Punk: Attitude
- Regie:
- Don Letts
- Jahr:
- 2005
- Genre:
- Musical / Musik
- Land:
- USA / Großbritannien
- Originaltitel:
- Punk: Attitude
1 Review(s)
25.06.2007 | 16:47Auf dem Cover der "Punk: Attitude"-DVD prangt ein schickes Zitat, das sofort zeigt, wo's lang geht. "'Fuck you' means 'Fuck you' not 'Hey, let's do lunch next week'", lässt uns Henry Rollins wissen. Und mit diesem coolen Satz beschreibt er die Essenz des Punk und damit auch die der vorliegenden Doku treffend. Dabei ist der Ex-BLACK FLAG-Sänger nur eine von vielen bekannten Personen, die in diesem Film zu Wort kommen. Regisseur Don Letts, selbst ein Insider, der die Punk-Explosion in England als Dub- und Reggae-DJ hautnah mitbekommen hat und mit zahlreichen Musikern befreundet war, konnte alles, was Rang und Namen hat, vor die Kamera zerren, um die damaligen Ereignisse aufzubereiten.
Die Entwicklung wird chronologisch abgearbeitet, wobei sowohl die britische als auch die amerikanische Seite der Medaille beleuchtet werden. Don Letts Streifen zielt allerdings nicht darauf ab, Punk als kurzlebiges Phänomen zu beschreiben, das nur einen verlängerten Sommer dauerte (wobei das oberflächlich betrachtet bekanntlich zutreffend ist). Im Fokus des Interesses steht der Gesamtkontext. Wo kommt Punk musikalisch her? Wo sind die ideologischen Vorbilder zu suchen? Welchen Einfluss hatte und hat Punk auf die Rockmusik sowie Kunst und Kultur im Allgemeinen? Und da diese Fragen am besten von Leuten beantwortet werden können, die damals direkt beteiligt oder in irgendeiner Form dabei waren, plaudern neben Rollins, der gewohnt eloquent referiert, u. a. Leute wie Mick Jones und Paul Simonon (beide THE CLASH), Howard Devoto, Pete Shelley und John Mayer (alle THE BUZZCOCKS), Siouxsie Sioux (SIOUXSIE AND THE BANSHEES), Wayne Cramer (MC5) Glen Matlock (THE SEX PISTOLS), Jello Biafra (DEAD KENNEDYS), David Johansen, Sylvain Sylvain und Arthur Kane (alle THE NEW YORK DOLLS), Darryl Jenifer (BAD BRAINS), Regisseur Jim Jarmusch oder Thurston Moore (SONIC YOUTH) anekdotenreich aus dem Nähkästchen.
Aufgelockert – oder besser: ergänzt – werden die überwiegend höchst unterhaltsamen Interview-Sequenzen von entsprechenden Musikbeispielen der zur Debatte stehenden Bands. Und wenn man die kurzen Konzertausschnitte von THE CLASH oder den BUZZCOCKS miterlebt, weiß man, warum diese Musik unfassbar wichtig war. Die Wir-blasen-euch-alle-weg-Energie schießt einen im Sessel sitzend quer durch die Bude. Ebenfalls immer wieder gerne gesehen ist der mittlerweile legendäre Auftritt der SEX PISTOLS in der britischen "Today"-Show, der die Revolverblätter endgültig auf Punk anspringen ließ. Johnny Rotten und Co. mimten erfolgreich die besoffenen Vollasis, ohne sich dafür großartig verstellen zu müssen, und als Moderator Bill Grundy sie ermunterte, zu fluchen, gaben die Jungs mediengerecht Kette. Die Sendung endete schließlich mit Grundys Worten "I'll be seeing you soon (gemeint waren die Zuschauer), I hope I'm not seeing you again (gemeint waren die Pistolen)".
Genauso kurzweilig wie der Hauptfilm ist das Bonusmaterial auf dem zweiten Silberling. Alle Interview-Passagen, die aus zeitlichen und/oder dramaturgischen Gründen gestrichen wurden, sind hier zu bewundern und wurden benutzerfreundlich in Themengebiete und Kapitel wie "Fanzines", "Fashion", "UK vs. USA", "Women in Punk" oder "The Attitudes/Spirit Of Punk" aufgeteilt, und Henry Rollins darf auch noch mal länger am Stück erzählen. Ein paar kleinere Überschneidungen mit der ersten DVD bleiben zwar nicht aus, aber einige Storys hört man sich gerne zweimal an. Das i-Tüpfelchen des "Punk: Attitude"-Pakets sind die beiliegenden Nachdrucke sowohl der ersten als auch der siebten Ausgabe des ersten englischen Punk-Fanzines, "Sniffin' Glue". Nummer sieben aus dem Jahr 1977 beinhaltet u. a. ein ausführliches Interview mit – richtig! – Don Letts.
"Punk: Attitude" bietet über dreieinhalb Stunden lang perfektes Geschichts-Entertainment und gehört zusammen mit Paul Rachmans demnächst endlich für den Hausgebrauch erhältlichen "American Hardcore", der in etwa da ansetzt, wo der vorliegende Streifen aussteigt, ohne Frage in jede auf Vollständigkeit bedachte Rockmusik-DVD-Sammlung.
- Redakteur:
- Oliver Schneider