dann trifft er auf Nora, die inzwischen Thormann die Hochzeit versprochen hat – jedoch unter der Bedingung, dass er Westhoff zur Ausreise verhilft. Doch auch der geschäftige Thormann stellt Bedingungen, um sich die Liebe Noras endgültig zu sichern.
Meine Meinung
Mit “Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein“ wird dieser Tage ein Klassiker des melodramatischen deutschen Nachkriegskinos im Rahmen der “Filmpalast“-Serie veröffentlicht. Es war einer der ersten großen Produktionen der legendären Lil Dagover, die hier in der Rolle der verzweifelten Nora eine Galavorstellung abliefert und sicherlich auch einen Grundstein für ihre weitere Karriere gesetzt hat. An der Seite von Gardy Granas, Rolf von Nakchoff und John van Deelen versetzt sie den Zuschauer in die Zeit vor dem Kriegsende, kurz vor der deutschen Kapitulation. Allerdings ist von der beklemmenden Lage Nazi-Deutschlands in diesem dramatischen Liebesfilm kaum etwas zu spüren.
Abgesehen von der Tatsache, dass der Protagonist indirekt am Kriegstreiben beteiligt ist und sein Soldatendasein die Beziehung auf eine harte, bis zum Schluss unsichere Probe stellt, und einigen kurzen Intermezzos mit britischen Soldaten in Süditalien, hat man sich an dieses brisante Thema nicht explizit herangewagt, sondern es lediglich als Aufhänger für einzelne grundlegende Aspekte der Handlung verwendet.
Stattdessen zielt Regisseur Paul Martin fast ausschließlich auf das Herzschmerz-Publikum, das mit der schwierigen Beziehung zwischen Hans und Nora beste, kurzweilige Unterhaltung und über weite Strecken auch sehr emotionales, nicht jedoch mit Klischees besetztes Gefühlskino geboten bekommt. Dabei darf man zu Beginn noch berechtigte Zweifel haben, was die Glaubwürdigkeit des Plots betrifft. Nora und Hans sehen sich nur einen Moment und kosten die Liebe auf den ersten Blick in einem derart geringen Maße aus, dass nur schwer nachzuvollziehen ist, dass Nora sich auch Monate nach ihrem kurzen ersten Treffen noch so um ihn bemüht. Es mag zwar einerseits genau der richtige Rahmen für romantisch veranlagte Zuseher sein, aber der Hintergrund, auf dem das Liebesverhältnis fußt, ist doch arg dünn.
Auch die Zufälle, die sich im Laufe der Geschichte ergeben, wirken bisweilen ein wenig aufgesetzt. Dass Nora ganz ohne Hintergedanken nach Neapel reist, kauft man dem Regisseur nicht ab. Und dass ausgerechnet zu diesem Zeitpunkt auch Hans in der Stadt zugegen ist, Noras Heimathort sogar der Sitz der Freundin von Hans’ Gefährte Alfred ist, lässt einen schon schmunzeln. Und dennoch: Die tolle Inszenierung (natürlich vor dem Hintergedanken des Entstehungsjahres) macht viele Ungereimtheiten und skeptische Betrachtungsweisen schnell wieder vergessen und lenkt alle Zweifel umgehend wieder vom Geschehen weg.
Die Story an sich mag indes nicht so erfinderisch sein und wurde in diesem und ähnlichem Maße sicher schon dutzendfach allein zu jener Zeit zitiert, funktioniert aber dank der tollen Schauspieler, der angesprochenen, feinen Inszenierung und generell der sympathischen Atmosphäre sehr gut. Der Standort Italien scheint zudem genau die richtige Umgebung für ein derartiges Melodram zu sein, liefert er doch erst die Grundlage für jene tolle, heitere Atmosphäre. Es spricht für den Regisseur, dass er die wechselseitige Story nicht noch mit weiteren stimmungsmäßigen Kontrasten, beruhend auf dem damals gerade beendeten zweiten Weltkrieg, auffüllt, denn das hätte schlussendlich – und damit sind auch die anfänglichen Zweifel endgültig ausgeräumt – die Handlung in ein ganz anderes Licht gerückt und die Liebesstory, den wesentlichen Inhalt von “Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein“, verfälscht. Auch wenn der Streifen insofern als zeithistorisches Dokument weniger taugt, kann man diese Entscheidung in erster Linie nur begrüßen.
Weniger begrüßenswert ist hingegen die Aufarbeitung der nun erschienenen DVD zum Film. Das s/w-Bild liefert trotz leichter Verschmutzungen zwar kaum Anlass zur Kritik, dafür ist der schwache Dolby 2.0-Sound aber fast ungenießbar. Nicht nur, dass die Dynamik sehr unkontrolliert ist, auch das ständige Hintergrundrauschen erweist sich als zunehmend penetranterer Störfaktor, der den Genuss wesentlich beeinflusst. Zwischendurch kommt es sogar zu Szenen, in denen man die Inhalte der Dialoge nicht versteht, weil die gesprochenen Parts im Klangmatsch verschwimmen. Schon schade, dass der tolle Film damit so erheblich verschändet wird.
Diesbezüglich möchte ich auch noch eine Kritik zum Bonusmaterial loswerden, welches hier erneut ziemlich rar gesät ist. Die Jukebox nämlich, die in jeder Episode der “Filmpalast“-Edition enthalten ist, bietet nämlich schon wieder die gleichen Tracks und dabei nicht einen einzigen Song aus “Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein“. Bedenkt man, dass die musikalische Untermalung ein wesentlicher Bestandteil des Streifens ist, ist dies nur schwer nachzuvollziehen. Bessere und leichter umsetzbare Möglichkeiten, interessante Extras beizufügen, könnte es ja wohl kaum geben.
Trotz allem bleibt der allgemeine Eindruck dieser 53-er Produktion äußerst positiv. “Rote Rosen, rote Lippen, roter Wein“ ist ein tolles Melodrama mit einer schönen Liebesstory, jedoch keine schmalztriefende Schmonzette mit Trainingsübungen für die Tränendrüse. Man muss das Ganze zwar ein wenig relativiert aus der Perspektive der damaligen Zeit bewerten, aber schraubt man dahingehend zumindest die Erwartungen an die Technik zurück, erhält man wirklich zeitlose Unterhaltung.
- Redakteur:
- Björn Backes